Interview

Karin Rabhansl: "Ich hab da durchweg positive Erfahrungen"

Die niederbayerische Musikerin Karin Rabhansl singt seit Jahren in ihrer Heimatzunge. Warum eigentlich?

Mundart-Rock: Das ist das Spezialgebiet von Karin Rabhansl. | © Arne Marenda

25.02.2023 | 27.02.2023, 10:06

Bielefeld. Frau Rabhansl, Sie belegen mit Ihrem „Mundart-Rock“ eine recht interessante Sparte der Musik. Was genau bedeutet "Mundart-Rock"?

KARIN RABHANSL: Ganz einfach: Ich singe in meiner Muttersprache, nämlich auf Bayerisch. Ich bin ja im tiefsten Niederbayern aufgewachsen und da spricht man so. Dialekte sind bei uns allgegenwärtig und diese Form des Sprechens und Singens finde ich einfach schön.

Wie kam die Entscheidung zustande, in Mundart zu singen?

Mittlerweile ist es selten geworden, dass man einen so krassen Dialekt hört, wie eben beispielsweise Niederbayerisch. Das finde ich total schade, weil es kulturell enorm wichtig ist, diese unglaublich vielseitigen Dialekte, die es ja auf der ganzen Welt gibt, zu bewahren.

Warum?

Mundarten sind Teil der Kultur. Wenn jeder gleich sprechen würde, wäre das doch voll langweilig. Das wäre so, als würde man immer den selben Song schreiben oder immer die selbe Musik machen. Vielfalt ist wichtig. Je unterschiedlicher und mehrschichtiger Sprache ist, umso spannender ist es. Außerdem kann man immer gleich Kontakt zu Menschen knüpfen, indem man sie fragt, woher sie kommen und was für ein Dialekt das ist. Also ich mache das jedenfalls immer, weil es mich interessiert.

Schränkt Sie als Künstlerin die Festlegung auf die eine Mundart nicht regional ein?

Natürlich! Es gibt Leute, die schlagen, wenn sie meine Musik hören, die Hände über’m Kopf zusammen. Auf der anderen Seite ist bayerische Rockmusik nicht ganz so häufig vertreten wie eine auf Hochdeutsch oder Englisch singende Rockband. Es ist also auch ein Alleinstellungsmerkmal.

Geht dabei nicht die Botschaft Ihrer Lieder verloren?

Meinen Alben ist stets ein Booklet beigefügt, in dem man bei Bedarf alles nachlesen kann. Außerdem gibt es immer die Möglichkeit, mir eine E-Mail zu schreiben und nachzufragen, was ein Wort oder ein Satz bedeutet. Solche Fragen beantworte ich sehr gerne, indem ich Übersetzungshilfe gebe. Bei Konzerten außerhalb Bayerns, wo man mich überhaupt nicht verstehen würde, mach ich eine kurze Ansage, in der ich erkläre, worum es geht. Den Rest macht dann die Musik, denn Musik ist ja noch einmal eine ganz eigene Sprache.

Finden Ihre Auftritte überwiegend im süddeutschen Raum statt oder auch im nördlichen Deutschland?

Ich bin manchmal auch noch als Akustik-Duo mit meiner Bandkollegin Julia Fischer unterwegs. Erst im Herbst hatten wir eine Tour durch Norddeutschland gemacht. Bremerhaven, Kiel, Hamburg und Lübeck – das war total cool und hat sehr viel Spaß gemacht, die Leute waren begeistert. Also ich habe da durchweg positive Erfahrungen. Mir war gar nicht klar, dass bayerisch so beliebt ist (lacht).

"Mundart ist allgegenwärtig. Glücklicherweise!"

Vielleicht, weil Bayerisch dem Deutschen deutlich näher ist als beispielsweise Englisch?

Eigentlich nicht. Englisch und Bayerisch sind von der Aussprache her relativ ähnlich, beide Sprachen nutzen weiche Vokale und Konsonanten. Hochdeutsch klingt da im Vergleich viel härter und ist gradliniger.

Ist eigentlich die Wortvielfalt die gleiche oder ist das Mundart-Repertoire eingeschränkter?

Gerade die Mundarten sind, was die Wortvielfalt betrifft, deutlich vielseitiger. Da gibt es Begriffe, das glaubt man manchmal gar nicht. Beispiel: Das Wort "gallig". Wenn man auf einer Hochzeit eingeladen ist und es gibt diese völlig überladenen Sahnetorten mit Marzipan und Zuckerguss, was alles superschön ausschaut, und man nimmt sich ein Stück, beißt rein und beim Reinbeißen wird einem schlecht, dann nennt man das bei uns "gallig". Gallig ist also mehr ein Gefühl, das durch ein Wort ausgedrückt wird, für das es keine Übersetzung gibt.

