
Gütersloh. Von wegen angestaubt. Der Brockhaus ist immer hochaktuell – auch wenn die neueste Ausgabe bereits seit 2006 auf dem Markt ist. Der Friedensnobelpreis für Barack Obama – ist drin. Die Jamaica-Koalition im Saarland – längst erklärt. Die Teilnehmerliste für die Fußballweltmeisterschaft 2010 – schon aktualisiert. "Zunächst für unser Online-Angebot", erklärt Christoph Hünermann, Geschäftsführer der Arvato-Tochter Wissenmedia.
Seit Mitte des Jahres gehört Brockhaus zur Bertelsmann-Tochter. "Online wird wichtiger", sagt Hünermann. "Aber das gedruckte Lexikon wird es immer geben."
Zum Beispiel bei der Buchmesse, die heute in Frankfurt beginnt. Zum ersten Mal präsentiert Hünermann dort den Brockhaus als eine Marke der Bertelsmann-Gruppe. Am 1. Juni hat das Kartellamt grünes Licht gegeben für die Übernahme. Bis dahin war die Bertelsmann-Tochter Wissenmedia zur Untätigkeit verdammt. "Wir mussten stillhalten", sagt Hünermann. Wissenmedia sei es keineswegs darum gegangen, den Mitbewerber aus dem Markt zu drängen. "Natürlich wollen wir Brockhaus erhalten", versichert er. Alles andere wäre auch Unsinn. "Brockhaus ist eine strahlende Marke. Eine mit einem 93-prozentigen Bekanntheitsgrad."
Aber eine, die dem Vorbesitzer, dem Bibliographischen Institut & F.A. Brockhaus AG in Mannheim, zuletzt wenig Freude gemacht hatte. 6,5 Millionen Euro Verlust hatte der Verlag im Vorjahr angehäuft. Das, versichert Hünermann, wird den Güterslohern nicht passieren. "Die alten Eigentümer haben vor allem wie klassische Verleger gedacht", erklärt er. Sie häuften Wissen an und packten es zwischen zwei Buchdeckel. Wissenmedia wählt eine andere Perspektive. Wissenmedia habe von Anfang an im Blick, welche Zielgruppen man bedienen wolle – entsprechend wird das Wissen aufbereitet. Das Brockhaus-Angebot soll deshalb stark ausgeweitet werden – und rund um den Globus angeboten werden. "Internationalisierung" ist das Schlagwort. Eben dies werde man auch mit den Produkten aus dem Brockhaus-Verlag tun. Mit dem Brockhaus "Wetter und Klima" ebenso wie mit dem Kinder-Brockhaus "Kriegen Pinguine kalte Füße?".
Ganz sicher werde das funktionieren, sagt Hünermann. Und berichtet von den "sehr positiven Erfahrungen", die die Gütersloher mit Brockhaus gerade bei der Buchmesse in Peking gemacht hätten. Fernziel ist, aus dem Brockhaus eine internationale Marke zu machen.
Angst, dass sich die Bertelsmann-Lexika und die Brockhaus-Angebote gegenseitig kannibalisieren, hat Hünermann nicht. Die beiden Sparten wendeten sich an ganz unterschiedliche Kundengruppen. Brockhaus sei "stärker akademisch"; die Bertelsmann-Lexikothek eher "populär-wissenschaftlich". "Wir haben Zielgruppen hinzugewonnen. Die werden wir nutzen", kündigt der Wissenmedia-Chef an.
Allerdings werden beide Zielgruppen von ein und derselben Mannschaft bedient. Denn das 70 Personen starke Redaktionsteam des alten Brockhaus hat Bertelsmann nicht mit übernommen. Nicht zuletzt dieser Kostenapparat sei es gewesen, der dem alten Brockhaus-Verlag beinahe das Genick gebrochen hätte. Bei Wissenmedia arbeiten acht Experten am aktuellen Wissen. Rundherum aber gibt es ein Netzwerk von 500 und mehr Experten. Alle Produkte – vom Kinder-Brockhaus bis zur umfassenden Enzyklopädie – speisen sich aus diesem Wissen.
Und auch die Online-Angebote, die beide Sparten von Wissen-Media bedienen. Top-aktuell seien diese Angebote – und vor allem verlässlich. Das unterscheide sie vom Internet-Brei. Ohne das Angebot im Internet gehe nichts mehr. Aber Brockhaus oder Wissenmedia nur noch im Internet? "Undenkbar", sagt Hünermann.