Otto Waalkes ist seit Jahrzehnten einer der bekanntesten Komiker Deutschlands. In fast einem Monat, am 22. Juli, wird er 70 Jahre alt. Zeit, einmal zurückzublicken auf das Leben des kultigen Ostfriesen. Er selbst hat das bereits in seiner kürzlich erschienenen Biografie getan. Wir wollten mehr wissen und haben uns mit dem Komiker in den USA getroffen, um mit ihm über seine Jugend, seine Fehler, und über seine wiederentdeckte große Leidenschaft für das Malen zu sprechen.
Otto, Du malst gerade sehr viel . . .    
Otto Waalkes: Ja, ich habe ein kleines Atelier in meinem Haus und dort tobe ich mich aus. Meistens vormittags, gleich nach dem Aufstehen oder nach dem Sport. Wann immer mich gerade die Muse küsst. Morgens habe ich die besten Einfälle, das bilde ich mir zumindest ein. Ich male meine Bilder gern auf einer Tee-
grundierung. Dazu tränke ich die Leinwände in einer Badewanne mit Tee – natürlich Ostfriesentee! Beim Malen bin ich sogar gern allein – das heißt, ich unterhalte mich mit den Bildern: „Noch ein bisschen Zinnoberrot?. . . Bitte schön!"     
Ottifanten hast Du ja immer schon gemalt . . .
Otto: Ja, als Zeichner habe ich mit Ottifanten angefangen. Jetzt versuche ich, sie in klassische Gemälde oder andere berühmte Vorlagen zu schmuggeln. Immer im Stil der jeweiligen Altmeister und immer mit einer gewissen Leichtigkeit. Offenbar gelingt mir das auch ganz gut. Die Bilder finden reißenden Absatz. Ich hab gar keine mehr.     
Wie kam es dazu, dass Du wieder so intensiv malst?
Otto: Ich habe, wie gesagt, schon immer viel gezeichnet. Dann fragte mich vor ein paar Jahren ein Galerist, ob ich nicht Lust hätte, wieder mehr zu malen. Mein Freund Udo Lindenberg, der seine Bilder vom selben Galeristen vertreiben lässt, motivierte mich dann zusätzlich. Er meinte: Mach das doch auch! Du kannst das. Da hab ich gesagt: Okay, Udo, wenn der Fachmann das meint, dann mach ich das! Und so hab ich angefangen, mir mehr Zeit zu nehmen, mehr zu malen und neue Sachen auszuprobieren.     
Bist Du stets zufrieden mit den Bildern?     
Otto: Nein, das wäre ja langweilig. Jedes Bild ist ein kleines Experiment für mich. Ich fange ja gerade erst an mit dieser intensiven Malerei. Die Bilder sehen zwar fertig aus, aber wenn ich sie mir intensiver anschaue, finde ich immer etwas, was ich noch besser hätte machen können. Ich bin eigentlich nie ganz zufrieden.     
Aber siehst Du Dein Talent?
Otto: Nein, das sehe ich nicht. Wenn ich durch Museen gehe, dann gibts tausend Maler, die besser sind.     
Wie hältst Du dich körperlich fit?
Otto: Ich mache viel Sport, fast jeden Tag, renne herum, zappele viel. Ich fahre Rollerblades, Fahrrad, spiele Tennis.    
Du fährst Rollerblades?
Otto: Ja, ich bin als Kind auch schon mit Schlittschuhen zur Schule gelaufen, weil ich ja an den Kanälen in Ostfriesland groß geworden bin, und damals war im Winter alles zugefroren. Aber der Klimawandel, der ja nicht existiert, hat ein bisschen verändert.
Wo Du es gerade, sagst, wie war eigentlich Deine Kindheit so?     
Otto: Glücklich, es war eine heile Welt. Unsere Eltern haben stets das Böse von uns ferngehalten. Als meine erste Ehe zu Bruch ging, bin ich fast daran zerbrochen, da ich sehr konfliktscheu bin. Meine Eltern sind dafür mitverantwortlich, durch ihre große, große Liebe. Ich bin sehr harmoniesüchtig.     
Was haben Dir Deine Eltern sonst noch mit auf den Weg gegeben?     
Otto: Die Religiosität meiner Mutter und Weltlichkeit meines Vaters waren eine gute Mischung. Sie haben mir mit auf den Weg gegeben, Probleme immer sofort anzusprechen und nicht vor sich herzuschieben, nicht zu verdrängen. Wenn mich etwas bedrückt, spreche ich darüber und dann ist es vorbei. Sonst schleppt man so etwas doch nur ewig mit sich rum.
