Sascha Hehn ist vielen Fernsehzuschauern vor allem als Kapitän des Traumschiffs und früher als Arzt in der Schwarzwaldklinik bekannt. Da überrascht es im Gespräch, dass Hehn ein Freund klarer Worte ist.
Herr Hehn, lassen Sie uns an Silvester doch mal versuchen, in die Zukunft zu schauen: Was meinen Sie, was wird 2017 so mit sich bringen?
Sascha Hehn: Ich bin leider Realist und mache mir da wirklich überhaupt gar keine Gedanken drüber. Noch sind wir ja im Jahr 2016, viel weiter im Voraus denke ich einfach nicht.
Hätte es Ihnen in der Vergangenheit nicht aber manchmal geholfen, weiter im Voraus zu denken?
Hehn: Nein, das wäre doch irgendwie abenteuerlos gewesen. Mir hat das Leben immer dann am meisten Spaß gemacht, wenn ich nicht wusste, was auf mich zukommt. Für mich ist das die Würze des Lebens.

Hilft so eine Einstellung, mehr Spaß am Leben zu haben? Wenn man sich keine Sorgen um die Zukunft macht, etwa wegen der politischen Lage, sondern einfach nur sein Leben lebt?
Hehn: Als Schauspieler kann ich persönlich doch sowieso keine direkten Änderungen in der Politik hervorrufen. Ich könnte Einfluss auf Menschen nehmen, aber dann werde ich zum Manipulator.
Wie meinen Sie das?
Hehn: Wenn ich jetzt eine politische Meinung äußern würde, was ich sehr selten tue, könnte ich mich mitschuldig machen, dass Unentschlossene einen Weg gehen wollen oder werden, den ich ihnen vorschlage. Diese Verantwortung möchte ich aber nicht übernehmen. Das würde ich erst tun, wenn ich ein politisches Amt angenommen habe. Das habe ich aber ehrlich gesagt aktuell nicht vor.
Leben wir vielleicht sogar in zu politischen Zeiten, in denen jeder meint, sich zu allem äußern zu müssen und für alles einen Schuldigen zu suchen?
Hehn: Da ist schon was dran. Wir Menschen nutzen ja gerne diese wunderbare Ausrede, dass andere schuld sind. Sein eigenes Fehlverhalten einzugestehen ist viel schwieriger und unbequemer. Und am Ende bringt die Suche nach einem Schuldigen auch nichts. Unsere Probleme sind meiner Meinung nach anders gelagert.
Wo liegen sie denn?
Hehn: Das wirkliche Problem unserer Zeit ist, dass schlichtweg zu viele Menschen auf unserem Planeten leben. Das verursacht die meisten Probleme. Wissen Sie, vor 35 Jahren war ich sieben Jahre lang als Steward auf dem Traumschiff. Heute besuche ich als Kapitän des Schiffs manche Orte zum zweiten Mal. Und von denen, an denen wir damals waren, ist mir nur ein einziger Ort aufgefallen – die kleine Karibikinsel Il de Saint – wo noch alles so ist, wie damals. Alles andere hat sich verändert. Wenn Sie etwa aus Kuala Lumpur rausfahren, brauchen Sie 300 Seemeilen, bis Sie endlich zwischen Brühe und Meer unterscheiden können.
Klingt nicht gut . . .
Hehn: Ich habe gesehen, wie sich die Welt zu ihrem Nachteil verändert hat. Und das hat nicht nur mit klimatischen Veränderungen zu tun. Sondern das hat auch mit der immensen Masse an Menschen, die auf diese Planeten leben und die Ressourcen verbrauchen, zu tun. Menschen, die die Natur benutzen, statt sie zu verwalten. Und Verwaltung wäre die eigentliche Aufgabe in der Vergangenheit gewesen. Aber das wollten wir so nicht sehen.
Woran, meinen Sie, liegt das?
