Bielefeld. Als charismatischer Hauptdarsteller in Mainstream-Filmen wie "Nicht Auflegen!", "Alexander" oder "Miami Vice" überzeugte Colin Farrell ebenso wie in Arthaus-Produktionen ("Cassandras Traum", "The New World"). Jetzt stand der 36-jährige für den Science-Fiction-Action-Film "Total Recall" vor der Kamera. Regisseur Len Wiseman ("Underworld") verfilmte die Geschichte "Erinnerungen en gros" von Philip K. Dick, die bereits den Schwarzenegger-Blockbuster "Total Recall – Die totale Erinnerung" aus 1990 inspiriert hat. André Wesche sprach mit Colin Farrell über seine Rolle.
Mr. Farrell, waren Sie in Ihrer Jugend Schwarzenegger-Fan?
COLIN FARRELL: Ich habe seine Filme geliebt. Als Heranwachsender habe ich mir alles angeschaut, was er gemacht hat: "Die totale Erinnerung", "Running Man", die "Terminator"-Reihe und "Red Heat", sogar "Twins" mit Danny DeVito. Als "Kindergarten Cop" herauskam, war ich allerdings schon aus der Zielgruppe herausgewachsen. Er war ein unheimlich charismatischer Darsteller, der aus dem üblichen Rahmen fiel. Einen Elf- oder Zwölfjährigen hat es zwangsläufig in Erstaunen versetzt, einen solchen Hünen zu sehen.
Was hat Sie an einer modernen Verfilmung von "Total Recall" gereizt?
FARRELL: Mein letzter Action-Film liegt schon sieben oder acht Jahre zurück. Ich habe mehrere Filme hintereinander gedreht, die sich mit sehr schweren Themen auseinandersetzten. Ich habe diese Arbeit genossen, aber es war wirklich harter Stoff. Deshalb suchte ich zur Abwechslung nach etwas Leichtem. Also habe ich "Fright Night" und die Komödie "Kill The Boss" gemacht. Dann flatterte "Total Recall" auf meinen Tisch und zum ersten Mal seit langer Zeit entdeckte ich in einem Drehbuch dieses Genres eine Figur, die mich interessiert hat und die wirklich Raum zum Spielen bot. Dieser Charakter erlebt eine emotionale und psychologische Ausnahmesituation, die zu spielen mich fünf Monate lang herausgefordert hat. Es war mir auch wichtig, dass sich der Ton der neuen Version deutlich vom Original unterscheidet, das ich sehr mochte. Es sollte keine Kopie werden.
Konnten Sie die zentrale Fragestellung der Geschichte nach der eigenen Identität nachvollziehen?
FARRELL: Das können wir doch alle. Es hat nichts mit Hollywood oder mit der Schauspielerei zu tun. Als menschliches Wesen möchte man herausfinden, wer man wirklich ist. Inwiefern wurde die eigene Persönlichkeit von Dingen geprägt, an die zu glauben einem eingetrichtert wurde? Welchen Einfluss hatten Familie, Schule oder Herkunft?
Ihre Filmfigur sagt: "Jeder scheint mich zu kennen, außer ich selbst." Kennen Sie diese Situation?
FARRELL: Machen Sie Scherze? Niemand kennt mich so gut wie ich selbst. Insofern trifft auf mich das genaue Gegenteil zu. Ich habe vielleicht ein Gesicht, das man manchmal wiedererkennt. Aber das sind Oberflächlichkeiten.
Der Film zeichnet ein sehr düsteres Bild von unserer Zukunft.
