Gesundheit

Depression: Wie können Apps und Online-Trainings helfen?

Überblick über Anbieter und Einschätzung von Experten

Circa 5,3 Millionen Menschen in Deutschland erkranken jedes Jahr an einer Depression. Können Apps und Online-Trainings Betroffenen helfen? | © picture alliance / empics

Angela Wiese
25.01.2018 | 25.01.2018, 18:02

Bielefeld. In Deutschland gibt es im Januar mehr Krankmeldungen mit der Diagnose Depression als in jedem anderen Monat des Jahres. Das zeigt eine Analyse der DAK-Gesundheit der Jahre 2013 bis 2016. Laut der Stiftung Deutsche Depressions Hilfe erkranken jährlich circa 5,3 Millionen Menschen an einer behandlungsbedürftigen Depression. Wohl auch wegen solcher Zahlen gibt es mehr und mehr Anbieter, die mit Online-Trainings und Apps Hilfe anbieten wollen. Was können solche Programme eigentlich? Ein Überblick.

Hilfe allein durch eine App?

Mal eben eine Depression heilen mit einem Online-Training oder einer App - so einfach ist es schon mal nicht. "Eine App ersetzt nicht die Beziehung, die in einem therapeutischen Gespräch entsteht. Die ist sehr wichtig", sagt Dr. Carl Schreiner, Oberarzt in der Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie am LWL-Klinikum in Gütersloh.

"Es wäre fatal zu behaupten, dass man eine Depression mit einer Software selbst behandeln könnte", meint auch Prof. Ulrich Hegerl, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Depressionshilfe. Das würde der Schwere der Erkrankung nicht gerecht werden. Laut Hegerl belegen Studien die Wirksamkeit von Online-Programmen vor allem dann, wenn sie zum Beispiel vom Hausarzt begleitet werden.

Richtig angewendet allerdings können Onlineprogramme und Apps sehr wohl nützlich sein, sagt Hegerl. Depressionen werden heutzutage häufiger erkannt als früher. Mehr Diagnosen bedeuten, dass mehr Menschen Hilfe suchen. Ein Teil von ihnen benötigt Hilfe von Therapeuten oder Psychiatern. "Deren Zahl wurde jedoch nicht an die veränderten Patientenströme angepasst", sagt Hegerl. Dadurch komme es zu Versorgungsengpässen mit langen Wartezeiten auf einen Termin. Digitale Angebote können hier eine wichtige Ergänzung sein, zum Beispiel bei der Übebrückung der Wartezeit oder als erster Zugang zum Thema.

Ein Überblick über einige Apps und Programme:

Arya

Wie es funktioniert: Nutzer tragen in die App ein, was sie selbst an sich beobachtet haben: Verhaltensmuster und Emotionen. Außerdem sind rund 200 angenehme Aktivitäten angegeben, die Nutzer im Alltag verplanen und in der App auswählen und abhaken können. Arya hält auch eine SOS-Toolbox vor und fragt nach den persönlichen Zielen des Nutzers.

Wer dahinter steckt: Arya gibt es seit März 2017, eine Vorgängerversion für iOS gab es bereits seit November 2015. Arya will den User dabei unterstützen, den Alltag mit der Depression besser und angenehmer bewältigen zu können, erklärt Gründerin Kristina Wilms. "Ein Teil des Alltags von Menschen mit Depressionen besteht häufig darin, Verhaltensmuster zu beobachten", so Wilms. Das sei vor allem während oder kurz nach einer Therapie der Fall. Dementsprechend aufgebaut ist die App. Wilms bekam vor einigen Jahren selbst die Diagnose Depression.

Pro Mind

Wie es funktioniert: Nach dem Login füllen Teilnehmer von Pro Mind den Eingangsfragebogen aus, in dem es unter anderem darum geht, wie gut oder schlecht der Betroffene schläft, wie er sich fühlt und wie er seine Aufgaben im Alltag bewältigen kann. Nach 24 Stunden bekommt der Teilnehmer dann Antwort von einem Mitarbeiter des Get.On-Instituts mit einer Tainingsempfehlung. Dazu zählen drei Bausteine: Training ohne Coach, Training mit Coach auf Anfrage und mit begleitendem Coach.