Hehn: In unserer eigenen Eitelkeit haben wir nur an Macht und Geldverdienen gedacht. Wir waren Sklaven unseres Systems. Darum gefällt mir so eine Entscheidung wie jetzt von Nico Rosberg. Dass jemand auf dem Höhepunkt sagt: „So, das war es. Das wollte ich erreichen, jetzt ist Schluss."
Viele werfen ihm vor, nicht ehrgeizig zu sein und seinen Titel nicht verteidigen zu wollen. Ist das nicht auch verständlich?
Hehn: Ja, weil sie alle noch an ihm verdienen wollten. Aber dieses Gefühl, immer noch mehr erreichen zu müssen, immer noch mehr Geld zu scheffeln, gefällt mir nicht. Zufriedenheit ist das Zauberwort.
Aber Geld vereinfacht nun mal das Leben . . .
Hehn: Dann geben wir doch jedem mehr davon. Ich meine, die Schulden der heutigen Zeit können wir doch eh nicht mehr zurückbezahlen. Keiner kann das. Also wenn wir das nicht können, dann lasst es uns doch einfach drucken und jedem nach der Geburt eine Million überweisen. Das schreiben wir dann mit auf den Schuldenzettel. Und irgendwann schmeißen wir den Zettel weg und fangen wieder von vorne an. Zumindest wenn uns Geld dann immer noch so wichtig ist. Wenn es nach mir ginge, sollten wir das Geld einfach abschaffen.
Das klingt alles so gar nicht nach dem Mann aus der Schwarzwaldklinik, der im Privatleben teure Autos fährt. Wurde damals ein falsches Bild von Ihnen gezeichnet?
Hehn: Nein, damals war das das richtige Bild. Zu der Zeit hat man sein Geld entweder dem Finanzamt gezahlt oder in Autos investiert. Das waren sogenannte Abschreibungsobjekte. Das gibt es ja alles heute nicht mehr. Und das ist auch gut so. Aber auch damals war ich schon vielschichtiger. Ich habe immer in den Bereichen, in denen ich es konnte, etwas zurückgegeben. Etwa auf die Art, wie ich wohne, wie ich lebe. Ich habe Seen und Bäche renaturiert, das sind für mich Dinge, die für die Ewigkeit gemacht sind. Das ist aber nichts Lobenswertes, jeder sollte das machen. Wenn jeder die Dinge angeht, die er vor seiner Haustür zum Guten ändern kann, wäre uns doch schon sehr geholfen.
Im TV
Sascha Hehn ist 62 Jahre alt. In seiner Jugend spielte er in schlüpfrigen Filmen mit Titeln wie „Hausfrauen-Report" und „Nackt und heiß auf Mykonos" mit. Wirklich bekannt wurde der Schauspieler durch seine Rolle als Dr. Udo Brinkmann in der TV-Serie Schwarzwaldklinik. Die Rolle spielte Hehn von 1985 bis 1989. Zudem spielte er schon damals auf dem Traumschiff eine Rolle als Schiffs-Steward. Heute spielt er den Kapitän in der beliebten ZDF-Serie. Die nächsten Episode „Kuba" gibt es am Neujahrstag um 20.15 Uhr im ZDF zu sehen.Mit Verlaub, solche Aussagen hätte ich von einem Traumschiff-Kapitän gar nicht erwartet.
Hehn: Warum denn nicht?
Na ja, das Traumschiff ist doch eher sanfte Unterhaltung und nicht gerade sehr gesellschaftskritisch . . .
Hehn: Na und? Eben weil es gut unterhält, erfüllt das Traumschiff für mich eine ganz wichtige Aufgabe. Mal ehrlich: Das Traumschiff ist doch das letzte Highlight, das wir noch im Zweiten Deutschen Fernsehen haben. Mir jedenfalls fällt sonst kein Format ein, das auf unserem eigenen Mist gewachsen ist und das wirklich funktioniert. Das Einzige, was noch geht, ist der Tatort im Ersten. Und der tut sich gegen jeden Schweden-Krimi schwer.
