"Die Kultur ist nicht über den Berg"

Bielefeld. Am 17. September startet &bdquo;eines der kleinsten Theater Westfalens", wie Klaus H. Sindern das Amalthea-Theater in Paderborn mit seinen aktuell 50 Sitzplätzen und seiner zehn Quadratmeter großen Bühne so schön umschreibt, in die neue Saison. Es ist die 25. &bdquo;Aber ehrlich gesagt", bricht es beim sechsten Mittagsgespräch im Holzhaus an der Kunsthalle Bielefeld zum Thema &bdquo;Krise, Krieg – Kultur, was nun?" aus dem leidenschaftlichen Theatermacher heraus, &bdquo;als wir 2020 zum ersten Mal in den Lockdown gingen und insgesamt dann über ein Jahr unser Haus nicht bespielen konnten, da habe ich nicht mehr daran geglaubt, dass wir dieses Jubiläum doch noch erleben werden." &bdquo;Wir geben der Nischenkultur einen Raum" Werden er und seine 13 Mitstreiterinnen und Mitstreiter nun doch, auch dank ihrer Zähigkeit, ihres immer wieder obsiegenden Optimismus und der großen Leidenschaft für ihr 1997 mitten im Paderborner Zentrum in einem Farbenlager gegründeten Theater. Dessen ungewöhnlicher Namen sich herleitet aus &bdquo;Anstalt für malerisches Leben und theatralische Sendung" und aus der griechischen Mythologie, laut der aus dem abgebrochenen Horn der Ziege des Zeus (&bdquo;Amaltheia"), die ihn einst säugte, alle Fülle der Welt quoll. Anspruchsvolles, die Vielfalt der Welt abbildendendes Theater mit Ein- bis Zwei-Personen-Stücken, Lesungen, Rezitationen, auch Kabarett und Konzerte zu bieten, ist bis heute ihr Anliegen. &bdquo;Und wir bekennen uns dazu, der Nischenkultur einen Raum zu geben", sagt Sindern, der das &bdquo;Neustart Kultur"-Programm der Bundesregierung sehr lobt, das im Laufe der Pandemie aufgelegt wurde, um der Kulturszene wieder neuen Schwung zu verleihen. &bdquo;Das hat es uns ermöglicht, drei Hochleistungsluftfilter anzuschaffen, sodass unser enges, rein ehrenamtlich betriebenes Theater nun sogar von der Raumluft her besser dasteht als vor der Pandemie", betont der 78-Jährige, der in Hövelhof daheim ist. &bdquo;Die Kulturszene ist noch weit von der Normalität entfernt" Überlebt hätten sie aber auch, weil in der sehr schweren Zeit alle an Bord geblieben seien und weil die Stadt Paderborn weiterhin die Miete für ihr Theater gezahlt habe, &bdquo;obwohl der Betrieb ja so lange ruhte". Doch obwohl das Amalthea-Theater in der vergangenen Saison wieder an den Start ging – 18 Veranstaltungen stemmen die 13 Enthusiasten im Jahr – bleibt Skepsis bei ihnen. &bdquo;Wir erleben wie andere Theater auch, dass das Publikum doch nur zögerlich zurückkommt, obwohl wir unser Platzangebot von 68 auf 50 reduziert und mehr Abstand geschaffen haben, um ein Gefühl der Sicherheit zu geben", betont Sindern, der mit Sorge auf den Herbst blickt, &bdquo;für den ja einige erneut ansteigende Corona-Infektionszahlen befürchten". Er habe insgesamt den Eindruck, &bdquo;dass die Kultur noch lange nicht über den Berg und noch sehr weit von der alten Normalität entfernt ist". Die Menschen seien eben sehr vorsichtig, obwohl auch er spüre, dass sie eigentlich Lust auf Kultur hätten. Dennoch gebe er die Hoffnung für die Kultur nicht auf, sagt der ehemalige Berufsschullehrer für Deutsch und Wirtschaft, der im Verlauf seiner Schullaufbahn in die Referendar-Ausbildung wechselte. Aber Hoffnung müsse immer auch konkret unterfüttert sein, sagt er, &bdquo;sonst ist sie ja nicht tragfähig genug". &bdquo;Wir brauchen die Kultur gerade jetzt" Aus diesem Grund mahnt er in Richtung der Kommunen: &bdquo;Gerade jetzt in der Krise, die durch den Ukraine-Krieg ja noch verschärft wird, dürfen die Verantwortlichen in den Räten und Verwaltungen an der Kultur, die immer noch wackelt, den Rotstift erst recht nicht ansetzen." Denn gerade in solch einer krisengeschüttelten Zeit werde sie doch mehr denn je gebraucht. Noch eine Beobachtung hat Sindern mitgebracht ins Holzhaus: &bdquo;Ich habe den Eindruck, dass vor allem Events und leichte Unterhaltung stärker beachtet werden", weil immer öfter &bdquo;allein nach den Besucherzahlen geschielt" werde. &bdquo;Aber das kann doch nicht das alleinige Kriterium für Kulturförderung sein." Die Kultur sei vielfältig und vielschichtig, da gelte es, &bdquo;auch die vermeintliche Nischenkultur zu unterstützen, damit sie ihr Publikum finden kann". Das sei doch gerade auch eine Aufgabe kommunaler Kulturförderung, &bdquo;aber auch von uns Kulturmachern, das Neue, Kleine, Unbekannte ins Rampenlicht zu holen". &bdquo;Uns droht sonst eine Verkümmerung" Wie er auch der Meinung ist, dass die Medien, insbesondere Zeitungen, das ebenfalls bei der Auswahl dessen, worüber sie berichten, beherzigen sollten. &bdquo;Sonst droht uns eine Verkümmerung der Kulturszene", befürchtet Sindern, der hofft, dass der das Amalthea tragende Verein Nachwuchs findet, der es in die Zukunft führt – trotz Krise und Krieg. Im siebten Mittagsgespräch im Holzhaus am nächsten Mittwoch sind Frank Bell und Holger Schettler vom neuen Murnau-&-Massolle-Forum in Bielefeld zu Gast.

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