Interview

Interview: Torsten Sträter ist der König der satirischen Kurzgeschichten

Der Autor, Slam-Poet und Komiker hat er sein drittes Buch veröffentlicht. Mit uns hat er über seine Heimat Dortmund, seine Mützen und darüber, wie er dem Alter begegnet, geredet.

17.04.2016 | 17.04.2016, 10:25
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tragen." - © Guido Schröder
Torsten Sträter: "Mit 53 sollte man vielleicht nicht mehr so eine Mütze
tragen." | © Guido Schröder

Bielefeld. Er ist der Mann mit der Mütze, der König der satirischen Kurzgeschichten: Torsten Sträter ist Autor, Slam-Poet und Komiker. Jetzt hat er sein drittes Buch veröffentlicht. Im Interview verrät er, wie er mit Rechten umgehen will, wie er auf seine Ideen kommt und warum er stolz darauf ist, bei Amazon nicht zu den Bestsellern zu gehören.

Herr Sträter, Sie schreiben in Ihren Büchern über Episoden aus Ihrem Leben. Kleine Städtchen kommen dabei manchmal nicht so gut weg, wie Gütersloh zum Beispiel. Was haben Sie gegen Gütersloh?
Torsten Sträter:
Ich habe nichts gegen die Stadt! Ich mag den Namen. GÜÜÜTERSLOOOH! (pathetisch) Das sage ich sehr gern. Ich hätte das Straßenfest auch nach Hückeswagen oder Castrop-Rauxel verlegen können. Das klingt alles so schön piefig. Ich bediene mich Orten mittlerer Größe, bei denen die Menschen sagen „Ah ja, kenn’ ich".

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Torsten Sträter wurde 1966 in Dortmund geboren. 2004 begann er das Schreiben und fand ein paar Jahre später den Weg auf die Poetry-Slam-Bühne. Sein neues Buch „Als ich in meinem Alter war" erschien im Januar 2016. In OWL ist er mit seinem Programm „Selbstbeherrschung umständehalber abzugeben" am 28. April in Bünde und am 10. Mai in Paderborn. Im Herbst startet er dann mit seinem neuen Programm. In Bielefeld ist er am 30. September zu Gast. Karten für alle Veranstaltungen gibt es im Netz unter www.erwin-event.de.

Auch Paderborn kommt in Ihren Geschichten das ein oder andere Mal vor.
Sträter:
In Paderborn hatte ich ein paar schlimme Auftritte. Alter Falter. . .

Warum?
Sträter:
Beim Kabarett-Festival war mit den älteren Herren und Damen im Publikum einfach nichts zu machen. Da ist mir ein „Paderborn, das Wacken Ostwestfalens" herausgerutscht. Das fanden nur die Leute auf der Bühne lustig, sonst keiner. Ein gruseliger Abend.

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Kommt Ihr Humor in OWL nicht an?
Sträter:
Doch, kommt er. Denn in Paderborn bin ich nordrhein-westfälischer Meister im Poetry Slam geworden. Das Kabarett-Festival war ein kniffliger Abend, eine Ausnahme. Ich habe lange in Soest gewohnt, also quasi nebenan. Deswegen kenne ich mich ein wenig aus. Die Menschen in OWL sind ein bisschen kühler als anderswo. Da muss man als Künstler einfach mehr machen, bevor sie warm mit dir werden. Aber wenn man sie dann hat, bleiben sie auch drei Stunden dabei.

Ihr Humor passt gut in diese Region. Er ist so schön trocken, beinahe ostwestfälisch, auch wenn Sie aus dem Ruhrpott, genauer aus Dortmund kommen.
Sträter:
Wir sind ja auch nahe bei. Sparsamer, trockener Humor. Das passt.

