
Ende des Jahres wird Warner Bros vier Filme aus dem DC-Superhelden-Universum herausgebracht haben: „Shazam: Fury of the Gods“, „The Flash“, „Blue Beetle“ und der neue Aquaman-Film. Doch jeder der Filme hat einen Haken: Wie James Gunn, Regisseur und Oberguru für alle kommenden DC-Filme, auf dem Nachrichtendienst X (früher Twitter) verkündete: Keiner dieser Filme gilt als „Kanon“. Die Ereignisse zählen also nicht für kommende DC-Filme. Stattdessen wird das Film-Universum im nächsten Jahr neu gestartet.
Die erste Serie, die „zählt“, wird die Cartoon-Serie „Creature Commandos" sein, gefolgt von Gunns eigenem Film „Superman Legacy“. Einige Schauspieler wie Blue Beetle-Darsteller Xolo Maridueña werden jedoch weiterhin die gleichen Rollen spielen, die sie bisher gespielt haben. Und nicht zu vergessen: Die kommenden neuen Batman- und Joker-Filme mit Robert Pattinson und Joaquin Phoenix werden voraussichtlich in ihrer eigenen Kontinuität spielen. Verwirrt? Das ist im Superhelden- und Streaming-Zeitalter das neue Normal.
Während man früher noch relativ einfach einen Star-Wars-Film gucken konnte, ohne einen der anderen gesehen zu haben, ist die neueste Star-Wars-Serie „Ashoka“ gleich die Fortsetzung dreier Serien: „The Clone Wars“, „Rebels“ und „The Mandalorian“. Der große Schurke der Serie, Großadmiral Thrawn, stammt dagegen aus einer beliebten Buchreihe, die jedoch nicht mehr Kanon ist. Im Gegensatz zu der neuen Buchreihe, die es über ihn gibt, die so lange als Kanon gilt, bis ihr ein Film oder eine Serie widerspricht. Eskapismus fühlt sich mittlerweile an wie Hausaufgaben.
Lernen Studios die richtigen Lektionen aus dem Kinojahr 2023?
Schuld daran ist der Superhelden-Boom ab 2008; speziell die Marvel-Filme. Sie haben aus ihrer Comic-Vorlage das Konzept einer jahrzehntelangen Kontinuität in Hollywood populär gemacht. Das hat sich in den letzten Jahren finanziell für die Studios mehr als gelohnt. Doch die Zeiten ändern sich. Von den eingangs erwähnten vier Filmen sind in diesem Jahr bereits drei gefloppt. („Aquaman II“ kommt erst Ende des Jahres ins Kino.) Stattdessen sind alleinstehende Filme wie „Oppenheimer“ und „Barbie“ dieses Jahr große Hits geworden.
In der Comicbranche hat der Kanon-Fetisch dazu geführt, dass Superman- und Batman-Hefte nicht mehr von jedem zweiten Zwölfjährigen gelesen werden, sondern nur noch von einem kleinen Nischenpublikum von (hauptsächlich) Männern in ihren 30ern und 40ern. Wer hat schon Lust zu recherchieren, wo man überhaupt anfangen müsste, eine Serie zu lesen, wenn man stattdessen wirklich alles andere machen könnte?
Hoffentlich ziehen Studios aus dem Erfolg von „Oppenheimer“ und „Barbie“ die richtigen Schlüsse. Es sollte nicht einfacher sein, ein dreistündiges Dialog-Drama über die inhärente Unmoral der Atombombe zu verstehen, als einen Film über zwei Leute in Kostümen, die sich prügeln. Wie man Hollywood kennt, ist es aber wahrscheinlicher, dass wir demnächst mit „Oppenheimer II“ und „Oppenheimer III: Requiem“ rechnen müssen, sowie mit „Oppenheimer Origins“, einer zehnteiligen Paramount+-Serie mit Tom Holland in der Hauptrolle. Bis auch all das nicht mehr als Kanon gilt.