FARRELL: Natürlich ist die Vision von "Total Recall" eine sehr trostlose, und ich hoffe nicht, dass die Zukunft so aussehen wird. Ein Hauptanliegen des Science-Fiction-Genres ist es, ein Bild von unserer Gegenwart zu entwerfen. Es nimmt den Druck weg, wenn man behauptet, dass sich diese Ereignisse erst in der Zukunft abspielen. Tatsächlich ist der Stein längst ins Rollen gebracht. Philip K. Dick hat vorhergesehen, dass die Technologie zu einem zentralen Bestandteil der Gesellschaft und der Regierung werden und uns alle in Beschlag nehmen würde. Die Menschen waren und sind nicht so frei, wie man es ihnen gern einredet. Der wahre Frieden liegt in uns selbst. Aber womöglich haben wir keinen Zugriff auf ihn, weil wir ständig nur darüber nachdenken, was wir sein oder wie wir aussehen sollen, all diese Dinge.
Werden wir bereits so stark manipuliert wie die Menschen im Film?
FARRELL: Man kann jemanden einkerkern, um ihm die Freiheit zu nehmen. Aber es gibt auch diffizilere Methoden, um jemandes Verständnis von Freiheit zu verfälschen. Man kann Gedanken und Ideen unterschwellig verbreiten, durch Propaganda und Werbung. Schauen Sie sich "Metropolis" von Fritz Lang an, all die namenlosen Arbeiter in den grauen Straßen der Stadt. Es ist kein aktuelles Phänomen, skeptisch in die Zukunft zu blicken. Wenn man sich anschaut, wie wir uns manchmal gegenseitig behandeln, kann man schon auf den Gedanken kommen, dass es schlimmer und schlimmer wird. Aber das ist nicht der Fall. Es steckt viel Gutes im Menschen und alles balanciert sich irgendwann aus.
Wie war es, Ihre Kollegin Kate Beckinsale zu küssen, die Ehefrau des Regisseurs?
FARRELL: Ich habe das geliebt, es war der beste Moment meiner Karriere. Nein. Ich kann nicht behaupten, dass ich mich dabei rundum wohl gefühlt habe. Len Wiseman hat auch nie auf eine Wiederholung dieser Szenen bestanden. Er sagte: "Wir haben es im Kasten, lasst uns weitermachen."
Im Film ermöglicht die Firma "Rekall" eine kleine Flucht aus dem Alltag durch künstlich eingepflanzte Erinnerungen. Ist die Schauspielerei Ihr Ausweg aus dem Einerlei?
FARRELL: Möglicherweise. Was mich antreibt, ist das Erzählen von Geschichten, es ist mir sehr wichtig. In Irland haben wir sogenannte Shanakees, die von Stadt zu Stadt ziehen und im Pub oder anderswo ihre Geschichten erzählen. Die Schauspielerei ermöglicht es mir, dauerhaft mit meiner inneren Stimme und meiner Vorstellungskraft in Verbindung zu bleiben. In vielen Lebensläufen bleiben diese Dinge viel zu früh auf der Strecke. Schauspielerei hat etwas Kindliches an sich. Viele Jobs sind unglaublich hart, vielen Menschen macht ihre Arbeit überhaupt keine Freude. Träume und Wunschvorstellungen können dann zu einem Überlebensmechanismus werden.
Welche Erinnerungen würden Sie sich einpflanzen lassen, wenn das möglich wäre?
FARRELL: Es müsste etwas sein, was ich in der Realität niemals wagen würde. Vielleicht würde ich als Base Jumper den Sprung von einem Berg wählen, nur mit einem dieser Flügelanzüge, mit 300 Sachen immer haarscharf an den Felsen entlang.
INFORMATION
Colin Farrell
- Colin Farrell wurde am 31. Mai 1976 im Städtchen Castleknock bei Dublin geboren.
- Nach dem Besuch der Schauspielschule machte der Sohn eines Fußballspielers zunächst mit Theater- und Serienauftritten auf sich aufmerksam.
- Mit seinem Umzug nach Los Angeles legte Farrell den Grundstein zu einer bemerkenswerten Hollywood-Karriere und überzeugte in Filmen wie "Nicht Auflegen!", "Alexander", "Miami Vice", "Cassandras Traum" und "The New World".
- Der Film "Total Recall" kommt an diesem Donnerstag in die Kinos.