Würden Sie sagen, dass Ihr Humor typisch Ruhrpott ist?
Sträter:
Es ist mein Humor. Ich bilde mir immer ein, der wäre gar nicht so typisch Ruhrpott. Ich mache das so, wie ich es eben kann. Ob das nun Ruhrgebietshumor ist, weiß ich nicht. Ich gucke, dass die Gags gut und die Geschichten lustig sind. Und die kommen natürlich aus dem Ruhrgebiet. Da komme ich her.

Sie sind also Ihrer Heimat verbunden?
Sträter:
Das sind wir doch alle, oder? Man schreibt über die Dinge, die man kennt.

Was bedeutet Heimat für Sie?
Sträter:
Ich habe eine eigene Geschichte über Heimat geschrieben. Heimat ist da, wo einem keiner auf den Sack geht. Heimat ist für mich Zuhause. Ich hänge sehr an meinem Zuhause und an der Gegend hier. Wegen meiner Auftritte bin ich viel unterwegs. Die Kombination aus völlig fremder Gegend und nicht so gutem Hotel ist schon aufreibend.

Das Ruhrgebiet ist ständig im Wandel. Erst kam die Kohle, dann war sie weg. Was dann kommen sollte, ist auch schon längst nicht mehr da. Heute hat Dortmund – so wie viele Orte in Deutschland – ein Nazi-Problem.
Sträter:
Vor einigen Monaten habe ich noch gesagt, Dortmund hat kein Nazi-Problem, sondern Nazis haben Probleme mit sich selber. Ich hatte auch gesagt: „Ignoriert das Pack" oder „Überlasst sie dem Verfassungsschutz und der Polizei". Das muss ich revidieren. Denn man muss mit denen reden, sonst schnallen sie es nicht. Man muss versuchen, sie von diesem Weg abzubringen. Vielleicht hängt diese Nazi-Nummer mit mangelnder Bildung zusammen oder mangelnder Perspektive oder mangelnder Vorstellungskraft. Irgendein Mangel liegt da jedenfalls vor, denke ich.

Es gibt politisches Kabarett, das Ereignisse wie den Brandanschlag auf ein Flüchtlingsheim in Bautzen oder die Vorfälle in Clausnitz thematisiert. Können die Künstler so etwas verändern?
Sträter:
Kabarett – und speziell linkes Kabarett – bewirkt zwar vielleicht direkt nichts, aber es ist eine Art geistige Hygiene. Kabarett ändert nicht, Kabarett zeigt auf.

Sie haben ein neues Buch veröffentlicht, Ihr drittes. Können Sie das in drei Worten beschreiben?
Sträter:
Klar! Viereckig, gebunden, günstig.

Ah ja . . . Und zum Inhalt?
Sträter:
Darin befindet sich alles, was ich in den vergangenen drei Jahren gemacht habe. Auch der ganze Schwachsinn, den ich schreibe und der es nicht in die anderen Bücher geschafft hat, ist drin. Das soll kein Platzhalter sein. Ich will, dass die Leute sehen, dass ich mich manchmal total versteige.

Die Geschichten darin sind oft wirklich zum Kopfschütteln. Ich glaube ja nicht, dass Sie sich mit einem Hochdruckreiniger tatsächlich mal das Gesicht gewaschen haben . . .
Sträter:
Nee, aber ich habe mir einen gekauft, um meine Garagenwand sauber zu machen. Und als ich ihn hatte, war ich fasziniert von den Möglichkeiten, die sich einem bieten. So ein Hochdruckreiniger kann einiges. Die Geschichte ist aus dem Gedankenspiel entstanden, was man alles mit dem Gerät machen könnte. Sollte man aber nicht nachmachen.

Jetzt mal „Back to the roots": Sie haben eine Lehre zum Herrenschneider absolviert. Wie kam es dazu?
Sträter:
Das Handwerk hat mich fasziniert. Früher habe ich die Kleider meiner Mutter zerlegt, weil ich dachte, dass man noch etwas daraus machen kann. Das war oft ein Trugschluss. Dann habe ich den Beruf erlernt. Ich nähe übrigens immer noch. Über kurz oder lang werde ich mit den Sachen, die ich gerade nähe, an die Öffentlichkeit gehen. Mehr kann ich dazu noch nicht sagen.