Aber was genau macht das Traumschiff für Sie so wichtig?
Hehn: Es hilft, den Kopf freizubekommen. Das Traumschiff soll entspannen, es ist schicksalhaft und beflügelt uns optisch. Und es hat ein Happy End.
Woran liegt das? Ist es denn wirklich so schwierig, gute Unterhaltung fürs Fernsehen zu produzieren?
Hehn: Es bleibt jedes Mal aufs Neue eine große Herausforderung, aus mittelmäßigen Drehbüchern eine gut unterhaltende Traumschiff-Episode zu machen. Wir haben also ein massives Autorenproblem in Deutschland. Meiner Meinung nach sollte man in den Autorenschulen erklären, dass sie sich erst dann Autoren nennen dürfen, wenn sie es schaffen, drei unterschiedliche Geschichten – Comedy, Schicksal und Jugendstrang – in einem 90-Minüter miteinander zu verbinden.
Dass das schwer sein soll, denkt man beim Zuschauen erstmal gar nicht . . .
Hehn: Natürlich, der Zuschauer sieht ja nur das fertige Produkt. Glauben Sie mir, es ist wesentlich einfacher, einen Erfolgsroman zu verfilmen. Aber gute Autoren kosten nun mal viel Geld.
Dann muss es Sie doch wahnsinnig ärgern, dass bei Fernsehproduktionen aus Kostengründen immer weniger ausprobiert werden kann.
Hehn: Bestes Beispiel war die Serie „Lerchenberg". Eine Satireserie über das ZDF. Das Feuilleton hat es geliebt. Der Zuschauer auch. Dann wurde noch eine Staffel produziert, die dann irgendwo nach Mitternacht verbannt wurde. Dann, wenn keiner mehr guckt. Es gab bis heute weder für den Produzenten noch für die Hauptdarsteller eine Absage, obwohl alle höchst motiviert weitermachen wollten.Warum das so lief? Ich weiß es nicht. Wahrscheinlich ging es wieder ums Geld. Ist ja auch die beste Ausrede und so deutsch. Dabei gibt es so viele andere Beispiele. Nehmen wir den Film „Grüne Tomaten". Der Film hat kaum zwei Millionen Dollar gekostet, aber er hatte ein sehr gutes Buch, sehr gute Schauspieler und er passte in die Zeit. Kurzum: Jemand hat etwas probiert und damit einen großen Erfolg gelandet.

Wie könnten solche Erfolge im deutschen Fernsehen gelingen?
Hehn: Nennen wir das Kind beim Namen: Wir haben heute nicht mehr drei, sondern wir haben über 2.250 Sender über Satellit und mindestens 70 Sender über Kabel, dazu Pay TV, Netflix und so weiter. Wie will man da noch einen Konkurrenzkampf gewinnen? Bei den Öffentlich-Rechtlichen ginge das, denn die sollten ja eigentlich in keinen Konkurrenzkampf treten. Die müssen kein „Dschungelcamp" oder „Bauer sucht Frau produzieren", um zu überleben. Vielleicht sollen wir endlich mal konstruktiv darüber nachdenken wie zum Beispiel aus acht Rundfunkanstalten vier zu machen. Und mit der Milliarde, die wir dabei einsparen, könnte man vielleicht richtig gutes Programm gestalten. Aber hinter den heiligen Pforten der Öffentlich-Rechtlichen geht so was nicht, ohne dass sich gleich ein Bundesland wie Bremen beschwert, weil es kein eigenes drittes Programm mehr hat. Aber wenn Sie mich fragen, würde es doch reichen, wenn es ein Nord-, ein West-, ein Süd- und ein Ostprogramm gibt. Und die wichtigsten Nachrichten werden dabei zusammengefasst. Dann wird dieses dritte Programm plötzlich richtig gut.