Hast Du das Deinem Sohn auch weitergegeben?     
Otto: Ich weiß nicht, ob ich ihn erzogen habe. Er sagt, ich wäre ein ganz guter Vater, aber wie soll er das beurteilen? Sohn eines Prominenten zu sein, stelle ich mir schwierig vor. Und dann noch Sohn eines Komikers! Aber das hat seine Mutter gut ausgeglichen. Benjamin ging auf eine internationale Schule, da hatte er keinen Sonderstatus. Das war eine gute Lösung. Ich bin sehr stolz auf ihn.
Gibt es eine neue Frau in Deinem Leben? 
Otto: Noch nicht. Ich hab doch gerade erst die zweite Ehe hinter mir. Nichts überstürzen jetzt. Aber irgendwann, spätestens wenn ich 105 bin, hoffe ich, die passende zu finden. Falls es dann noch gleichaltrige Frauen gibt. Ob die mich erträgt, ist eine andere Frage. Ich bin ja immer so hektisch und viel unterwegs.     
Was ist mit jüngeren Frauen?
Otto: Die wären vielleicht eher bereit. Da wäre die Frage, ob sie mir nicht zu hektisch und unternehmungslustig sind – mit 105.
Bist Du nicht einfach?
Otto: Das kann ich nicht beurteilen, ich halte mich für sehr einfach. Anlehnungsbedürftig, obrigkeitshörig, harmoniesüchtig.
Aber Du verabredest Dich mit Frauen?     
Otto: Ja, klar, ich bin stets offen für eine neue Beziehung. Das macht die Entscheidung nicht einfacher. Eigentlich habe ich zu wenig Erfahrung. Zwei Ehen sind noch zu wenig, merke ich gerade. Und die Meinung, dass eine Ehe die Ruhephase zwischen zwei Affären ist, kann ich nicht teilen. Aber wenn die Richtige kommt, halt ichs wie die Pfadfinder: allzeit bereit. Heiraten ist vielleicht altmodisch – wie die Pfadfinderei – nicht mehr zeitgemäß, aber ich steh drauf.
Aber es gibt bestimmt einige Frauen, die gern mit Dir zusammen wären.     
Otto: Ja, aber nur solange sie noch nicht längere Zeit mit mir ertragen mussten, das ist nämlich gar nicht so einfach. Es gibt auch viele, mit denen ich gern zusammen wäre, aber die sind klug und können sich das nicht vorstellen. Ich lasse es auf mich zukommen. Ich jage nicht und lasse mich auch nicht jagen. Und dann gibt es vielleicht irgendwann den Moment, in dem man sich anschaut und denkt: Wow!. Ich glaube an Liebe auf den ersten Blick. Immer noch.
Wie war es, eine Biografie zu schreiben und das Leben noch mal Revue passieren zu lassen?     
Otto: Man verfällt in tiefe Melancholie, weil es Erinnerungen hervorruft, die zunächst traurig machen. So viel Schönes ist passiert und schon wieder vorbei. Man vermisst die Eltern und da wird man nostalgisch, aber auch fröhlich, weil alles so schön gewesen ist.     
Du hast einen sehr kleinen, alten Freundeskreis . . .
Otto: Ja, es kristallisieren sich in meinem Beruf mit der Zeit immer weniger Freunde heraus, eine Handvoll Menschen, denen ich vertraue, mit denen ich gern zusammen bin und Erlebnisse teile, Höhe- und Tiefpunkte. Es ist wichtig, dass man Freunde hat, ob weiblich oder männlich, ganz egal. Hauptsache, man hat sie.         
Und Deine hast Du teilweise seit über 40 Jahren . . .
Otto: Ja, das ist friesisch. Friesen sind beständig. Deswegen habe ich auch gedacht, meine erste Ehe würde ewig halten.
Gibt es etwas, was Du bereust in Deinem Leben?     
Otto: Ja, ich hätte Ingrid Steeger anrufen sollen. Als sie mir vor vielen Jahren ihre Telefonnummer nachts in Berlin unter der Hotelzimmertür durchgeschoben hat. Da hab ich nicht drauf reagiert, ich Idiot. Das streitet sie heute vielleicht ab, aber das bereue ich ehrlich. Ich hätte gern mit ihr über Komik diskutiert.     
Wie ist Dein Umgang mit Geld?
Otto: Ich habe kein erotisches Verhältnis zu Geld, kaufe mir keine teuren Sachen, abgesehen von Farben und Pinseln für die Malerei. Ich bin auch nicht gerade modebesessen, eher gleichgültig. Es ist mir egal, ob Lagerfeld, Adidas oder gar nichts auf den Sachen steht. Ich gebe mein Geld lieber für Vergängliches aus, für Einladungen, Essengehen, und ich mache Freunden gern Geschenke.     