2004 haben Sie das Schreiben angefangen und 2008 waren Sie auf Ihrem ersten Poetry Slam. Dort haben Sie 25 Minuten lang einfach mal vorgelesen.
Sträter:
Das war etwas lang, aber mir hatte vorher niemand erklärt, wie so etwas abläuft.

Danach haben Sie schnell dazugelernt. Immerhin waren Sie 2009, 2010 und 2012 NRW-Champion.
Sträter:
Slammer wie Sebastian 23 haben mir geholfen, die Form zu finden. Ich hatte und habe großen Spaß daran. Leider habe ich sehr wenig Zeit dafür. Der Poetry Slam ist spontan. Die Branche, in der ich jetzt arbeite, ist durchgeplant. Ich weiß bis 2017, was ich zu tun habe. Das passt nicht gut zueinander.

Wann war Ihr letzter Slam?
Sträter:
Letztes Jahr in Hamburg beim größten Slam Deutschlands.

Sie gehen rasant auf die 50 zu. Ist man irgendwann zu alt fürs Slammen?
Sträter:
Vielleicht ist man mit 80 zu alt für Sex. Es gibt aber nicht viele Dinge, für die man zu alt wird. Voraussetzung ist, dass man nicht so tut, als wäre man jünger, als man ist. Das mache ich nicht, weil das affig ist. Ich weiß, wie alt ich bin. In solchen Kategorien zu denken, langweilt mich aber. Ich bringe dem ein mildes Desinteresse entgegen.

Sie sind nach Ihren Auftritten Kritikern ausgesetzt. Lesen Sie Kritiken über sich?
Sträter:
Ja! Ich würde wirklich gerne sagen, dass ich meine Kritiken nicht lese. Aber das wäre gelogen. Ich bin von dem Turnus runter, mich jeden Tag zu googlen. Aber ein bis zwei Mal die Woche gucke ich, was ich da wieder gemacht habe. Wenn es ein guter Pressebericht ist, dann freue ich mich.

Und bei einer miesen Kritik?
Sträter:
Da habe ich zwei bis drei Stunden schlechte Laune. Früher war ich dann eine ganze Woche mies drauf.

Während Ihrer Auftritte tragen Sie immer eine Mütze. Warum?
Sträter:
Ich schwitze am Kopf. Mit Mütze bleibt mein Gesicht trocken.

Also ist sie aus praktischen Gründen zu Ihrem Markenzeichen geworden.
Sträter:
Das ist auch nicht schlimm. Wenn das eine Verkleidung wäre, hätte ich sie längst ablegt, weil sie mir auf den Keks gehen würde. Ich trage diese Mützen einfach gerne und ob sie mich kleiden oder nicht, ist mir egal. Ich weiß aber auch, dass ich irgendwann damit aufhören werde. Mit 53 sollte man vielleicht nicht mehr so eine Mütze tragen.

Sie sind Verfechter von kleinen Buchläden. Die Leute sollen Ihre Bücher lieber in der Handlung kaufen als auf Amazon. . .
Sträter:
Eines muss ich klarstellen: Ich bestelle viel Schwachsinn auf Amazon. Ladekabel, die ich dann im Zug vergesse zum Beispiel. Aber keine Bücher. Jeder Buchladen ist schneller als Amazon. Übrigens: Keiner käme auf die Idee, Mettwurst auf Amazon zu kaufen. Aber bei Büchern denken viele, das sei ok. Dabei haben wir die Buchpreisbindung. Niemand muss also Bücher dort kaufen!

Gibt es Ihr neues Buch auf Amazon?
Sträter:
Ja. Es verkauft sich dort aber nicht gut. In der Spiegel-Bestseller-Liste ist es mittlerweile angekommen. Das heißt, dass mein Buch gerade nur im Buchhandel erfolgreich ist. Das ist eine Sache, die mich stolz macht.