Sieh an!

Von "She Hulk" bis "Fleabag": Warum mehr Frauen in Serien wüten sollten

In der Kolumne "Sieh an!" blicken wechselnde Autoren auf die Streaming-Welt – und liefern Anregungen, was man am nächsten Abend ohne Plan einschalten sollte.

Mark Ruffalo als Bruce Banner, beziehungsweise Hulk und Tatiana Maslany als Jennifer "Jen" Walters/She-Hulk. | © 2022 MARVEL

Jemima Wittig
19.01.2024 | 19.01.2024, 17:13

Bitch, Zicke, Drache – für Frauen, die wütend reagieren, gibt es viele Begriffe. Auch heute noch ist weibliche Wut ungewöhnlich, verpönt. Eine Frau, die im Arbeitsumfeld wütend reagiert, ist unprofessionell, hysterisch, hat ihre Gefühle nicht im Griff. Im Zweifel heißt es, sie werde von ihren Emotionen gesteuert, habe PMS – sprich: Sie wird nicht ernst genommen.

Bei Männern ist das nicht so. Ein Mann reagiert wütend auf äußere Umstände, nicht wegen seiner Emotionen, so das Bild. Während Fürsorge und Freundlichkeit weiblich konnotiert sind, ist Wut gemeinhin männlich konnotiert. Um so erfrischender sind Serien, die mit diesen Stereotypen aufbrechen und das (Vor-)Bild geschlechtsloser Emotionen zeigen. Wo die Handlung sich nicht auf die Emotion an sich fokussiert, sondern auf deren Ursachen und so ein komplexer Charakter entsteht.

"Angst und Wut und sind für Frauen leider zwei völlig alltägliche Gefühlszustände", erklärt Jennifer ihrem Cousin Bruce – alias Hulk. "She Hulk" und "Jessica Jones" zeigen, dass Wut auch positiv genutzt werden kann. In beiden Serien bei Disney Plus aus dem Hause Marvel sind die Hauptpersonen Superheldinnen. Jessica Jones (gespielt von Krysten Ritter) schlägt in einem Kurs zur Wutbewältigung auch mal gegen Wände. In der gleichnamigen Serie geht es um die titelgebende Hauptrolle, eine ehemalige Superheldin, die sich als Privatdetektivin durchschlägt und von ihrer Vergangenheit eingeholt wird.

Jennifer Walters (gespielt von Tatiana Maslany), verwandelt sich in die grüne, übermenschlich starke She-Hulk. Sie hat allerdings ihre Gefühle besser im Griff als ihr Cousin. Zur Begründung dafür, warum sie sich so gut im Griff hat, sagt sie, während er sie zur Heldin ausbildet: "Ich bin schon gut darin, meine Wut zu kontrollieren. Ich mache das ständig. Wenn mir ein Typ auf der Straße nachpfeift, wenn mir inkompetente Männer mein eigenes Fachgebiet erklären. Ich mache das so ziemlich jeden Tag, denn wenn ich es nicht tue, heißt es, ich wäre emotional oder schwierig, oder ich muss sogar befürchten umgebracht zu werden." Jetzt als She-Hulk kann sie ihre Wut nicht nur zähmen, sie kann sie genau so herauslassen und nutzen.

Ein realistischeres Beispiel bietet "Fleabag" von und mit Phoebe Waller-Bridge. Sie zeigt unglaublich viel Facetten von Weiblichkeit in einer Person. Die Hauptrolle – ohne Namen – betreibt ein Café. Sie hat es mit ihrer besten Freundin gegründet, die aber vor Beginn der Handlung verstorben ist.

Die Serie glänzt mit schwarzem Humor und Authentizität. Die Hauptrolle ist eine Antiheldin, unsympathisch und obszön. Sie ist innerlich aufgewühlt, weiß nicht, was sie mit ihrem Leben anfangen soll und ist auch mal wütend und weiß nicht, wohin mit dieser Wut. Beide Staffeln der preisgekrönten Serie sind bei Amazon Prime.

Wie sehen Sie das? Sollte es mehr Serien geben, in denen Frauen und Männer Geschlechterklischees nicht entsprechen? Schreiben Sie mir an jemima.wittig@ihr-kommentar.de