Interview

Football-Trainer Patrick Esume im Interview: "Sowas kann dir Fußball nicht bieten"

Vor dem Super Bowl erklärt der Coach und TV-Experte seine Faszination

Arbeitsplatz: Esume mit dem World-Bowl-Ring am Finger im TV. | © ProSiebenMAXX, SAT.1 / Stefan Hobmaier

07.02.2016 | 07.02.2016, 17:57

Spieler mit Vorstrafen, die Faszination Football und ein komplexes Spiel

Man liest von NFL-Spielern mit Haftstrafen und Kriminaldelikten. Wie ist der Umgang in der Kabine? Sind das richtig harte Jungs oder könnte das auch eine deutsche Handball- oder Fußballmannschaft sein?
Esume:
Das wahrscheinlich nicht. Beim Football laufen 60 Alphamännchen physisch aufeinander los, das kann brutal sein. Da hat man eine andere Art von Persönlichkeiten. Nichtsdestotrotz sind in so einer Mannschaft die meisten ganz normale Menschen wie du und ich. Das sind keine großen, bösen Bestien, die kleine Kinder fressen – überhaupt nicht. In den Teams sind viele hochintelligente junge Männer. Die müssen sich bis zu 100 Spielzüge merken. Klar bekommen sich mal zwei drei Jungs in die Wolle. Der ein oder andere kommt mit dem Ruhm, dem Geld und dem steigenden Druck nicht zurecht. Aber ansonsten passiert da nichts außergewöhnliches und schwarze Schafe gibt es überall.

Geht es in diesen Trainingscamps manchmal auch über die Belastungsgrenze hinaus?
Esume:
Natürlich. So ein Trainingscamp ist mental und physisch sehr anstrengend und alle, die es nicht packen, scheiden aus. Der Druck ist immens.

Sie haben 1992 angefangen, American Football zu spielen. Warum?
Esume:
Ein Nachbar hat mich mit zum Training des Hamburger Bundesligateams genommen. Nach gefühlten 100 Jahren Fußball hat mich der Sport gepackt. Ich war einmal beim Training und wusste: Das ist es. In jedem Training hab ich richtig was auf die Mappe bekommen. Aber ich fand das gut, bin immer wieder gekommen und habe nach einem Jahr mein erstes Spiel gemacht.

Was macht die Faszination für American Football aus?
Esume:
Der Sport bedient tatsächlich alle Urinstinkte des Mannes. In der Offense beschützt man seinen Quarterback. In der Defense, wo ich gespielt habe, geht man in seinem Rudel auf Jagd. Da versucht man, mit elf Leuten, ohne technische Hilfsmittel, nur mit seinem Körper den Ballträger zur Strecke zu bringen.

Für manche ist der Sport aber nur eine wilde Rauferei von schweren Jungs.
Esume:
Wer das denkt, sollte einmal zu einer Trainerfortbildung gehen und sich den theoretischen Aspekt hinter diesen Rangeleien angucken. Dann wüsste er, dass Raketenwissenschaften davon nicht fern sind.

Sind die Regeln nicht trotzdem viel zu kompliziert?
Esume:
Nö, überhaupt nicht. Das ist immer der Vorwand hier in Deutschland. Wenn ein Amerikaner darüber nachdenkt, Donald Trump zum Präsidenten zu machen, aber diesen Sport versteht – dann verstehen wir den erst recht.

Woher kommt die Komplexität des Spiels?
Esume:
Das ist die Strategie dahinter. Dadurch, dass es kein fließendes Spiel wie Fußball ist, gibt es hundert Versionen in der Offensive und in der Defensive. Wenn man drüben in der NFL ist, merkt man, dass wir in Deutschland taktisch nur an der Oberfläche kratzen.

An jeder Seitenlinie stehen mit Spielern Trainern und Betreuern mindestens 80 Leute pro Team. Wer behält da den Überblick?
Esume:
Der Head Coach (Cheftrainer, d. Red.). Der hat seine Assistenten für die Offense, die Defense und die Special Teams. Das wird ganz militärisch von oben nach unten delegiert.

Komplexe Regeln, wenig Vereine, Mannschaften mit 50 Spielern. Hat der Sport überhaupt eine Chance, sich in Deutschland zu etablieren?
Esume:
Auf jeden Fall. Die Begeisterung für diesen Sport hat man schon in den 1990er und 2000er Jahren gesehen, als die NFL Europe hier war. Wir hatten 30.000 Leute im Volksparkstadion. Jetzt haben wir bei den Übertragungen grandiose Zuschauerzahlen und mir erzählen Bekannte, dass Leute zu den Teams kommen und wegen der NFL im TV Football spielen wollen. Wenn eine Million Leute Sonntagnacht die Übertragung gucken, kann man einen drauf lassen, dass der Sport in Deutschland eine Berechtigung hat.

Und wie sähe es mit einer Neuauflage einer NFL Europe aus?
Esume:
Das ist utopisch. Es wird sicher mal ein NFL-Spiel in Deutschland stattfinden, aber mehr nicht.

Warum sind internationale Spiele der NFL in England und nicht bei uns?
Esume:
Weil es ganz einfach noch eine Stunde Flugzeit weniger ist, es keine Kommunikationsprobleme gibt und die geschichtliche Verbindung der Länder besonders ist. Da liegt der Hund begraben.