Wer dahinter steckt: Die Krankenkasse Barmer bietet ihren Mitgliedern seit Juli 2015 Pro Mind an. Das Programm wurde vom Get.On-Insitut zusammen mit Forschern entwickelt. Die e-Health-Plattform richte sich nicht nur an Menschen, die an Depressionen erkrankt sind, sondern soll auch präventiv wirken, erklärt Sara Rebein, Pressesprecherin der Barmer Landesvertretung Nordrhein-Westfalen. Laut Barmer könne Pro Mind aber auch eine aktuelle Behandlung ergänzen, die Wartezeit bis zum Beginn einer Therapie überbrücken, oder nach einer Behandlung helfen. Das Angebot ersetze keinen Arzt, sei aber erst mal ein niederschwelliges Angebot, sagt Rebein. Denn für Menschen, die an Depressionen erkrankt sind, sei die Hemmschwelle auch heute noch hoch, professionelle Hilfe anzunehmen.

iFight Depression

Wie es funktioniert: Das Selbstmanagement-Programm iFight Depression richtet sich an Menschen mit einer leichteren Depression. Das Programm setzt die Begleitung eines Arztes oder eines Psychotherapeuten voraus, dürfte also vor allem Betroffenen helfen, die auf eine Behandlung warten oder bereits in einer sind. In Online-Workshops lernen Teilnehmer etwas über Depressionen und bekommen Hinweise für den Alltag. Workshops gibt es unter anderem über negative Gedanken, Beziehungen und soziale Angst.

Wer dahinter steckt: iFight Depression gibt es in zehn europäischen Ländern. Die Stiftung Deutsche Depressionshilfe bietet das Programm in Kooperation mit der Deutsche Bahn Stiftung hierzulande an und entwickelt es weiter. Menschen, die das Tool nutzen wollen, müssen sich an einen Arzt oder Therapeuten wenden. Laut der Deutschen Depressionshilfe richtet es sich an Erwachsene und Jugendliche ab 15 Jahren, die durch das Tool beim eigenständigen Umgang mit den Symptomen ihrer Depression unterstützt werden sollen.

Steady

Diese App steckt noch in der Entwicklung. Wissenschaftler und IT-Spezialisten aus Leipzig und Dortmund arbeiten daran. Mit Steady sollen Patienten ihren Krankheitsverlauf selbst dokumentieren können. Auf Grundlage der gesammelten Daten soll das vom Bundesforschungsministerium mit rund 1,7 Millionen Euro geförderte Steady-System die Betroffenen vor einer depressiven Phase warnen können.

Erfasst werden unter anderem Herzfrequenz, Hautleitfähigkeit, Bewegung, Stimme und Schlafverhalten der Patienten. Ein Patient, der zum Beispiel herausfindet, dass eine lange Bettzeit, erhöhte Herzfrequenz und wenig Sport mit einem Depressionsrisiko einhergehen, könnte dann mit seinem Verhalten darauf reagieren. An Steady arbeiten die Forscher noch bis 2019.

INFORMATION


Symptome

Depressionen sind in den vergangenen Jahren zu einem großen Thema geworden. Die Zahl der diagnostizierten Fälle mag auch deshalb angestiegen sein, weil über die Krankheit offener gesprochen und der Gang zum Arzt leichter fällt. Doch wann spricht man tatsächlich von einer Depression? Dr. Carl Schreiner, Oberarzt an der LWL-Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, spricht von drei Ausprägungen der Krankheit: leichte depressive Episode, mittelgradige depressive Episode und schwere depressive Episode. Bei einer schwere Ausprägung gelingt Betroffenen die Bewältigung des Alltags und der Arbeit kaum noch. In leichten Fällen geht der Alltag weniger leicht von der Hand.

Zu den Hauptsymptomen zählen:

  • Der Verlust des Interesses und der Freude an Aktivitäten, denen Betroffene bislang gern nachgegangen sind.
  • Die Gefühlswelt verändert sich. Betroffene können sich nicht mehr richtig freuen, selbst wenn sie es wollen.
  • Die körperliche Leistungsfähigkeit nimmt ab, Betroffene ermüden schneller.
  • Die Konzentration fällt über eine längere Zeit schwerer.
  • Erkrankte geraten häufig ins Grübeln.
  • Der Schlaf ist gestört und der Appetit lässt nach.