Zwei Gestrandete in "Bis nach Batang!"

Uraufführung im Bielefelder Theater am Alten Markt

Hubert (Harald Gieche, vorn) lebt im Chaos , Alex (Nils Zapfe) leistet ihm gezwungenermaßen Gesellschaft. | © FOTO: M. STUTTE

30.11.2009 | 20.01.2020, 09:34

Bielefeld. Ein Mann sitzt an einem Tisch und poliert mit aller Hingabe sein Buddelschiff. Alles scheint normal, wäre da nicht das Chaos um ihn herum. Was er noch nicht weiß: Sein Leben soll sich gründlich verändern, denn an der Tür läutet der 20-jährige Alex bereits Sturm. Als Teil seiner Bewährungsstrafe soll der junge Mann bei Hubert Sozialstunden ableisten.

Der Autor und Komponist Christian Gundlach schrieb nach einer Idee von Edith Jeske sein erstes Schauspiel über den an Demenz erkrankten Hubert Kranz, dessen Leben in Mülltüten und Dreck zu versinken droht. Dabei schwingt durchaus auch das Bild einer Gesellschaft mit, die Sozialarbeit oft schlecht bezahlt und gleichzeitig als eine Strafe verhängt.

Hubert vergisst, dass er immer dieselbe Flasche mit dem Viermaster im Bauch putzt. In völliger Isolation führt er Selbstgespräche mit einem Stoff-Papagei, wartet auf seine Frau, lobt den Erfolg seiner Tochter und wie sehr sie sich um ihn kümmert. Von einer Reise nach Batang träumt er, von Strand, schönen Frauen und Kängurus.

Feinsinniges Spiel

Regisseur Peter Kirschke schuf eine bewegte, völlig unsentimentale Szenerie über einen Demenzkranken, der trotz Familie allein da steht und emotional sprunghaft, oft aggressiv reagiert. Alex ist ebenso impulsiv. Schließlich hat er keine Lust auf Sozialarbeit, und das zeigt er dem Alten in aller Deutlichkeit, frech und unverblümt.

Harald Gieche begibt sich in die Rolle des kranken, aber keineswegs wehrlosen Hubert. Feinsinnig spielt er die Nuancen der fortschreitenden Veränderung zwischen Euphorie, Wahn und Apathie.

Den jungen Alex interpretiert Nils Zapfe als unsicheren Draufgänger, der sich unglaublich cool gibt. Als einer aus dem Publikum betritt er die Bühne, torpediert dort Huberts Leben zunächst mit viel Aktionismus. Ohne nachzufragen prescht er los, denn er will nur das Soll erfüllen, ohne sich einzulassen.

Randfiguren der Gesellschaft

Erst allmählich erwacht aus einem eigenen Bedürfnis nach Verständnis und Anerkennung ein echtes Interesse an dem Alten. Zapfe verkörpert eine junge, ungestüme Jugend, die zwar frech und respektlos, aber ehrlich ist.

Alex findet Gefallen an den Weltreise-Geschichten Huberts, wobei der Wahrheitsgehalt keine Rolle spielt. Träumen, das kam in Alex‘ Leben bislang nicht vor. Hubert und Alex erleben sich als Mängelwesen, als Randfiguren einer scheinbar perfekt funktionierenden Gesellschaft. Gemeinsam jedoch können sie ihre Position stärken.

Alex hilft Hubert im Alltag, holt ihn aus dem Irrglauben, in einer heilen Familie zu leben. In lichten Momenten gibt Hubert wiederum Nachhilfe in Liebe und Träumen.

Zwei Gestrandete starten den Versuch zu überleben, ganz wie in Huberts Träumen: "Ein Schiff geht immer." Vielleicht nach Batang, wo immer Huberts Batang auch liegen mag. Hauptsache, man sucht den nächsten Hafen auf, geht einen ersten Schritt.

  • Aufführungen: 3.,4.,9.,11.,16. und 17. Dezember, 20 Uhr. Karten unter (0521) 51 54 54.