Was waren die schönsten Momente in Deinem Leben?     
Otto: Ach, es gibt so Momente, da sitzt du am Tisch, mit einem Glas Wein und netten Leuten um dich herum, einer daneben grillt noch etwas – und das reicht mir schon. Da denke ich: Wow, was für ein schöner Moment! Oder wenn ich ein Bild fertig habe und jemand lobt es. Bestätigung ist unheimlich schön. Für mich ist jeder Tag wichtig, deswegen gibt es für mich auch eine verkürzte Zukunftsperspektive. Ich lebe von einem Tag in den anderen, genieße jeden einzelnen.     
Das können nicht viele . . .
Otto: Könnten sie schon, wenn sie nicht so besessen wären von ihrem Ehrgeiz und verbissen irgendwelche Ziele verfolgten. Das ist leicht gesagt, aber es ist einfach so.
Was waren die traurigsten Momente?     
Otto: Der Tod meiner Eltern. Und auch, als meine erste Frau mich verlassen hat, mit unserem Sohn. Verlassen werden war ungewohnt für mich. Der beliebte Otto, aber seine eigene Frau mag ihn nicht mehr, weil sie sich in einen anderen verliebt hat. Der Gedanke war mir vollkommen fremd. Viel später wurde mir klar, dass ich selbst schuld war, weil ich sie zu viel allein gelassen hatte.     
Gehst Du oft zum Grab Deiner Eltern?
Otto: Nein, das ist schwierig für mich. Wenn Schulkinder vorbeikommen und mich dort sehen, muss ich am Ende noch am Grab meines Vaters den Otto-Gang machen.     
Wie erklärst Du Dir, dass Jung und Alt dich gleichermaßen mögen?     
Otto: Vielleicht, weil ich selbst nie erwachsen geworden bin. Weil da ein kindlicher Geist noch in mir und meiner Komik steckt. Das mögen Ältere, weil sie sich überlegen fühlen, und Jüngere erkennen sich darin wieder. Deswegen wirkt das zeitlos.         
Was ist dein Erfolgsgeheimnis?     
OTTO: Darüber habe ich mir nie Gedanken gemacht. Vielleicht ist es das. Ich habe einfach immer das gemacht, was mir Spaß macht. Ich gehe solange auf Tour, solange es gut ankommt, wenn nicht, dann nicht, dann male ich weiter.     
Brauchst du Aufmerksamkeit?
Otto: Nicht immer. Wenn ich male, muss ich für mich allein sein, auch wenn ich Gitarre übe. Ich bin sogar ganz gern allein, wahrscheinlich weil ich sonst ja immer genug Leute um mich herum habe. Aber Publikum brauche ich. Danach bin ich süchtig. Bestätigung brauche ich immer wieder, etwa wenn die Leute mich erkennen. Ich war neulich in München am Stachus und da ruft einer ganz laut Da ist Otto! und alle drehen sich um und schauten mich an. Ich wurde ganz verlegen, vielleicht hätte ich doch nicht so laut rufen sollen . . .     
Hast Du Angst vorm Alter?
Otto: Ich war eigentlich immer schon alt, deswegen habe ich noch nie länger als eine Woche im Voraus geplant.
Bist Du auch privat immer lustig?
Otto: Nein, ich versuche oft, ernst zu sein, werde aber nicht ernst genommen. Daraus habe ich das Beste gemacht. Und das scheint irgendwie geklappt zu haben: Die Leute auf der Straße strahlen mich an, wenn sie mich sehen. Ich stelle mir das schrecklich vor, wenn die Leute mich nicht mehr mögen würden. Das würde mir weh tun.
INFORMATION
Zur Person
Otto Waalkes wurde am 22. Juli 1948 in Emden geboren. Der Ostfriese ist einer der erfolgreichsten Komiker Deutschlands aller Zeiten. So wurde er etwa bei der ZDF-Sendung „Unsere Besten – Komiker und Co." direkt hinter Loriot und Heinz Erhardt auf den dritten Rang gewählt. Otto Waalkes, der fast überall nur Otto genannt wird, war aber nicht nur auf der Bühne als Comedian erfolgreich, er dreht auch verschiedene Filme und hatte einige Fernsehshows. Jetzt hat Otto kurz vor seinem 70. Geburtstag seine Biografie „Kleinhirn an alle" veröffentlicht. Das Buch ist überall im Handel erhältlich.
