Wie Peter Müller (67) den Weg aus der Depression gefunden hat

Löhne. Der Kampf bleibt. Immer. Auch wenn es Peter Müller jetzt gut geht, könnte er wieder in ein tiefes Loch fallen. So beschreibt der 67-Jährige sein Leben mit der Depression. Zweimal war er wegen der Krankheit im Medizinischen Zentrum für Seelische Gesundheit in Lübbecke. Für ihn war der stationäre Aufenthalt wichtig: "Ich bin aus meinem Teufelskreis rausgekommen, habe Hilfe und eine feste Tagesstruktur bekommen", sagt Müller, der ganz offen über seine Krankheit spricht und damit anderen Mut machen will. Depressionen sind immer noch ein Tabuthema. "Kaum einer will darüber reden", sagt Müller. Dementsprechend hat der Löhner auch viel Unverständnis erlebt. "Ich wurde fallen gelassen, als ich nicht mehr funktionierte." Die erste große Krise erlebte er im Berufsleben. Als Arbeitsschutzingenieur betreute Müller das Wasserwerk in Haltern. "Ich bin fast täglich über 300 Kilometer gefahren, irgendwann ging es nicht mehr." Er bekam Angstzustände, Panikattacken, konnte nicht mehr über die Autobahn fahren. "Das war eine grausame Zeit", sagt seine Frau Gerda Müller. Gegen seine Angst hat er die kleine "Glückspille" Tavor genommen. "Wenn er die Tablette nahm, war er auf Wolke 7", erinnert sich Gerda Müller. "Dann fühlte er sich gut." Mit der Beruhigungstablette bestand er im Job. "Doch Zuhause war er dann platt wie eine Flunder und schlecht drauf." Tavor nahm Müller viel zu lange. Heute weiß er, dass ihn die Pille abhängig gemacht hat. Das war vor vier Jahren. 2013 kam der Zusammenbruch. Mit einem Krankenwagen ging es zum Entzug. "Ich bin durch die Hölle gegangen, aber es hat sich gelohnt", sagt Müller heute. Die Zeit bis zur Rente verlief gut. "Dann fingen die Depressionen und Ängste wieder an." Peter Müller war abwesend, schlecht gelaunt, patzig, beschreibt seine Frau. Als er äußerte, dass er sich das Leben nehmen wollte, reagierte sie sofort. "Ich rief in der Klinik an, die sagten, wir sollen sofort kommen." Sechs Wochen blieb Peter Müller, machte eine Therapie und bekam ein passendes Antidepressivum. "Antidepressiva machen nicht abhängig", sagt der Chefarzt Jörg Manzick von der Berolina Klinik. Antidepressiva wirken stimmungsaufhellend und angstlösend, sie können beruhigen, aber auch den Antrieb steigern. Alle vier Wochen geht er zur Therapie Die Depression des Patienten muss genau analysiert werden, um das passende Medikament zu verabreichen. Bei suizidalen Patienten werde ein antriebssteigerndes Antidepressivum nicht verschrieben, so Manzick. Das könnte die Selbstmordgedanke zur Ausführung bringen. Depression ist eben nicht gleich Depression. Fachärzte teilen das Krankheitsbild in leicht depressive Episoden bis hin zur schweren Depression auf. Auch können besondere Ereignisse wie der Tod eines geliebten Menschen oder ein Jobverlust auslösend sein. Auch die Symptome sind weitreichend. Menschen, die unter der Krankheit leiden, fehlt es oft an Elan, ermüden leichter, leiden unter Schlafstörungen und sind eher gereizt. Auch ist laut Jörg Manzick ein sozialer Rückzug oft einhergehend mit einer Depression, ebenso eine niedergedrückte Stimmungslage. "Dinge, die man vorher gerne gemacht hat, machen nicht mehr Freude, Gedanken kreisen um immer gleiche Themen." Eine Depression ist nicht plötzlich da. "Es ist eine fließende Steigerung der Symptome", so Manzick. Oft vertrauen sich Erkrankte dem Hausarzt zuerst an. Ein richtiger Weg, laut dem Chefarzt. Sinnvoll ist dann eine anschließende fachärztliche Behandlung ebenso wie einen Psychotherapeuten zu kontaktieren. Denn genauso wichtig wie die richtige Einstellung mit einem Antidepressivum sind Gesprächstherapien. Um nicht nur die Krankheit und ihre Folgen zu kennen, sondern auch die Hintergründe dessen anzugehen. So macht es auch Peter Müller. Nach seinem stationären Aufenthalt blieb er in Behandlung. Alle vier Wochen geht er zur Therapie. Zusätzlich hat er seinen Alltag als Rentner strukturiert. Er ist ehrenamtlich im Altenheim tätig, will sich als Busbegleiter für behinderte Kinder engagieren und walkt viermal die Woche "Das tut gut, aber man muss sich auch helfen lassen wollen." Eine enorme Stütze war dabei Ehefrau Gerda. "Sie ist mein Fels in der Brandung." Die Krankheit Depression ist individuell Depressionen können in jedem Lebensalter auftreten. Von einer schweren Depression (früher auch endogene Depression) sind laut Chefarzt Jörg Manzick von der Berolina Klinik Löhne mehr Frauen als Männer betroffen. Es gibt Symptome, die auf eine Depression hindeuten, aber &bdquo;jeder Mensch hat seine eigene Geschichte, sein Umfeld und eigenes Krankheitsbild", so Manzick. Nach heutigen Erkenntnissen wird eine Depression meist polypragmatisch behandelt. Sprich es gibt ein Zusammenspiel zwischen Medikamenten (Antidepressiva) und Psychotherapien. Angehörige können Depressiven nur bedingt helfen. Zuhören, das Thema ansprechen, ohne zu drängen, aber auch zur Seite stehen, ist wichtig. Gleichzeitig rät Jörg Manzick, einen Experten mit ins Boot zu holen. &bdquo;Sonst kann man schnell in das depressive System mit Gefühlen von Hilf-und Aussichtslosigkeit geraten." In der Berolina Klink werden Patienten bis hin zu einer mittelschweren Depression behandelt. Auch kann hier eine Reha nach einem stationären Klinikaufenthalt gemacht werden. Das Behandlungskonzept ist multimodal, erklärt Jörg Manzick. Es gibt ein Zusammenspiel aus psychotherapeutischen Behandlungen, Körper- und Gestaltungstherapie, Sport, Massagen und Entspanungsverfahren wie Qi Gong und Yoga.

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