Bielefeld. Achim Hagemann steht nicht gerne in der Öffentlichkeit. Er versteckt sich lieber hinter Rollen wie der des polnischen Musikers Pawel Popolski. Mit Lennart Krause sprach er über seine Beweggründe, Vorurteile und seine enge Freundschaft mit Hape Kerkeling.
Herr Hagemann, sind Sie ein Freund von Vorurteilen?
Achim Hagemann: Wer antwortet denn auf so eine Frage mit ja? Ich hoffe doch, niemand. Ich jedenfalls bin kein Freund von Vorurteilen.
Aber Ihre Bühnengruppe „Familie Popolski“ spielt mit Vorurteilen gegenüber den Polen. Wieso ist das in diesem Fall in Ordnung?
Achim Hagemann: Weil Übertreibung eines der wichtigsten Mittel von Comedy ist. Mich haben im Vorfeld und im Verlauf der Familie Popolski immer wieder polnische Freunde beraten. Denen habe ich alles gezeigt und sie immer gefragt, wie sie es finden. Und sie fanden es alle sehr lustig. Das war mir wichtig. Wir benutzen zwar Vorurteile, aber auch das Gegenteil davon.
Wie darf ich mir das Gegenteil von Vorurteilen vorstellen?
Achim Hagemann: Na ja, das älteste Vorurteil gegenüber Polen ist der Witz, dass sie klauen. Das ist auch der Witz, der meist in normaler Comedy erzählt wird, wenn von Polen die Rede ist. Bei uns aber sind die Polen die Beklauten. Schließlich hat Opa Popolski die Popmusik begründet und über 128.000 Top-Ten-Hits geschrieben, die ihm alle gestohlen wurden. Das ist unsere Geschichte. Nicht diese altbackenen Sachen wie Spargelstecher und Fliesenleger. Wir benutzen Klischees wie die Kleidung oder den Akzent, der deutlich übertrieben ist. Aber wir beleidigen nie jemanden.
Haben Sie in Zeiten, in denen Nationalismus und Vorurteile auf dem Vormarsch sind, nicht trotzdem Angst zu überdrehen?
Achim Hagemann: Darüber macht man sich schon Gedanken. Aber unser Bemühen liegt darin, immer respektvoll zu sein. Und die Zuschauer bestätigen uns darin. Wir haben sehr viele polnische Fans. Die kommen mit Polska-Shirts und Fahnen ins Programm. Das ist für mich auf der Bühne die größte Freude, zu sehen, wie das Publikum eine deutsch-polnische Fete feiert.
Würde so ein Projekt andersrum auch funktionieren, oder wären wir Deutschen da schwieriger?
Achim Hagemann: Das würde funktionieren. Ich fänd es auf jeden Fall sehr lustig, wenn Polen eine deutsche Familie darstellen und die auf die Schippe nehmen würden. Dabei könnte etwas sehr Gutes rauskommen.
Trotz des Erfolgs der vergangenen Jahre machen Sie jetzt erst mal eine Pause mit der Band und gehen als Pawel Popolski auf Lesetour. Genug gehabt von der Polka?
Achim Hagemann: Ganz im Gegenteil. Bei der Tour handelt es sich nämlich um eine Polka-Lesung. Neben einem Sessel und meinem Buch gibt es auch ein Schlagzeug auf der Bühne. Und einen polnischen Kassettenrekorder für Musikeinspielungen. Außerdem kommt ein weiteres Mitglied der Popolskis zu Besuch. Kurzum: Es gibt Geschichten, Wodka und Musik.
Kommen Sie manchmal mit Ihrem polnischen Dialekt durcheinander, wenn sie so häufig in Ihre Rolle als Pawel Popolski schlüpfen?
Achim Hagemann: Das ist so. Wir haben mehr als zehn Jahre bis zu 120 Konzerte im Jahr gespielt. Dieser Dialekt sitzt dann irgendwann derartig drin, dass man völlig falsches Deutsch spricht, ohne es überhaupt zu merken.
