Herr Schröder, nur das wir das direkt vorab klären: Ich rede jetzt vermutlich mit der Bühnenfigur Atze Schröder...
Atze Schröder: Die Grenze ist da zwar fließend, aber ich gehe auch davon aus.
Okay, dann sind die Fronten ja geklärt. Aber ehrlich gehen wir trotzdem miteinander um?
Schröder: Immer! Keine Sorge, ich erzähle hier keinen Quatsch, aber das wird jeder Leser schon selbst merken.
Dann gleich mal was Existenzielles: Frauen sind heute modern und selbstbewusst, warum funktioniert dann Atze trotzdem immer noch als Frauentyp?
Schröder: Gott sei Dank sind Frauen heute, wie sie sind. Und Atze funktioniert wahrscheinlich genau deshalb mehr denn je. Die Mädels sehen ja das Augenzwinkern in dem, was ich mache. Ich nehme meine eigene Spezies eher auf den Arm und überspitze vieles. Ich glaube dafür haben Frauen ein sehr gutes Gespür.
Zusatzshow
Am Sonntag, 15. November, ist Atze Schröder, dessen bürgerlicher Name nicht in veröffentlicht werden darf, mit seinem Programm „Richtig Fremdgehen“ in Bielefeld zu Gast. Beginn der Show in der Seidenstickerhalle ist um 19 Uhr. Tickets für die Zusatzshow – der erste Termin war ausverkauft – gibt es im Netz unter: www.erwin-event.de.Also haben Sie keine Angst, mal etwas Falsches zu sagen?
Schröder: Ich bin mir sicher: Man kann zu Frauen alles sagen, man muss nur die richtige Tonart wählen.
Und da kennt ausgerechnet Atze Schröder die richtige?
Schröder: Ich bin halt in einem Frauenhaushalt groß geworden. Mutter, Oma, Schwester – bis zum 14. Lebensjahr gab es nur Brigitte zu lesen – das prägt.
Aber besonders feminin gibt sich Atze nicht. Eigentlich eher als das genaue Gegenteil.
Schröder: Richtig. Aber selbst in der Fernsehserie „Alles Atze“, die ich ja schon lange nicht mehr drehe, haut Atze sich ja selber in die Pfanne. Er hat immer eine große Fresse, bleibt seiner Liebsten aber immer treu.
Mal ehrlich, eigentlich ist Atze der Loser in der Serie. Aber vor sich selber ist er halt der König.Ist das eine besonders männliche Eigenschaft, sich selbst gut belügen zu können?
Schröder: Ach, das ist eine menschliche Eigenschaft. Selbstbetrug gibt es überall, und ohne den könnten wir doch gar nicht überleben. Aber gerade solche Feinheiten machen einen doch erst interessant. Als ich vor 20 Jahren mit Atze Schröder angefangen habe, habe ich mir schon gesagt: Wenn du jetzt nur auf die Wurst haust, dann wird das relativ schnell uninteressant. Es muss dahinter immer diesen Loser geben, der am Boden liegt und wieder aufsteht. Versteh mich jetzt bitte nicht falsch, denn Pathos ist eigentlich nicht meine Sache, aber ich habe mich immer schon für Literatur interessiert. Und es waren doch immer die interessantesten Typen, die auf die Nase gekriegt und sich trotzdem hochgerappelt haben und dann sagen: ist doch alles super gelaufen.
Ist diese Vielschichtigkeit das schwierige an der Rolle?
Schröder: Das ist das, was Arbeit macht, ja. Und das macht mir Spaß, aber es ist auch fordernd. Wenn wir das Programm schreiben, müssen wir immer auch die Ebene dahinter beleuchten. Und immer wieder kommt während des Schreibens der Einwand, meistens von mir aber auch von meinen Kollegen: „Jetzt hat er eine zu große Klappe, jetzt muss er sich auch selbst wieder mal auf den Arm nehmen.“
Also wären stumpfe Witze über Stöckelschuhe und Arschgeweih eher eine Gefahr für Atze Schröder?
Schröder: Solche Witze tragen nicht. Wenn ich solche Gags mache, dann eher auf einer Ebene, die eine Stufe weiter ist. Ich benutze das Abgedroschene der Klischees, um es weiterzuentwickeln und auf meine Art lächerlich zu machen. Würde ich einfach nur platte Witze erzählen, würden die Leute vielleicht 20 Minuten lachen, dann aber wäre es langweilig.
Am Anfang Ihrer vorletzten Tour „Schmerzfrei“ haben sie eine Viertelstunde eher Kabarett gemacht, da drehten sich Atzes Witze vor allem um aktuelle Politik, ist das eine Seite, in die Atze sich häufiger wagen möchte?
Schröder: Ja, doch. Ich versuche in jedem Programm ein bisschen den Zeitgeist einzufangen, und damals lag das irgendwie in der Luft, mal etwas Politisches und auch Kritisches zu machen. Beim jetzigen Programm „Richtig Fremdgehen“ hab ich es wieder rausgelassen, weil ich lieber mit vollem Bratensaft in dieses Thema rein wollte. „Richtig Fremdgehen“ ist denke ich ein recht eindeutiges Thema und da wollte ich mich mal wieder so richtig Atze sein lassen. Ich finde es muss Abwechslung rein in Bühnenprogramme. Die Zuschauer wollen doch nicht schon vorher genau wissen, was sie erwartet.
Aber der aktuelle Zeitgeist wäre doch eigentlich wieder sehr politisch...
Schröder: Stimmt absolut. Ich denke so langsam ja auch wieder über das nächste Programm nach und halte den Finger in den Wind. Und daher bin ich mir sicher: Das nächste Programm muss politischer werden. Ich möchte immer in sich stimmige Programme machen. Das jetzige mit dem Thema Fremdgehen ist ein Programm wie ein Udo-Jürgens-Konzert. Aber das nächste, das wird spürbar politischer werden.
Wirklich? Das wäre eine Überraschung...
Schröder: Mag sein, aber ich habe da schon richtig Lust drauf. Ohne Luft zu holen erstmal bis zur Pause ordentlich durchschimpfen (lacht).
Hat es dann sogar einen Vorteil, aus einer Rolle heraus sprechen zu können? Denn alles, was sie sagen und denken, sagt ja eigentlich Atze.
Schröder: Unbedingt. Ich muss meine Attitüde nicht beweisen, die ist mittlerweile bekannt. Und in fast jedem amerikanischen Ratgeber für Stand-up-Comedy steht: Der Standpunkt ist das Wichtigste. Wenn die Leute den Standpunkt begriffen haben, egal ob du als der Geistige, der Clown oder Frauenheld bekannt bist, dann wird manches echt leichter. Dann wissen alle, dass du das, was du sagst, aus dieser Brille heraus betrachtest.
Aber es passiert jetzt gerade so viel. Das Thema Flüchtlingspolitik etwa. Fühlen Sie sich nicht genötigt, auch jetzt schon etwas zu sagen?
Schröder: Genau darüber mache ich mir in diesen Tagen immer wieder Gedanken. Klar, ich könnte es mir leicht machen und drei Posts auf meiner Facebookseite veröffentlichen. Darüber habe ich nachgedacht, habe mir dann aber gesagt: Ne, mach doch demnächst lieber mal ein Programm dazu und bekenne Farbe. Und dieses Programm, in dem ich Stellung beziehe, gönne ich mir dann auch. Dabei kann ich nur hoffen, dass die Zuschauer auch mitziehen. Aber da haben wir Komiker eine Verpflichtung.