Bielefeld. Hannes Wader gehört zu den beliebtesten Liedermachern Deutschlands. Mit seinem neuen Album "Nah dran" tourt der gebürtige Bielefelder jetzt durchs Land. Am 2. Oktober spielt er um 20 Uhr in der Bielefelder Stadthalle. Stefan Brams sprach mit dem 70-Jährigen über Leben und Tod, Frauen, die Band "Tote Hosen", die seinen Klassiker "Heute hier, morgen dort" in einer Punkversion eingespielt hat, und mögliche Pläne, nach Bielefeld zurückzukehren
Herr Wader, Ihr neues Album "Nah dran" ist in den deutschen Charts auf Platz 18 eingestiegen. Ist das Ihr erstes Album, das sich in den Charts wiederfindet?
HANNES WADER: Ich habe das zwar mal in einem Gespräch behauptet, aber das ist falsch. Mein Album mit Konstantin Wecker und Reinhard Mey hat es auch zu zwei Chart-Platzierungen gebracht. Auch in den 1970er Jahren war ich bereits zwei Mal drin. Insofern ist es keine Premiere.
Aber schön ist es schon, oder?
WADER: Ja, ich empfinde es auf meine alten Tage als Bestätigung meiner Arbeit – zumal ich damit überhaupt nicht gerechnet habe.
Haben Sie eine Erklärung für den Erfolg?
WADER: Nein, nicht wirklich. Ich bin einfach überrascht, wie positiv ich seit Monaten in der Öffentlichkeit wahrgenommen werde. Da war dieser sehr schöne Film "Wecker, Wader, Vaterland", die vielen Würdigungen zu meinem 70. Geburtstag und die Tribute-CD, mit der mich meine Plattenfirma zum Geburtstag überrascht hat. Dann haben auch noch die "Toten Hosen" "Heute hier, morgen dort" von mir gecovert. Das ist schon ziemlich viel, was sich da rund um meine Person abspielt.
Wie hat Ihnen die Interpretation Ihres Klassikers durch die "Toten Hosen" gefallen?
WADER: Ich war von der Tribute-CD schon sehr begeistert, aber die punkige Interpretation der "Toten Hosen" von "Heute hier, morgen dort" ist einfach großartig. So muss man das machen.
Zurück zu Ihrer CD. Ihr erstes Lied heißt, "Dass wir so lang leben dürfen" und ist eher heiter. Das letzte heißt schlicht "Lied vom Tod". Ist diese CD eine Art Lebensbilanz geworden?
WADER: Die Beschreibung ist nicht falsch, nur ich wollte das gar nicht so. Es steckt kein Konzept hinter der Platte. Das ist mir einfach so passiert beim Schreiben. Ein schönes Gefühl, wenn die Texte fließen, denn zu viel Kalkül macht die Dinge nur hölzern.
Und der Tod, über den Sie in Ihrem letzten Lied singen, schreckt der Sie?
WADER: Der Gedanke an den Tod ist immer da, aber der Tod schreckt mich nicht. Er ist einfach als Thema dazu gekommen. Als ich vor wenigen Monaten 70 wurde, wurde mir auch klar, dass ich Verantwortung gegenüber meiner Familie trage und da habe ich begonnen, meine Dinge zu ordnen und zum Beispiel eine Patientenverfügung auf den Weg gebracht. Ich habe auch nachgeforscht, ob ich als alter Mann noch Organe spenden kann.
Und, können Sie?
WADER: Ja, da sind welche wohl noch brauchbar.
Und das Alter selbst, Sie sind kürzlich 70 geworden, schreckt Sie das?
WADER: Nein, aber ich ärgere mich drüber, denn Altwerden taugt nichts.
In Ihrem Titelsong "Nah dran" lassen Sie etliche Frauen aus Ihrem Leben an sich vorbeiziehen. Man hat den Eindruck, so richtig hat das zwischen Ihnen und den Frauen nie geklappt. Trügt der Schein?
WADER: Nein, der trügt nicht. Es ist nicht immer alles so toll gelaufen mit den Frauen und mir. Aber die Geschichten, die ich auf der Platte in Ich-Form singe, sind alle gelogen, wenn Sie sie nur auf mich beziehen. Vieles davon ist anderen zugestoßen. Insofern ist an dem Lied auch wieder viel Wahres dran. Aber was wahr ist und was nicht, das möchte ich im Dunklen lassen.
Sie setzen Franz-Josef Degenhardt mit ihrem Lied "Alter Freund" ein starkes musikalisches Denkmal und haben auch sein Stück "Jeder Traum" für die CD neu eingespielt. Wie war Ihre Beziehung zu "Väterchen Franz"?
WADER: Wir waren lange Jahre befreundet. Er war ein Vorbild für mich. Und wir waren beide in der DKP. Als ich eines Tages aus der Partei ausgetreten bin, hat er mir das sehr übel genommen. Und ich habe ihm übel genommen, dass er das öffentlich gemacht hat. Dann war Sendepause. Als ich Jahre später hörte, dass er sehr krank sei, habe ich ihm einen Brief geschrieben und wir fanden wieder zueinander. Für mich gehört dieser Brief mit zu dem Besten, was ich in meinem Leben gemacht habe. Ich habe damit meine Sturheit überwunden. Und das ist schon was für einen so sturen Kerl wie mich.
Sind Sie insgesamt sanfter geworden?
WADER: (zögert etwas). Sanfter nicht. Da hat sich sich eher etwas verlagert. Manche Dinge machen mich heute eher wütender als früher und andere lassen mich nun einfach kalt.
Gegenüber neuen und alten Nazis werden Sie weiterhin sehr deutlich. Ihr Lied "Boulevard St. Martin" über den jüdischen Widerstandskämpfer Peter Gingold ist das politischste auf Ihrer CD. Auch nur so passiert?
WADER: Nein, es ist eine gezielte Stellungnahme gegen den immer stärker werdenden Rechtsradikalismus in Europa, der mir große Sorgen macht. Wir sehen doch am Beispiel der Massenmörder von der NSU bis hin zu Anders Breivik wie aktuell dieses Thema ist und wie sehr Rechtsradikale immer noch gehätschelt und getätschelt werden bei uns.
Ihre Platte ist musikalisch sehr abwechslungsreich. Sind Sie experimentierfreudiger geworden als Musiker?
WADER: Sechs Jahre lang hatte ich keine CD mehr mit neuen Songs herausgebracht. Da probiere ich dann schon gerne mal etwas Neues aus, wenn ich an einem neuen Album arbeite. Aber auch dahinter steckt kein Konzept. Das Album ist eben so passiert.
Sie gehen jetzt auf Tournee. Am 2. Oktober spielen Sie in der Bielefelder Stadthalle. Ist das für Sie ein Auftritt wie in jeder anderen Stadt?
WADER: Nein, mein Lampenfieber ist hier vor einem Auftritt immer viel schlimmer, weil ich das Gefühl habe, gerade hier in meiner Heimatstadt muss ich mir besonders viel Mühe geben. Das liegt natürlich auch daran, dass viele Freunde von damals, Teile meiner Familie und viele andere, die ich kenne, zum Konzert kommen werden. Und denen möchte ich eben etwas ganz Besonderes bieten.
Haben Sie noch eine emotionale Beziehung zu Ihrer Heimatstadt?
WADER: In letzter Zeit habe ich immer öfter darüber nachgedacht, ob ich nicht wieder nach Bielefeld ziehen sollte. Ich habe sogar schon Immobilienangebote im Netz gesucht. Aber konkret gibts keine Pläne. Aber wer weiß. . .
Hannes Wader: "Nah dran", CD, Universal Music.