Zum Beispiel?
Achim Hagemann: Die Popolskis benutzen die Artikel immer falsch. Ich stand neulich beim Bäcker und sagte, ohne es zu wollen: „Ich will noch der Brötchen.“ Dazu die andere Betonung und Aussprache. Sie können sich vorstellen, dass ich etwas verwirrt angeschaut wurde. Und das passiert häufiger. Bestimmt merke ich es oft gar nicht.
Sprechen Sie auch noch andere Dialekte?
Achim Hagemann: Die sind mittlerweile überlagert. Früher konnte ich viele Dialekte gut, aber ein Freund sagte mir neulich, dass alles jetzt nach falschem Polnisch klingt. Darum versuche ich nicht nur Pawel Popolski, sondern auch andere Dialekte privat lieber wegzulassen.
Privat ist ein gutes Stichwort. Sind Sie noch mit Hape Kerkeling befreundet?
Achim Hagemann: Natürlich. Hape ist mein ältester Freund, wir kennen uns seit der Grundschule. Unsere Freundschaft hält bis heute.
Und neiden Sie ihm nichts?
Achim Hagemann: Überhaupt nicht! Wieso denn?
Sie haben für ihn Hits geschrieben wie „Witzigkeit kennt keine Grenzen“, trotzdem sind Sie der Öffentlichkeit viel weniger bekannt. Wollten Sie nie, dass ganz Deutschland Achim Hagemann kennt und liebt?
Achim Hagemann: Im Gegenteil. Ich will privat nicht mal in Fernsehsendungen sitzen. Weder in einer Talkshow noch sonst irgendwo. Ich finde es sehr angenehm, im Privatleben unsichtbar zu sein. Nach einer Tour als Pawel Popolski muss ich nur den Schnäuzer abnehmen, schon bin ich unbekannt. Ich genieße es, so normal zu leben wie jeder andere auch. Darum möchte ich mein Gesicht nicht in jede Kamera halten.
Eine Ihrer bekanntesten Rollen war mit Hape Kerkeling aber vor der Kamera. Fast jeder Deutsche kennt den Sketch mit dem „Hurz“. Wie haben Sie es geschafft, dabei nicht lachen zu müssen?
Achim Hagemann: Die Redakteurin hat uns am Abend vor dem Dreh in den Probenkeller von Radio Bremen geschickt und uns stundenlang üben lassen, bis wir nicht mehr über den Sketch lachen konnten. Das war wichtig, denn der Auftritt musste ernst und überzeugend daherkommen. Nur so konnten wir das Publikum überzeugen, mit uns eine seriöse Kunstdiskussion zu führen. Wenn wir uns da ausgeschüttet hätten, wäre das ganze Ding anders und langweiliger gelaufen.
Holen Sie sich für Ihre Witze bei
Hape Kerkeling Rückmeldung?
Achim Hagemann: Dafür habe ich eigentlich andere Freunde, die als Testpublikum herhalten. Eine Freundin musste jetzt für die Polka-Lesung immer wieder die neuen Geschichten anhören. Es ist wichtig, Leute zu haben, denen man vertraut und die einem ehrlich Rückmeldung geben. Gerade bei der Entscheidung, ob etwas witzig ist oder nicht, sollte man sich die Meinung anderer anhören. Obwohl, man sollte sich generell so oft es geht die Meinung anderer anhören.
Dann sagen Sie uns doch zum Ende Ihre Meinung über Polen. Fernab aller Klischees und Vorurteile: Warum mögen Sie das Land?
Achim Hagemann: Vor allem mag ich die Menschen. Wenn sie merken, dass man keiner ist, der zum 150.000 Mal einen Autoklauwitz erzählt, tauen Sie richtig auf. Und sind dann die besten Gastgeber, die ich kenne. Ich kann wirklich jedem nur raten, dass Land zu besuchen und kennenzulernen. Krakau etwa ist unbedingt eine Reise wert. Für mich ist es eine der schönsten Städte Europas.