Es gibt auch Untermundarten?

Ja, das ist wirklich interessant. In der Schule hat mal eine Freundin gesagt: "Es is super schee, weil jetzt der Schnee gleit." Ich habe gar nicht verstanden, was sie sagen wollte und musste es mir erklären lassen. Sie meinte: Es ist super schön, weil jetzt der Schnee schmilzt. Man staunt immer wieder und lernt nie aus.

Wie viele Mundarten gibt es eigentlich?

Unzählige, garantiert. Allein in Bayern sind es sicher mehrere Hundert. Aber so genau weiß man es nicht, mir ist auch nicht bekannt, ob die schon mal jemand gezählt hat.

Gibt es auch Fremdwörter, die eingemundartet worden sind ins Niederbayerische?

Laptop beispielsweise. Und natürlich Coffee to go – diese Anglizismen setzten sich immer mehr durch, auch wenn Niederbayern immer etwas später dran ist als der Rest der Republik. Deswegen finde ich es total wichtig, dass es einen Tag der Muttersprache gibt, damit die Sprache nicht verloren geht und wir alle nicht irgendwann total konform miteinander reden.

Wird in Niederbayern eigentlich auch gegendert?

Ja, immer mehr! Natürlich hängt das davon ab, wo man hinkommt, und wie überall in Deutschland sind die Leute entweder voll dagegen oder voll dafür. Eine Mitte gibt es da scheinbar nicht. Ich finde es schade, dass die Fronten so verhärtet sind. Mir fehlt der Mittelweg. Ich lebe mittlerweile in Nürnberg, wo ich bei den feministischen Kickboxern dabei bin. Die legen enorm viel Wert darauf, dass richtig gegendert wird: Daher gibt es bei denen auch keine "Hampelmänner", sondern Hampelmenschen, die sind da sehr genau. Andere wollen davon nichts wissen. Ich finde, jeder sollte da sein eigenes Ding machen und schauen, was taugt.

Ist Mundart eher ein Phänomen der dörflichen oder der ländlichen Regionen?

Weder noch. Nehmen wir das Beispiel Köln – das ist doch die Hochburg der Mundart. Ne, das lässt sich nicht festlegen, ob auf dem Land oder in der großen Stadt. Mundart ist allgegenwärtig. Glücklicherweise!

INFORMATION


Über den Künstler

Die deutsche Liedermacherin Karin Rabhansl ist am 23. Dezember 1986 in Hutthurm in Niederbayern geboren, lebt mittlerweile aber in Nürnberg. Sie ist Gitarristin und Sängerin und tritt solo sowie mit ihrer Band auf. Rabhansl singt in bayerischer Mundart und auf Hochdeutsch.

Über Rabhansls Geschichten schwebt stets die Erkenntnis, dass dieses Leben kein leichtes ist und noch nie war. Und dass die Welt kein per se guter oder schlechter, sondern oft einfach nur ein heikler Ort ist – seltsam und schön und zugleich doch immer voller Falltüren und Untiefen.

Im Frühjahr 2011 tourte Karin Rabhansl im Vorprogramm von Mathias Kellner durch Deutschland. Es folgten Konzerte und Festivalauftritte im deutschsprachigen Raum unter anderem mit LaBrassBanda, Stefan Dettl, Wolfgang Ambros, HMBC, Großstadtgeflüster, Ja, Panik, Heino und Agnostic Front. Aktuell hat die 36-Jährige ihr fünftes Album namens „Rodeo“ veröffentlicht (siehe CD-Tipp).

CD-TIpp - "Rodeo"

Musik aus dem bayerischen Wald – wer nun Vorurteile hegt, liegt richtig, denn es wird tatsächlich bayerisch gesungen. Klingt interessant und das ist es auch, wenngleich nicht jedes Lied auf Anhieb zu verstehen ist, denn niederbayerisch, das sprechen und verstehen wohl die wenigsten Westfalen auf Anhieb. Das macht die Musik von Karin Rebhansl, die mit „Rodeo“ ihr fünftes Album veröffentlicht, spannend. Unterstützt wird das Textliche durch einen treibenden, sehr gitarren- und somit rocklastigen Sound, der auf jeden Fall fesselnd ist. Hinzu kommen Bläserarrangements, Pianoklänge und einige Instrumente mehr. Fazit: Eine große musikalische Bandbreite wird hier abgefeiert, die – zumindest textlich – zwar etwas gewöhnungsbedürftig ist, doch großen Charme versprüht.