Gesundheit

Interview: Microsoft-Gründer Bill Gates kämpft gegen die Ausbreitung von Krankheiten

Auf der Geber-Konferenz des Fonds zur Bekämpfung von Aids, Malaria und Tuberkulose sammelt er für die Ärmsten der Armen

„Wir haben 20 Millionen Menschen gerettet": Bill Gates und seine Stiftung haben sich dem Kampf gegen die Ausbreitung von Krankheiten verschrieben. | © dpa

Dirk Hautkapp
16.09.2016 | 16.09.2016, 15:56

Bielefeld. Die Bundesregierung will ihre Zahlungen in den Globalen Fonds gegen Aids, Tuberkulose und Malaria deutlich aufstocken. Er werde dem Bundestag vorschlagen, "eine Erhöhung von jetzt 630 Millionen Eurp auf 800 Millionen Euro zuzustimmen", so Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU). Der Fonds wurde von Software-Milliardär Bill Gates gegründet. Er gilt als einer der reichsten Männer der Welt - und sammelt für die Ärmsten der Armen. Im Interview lobt er das deutsche Engagement.

Herr Gates, wie viel muss bei der Geber-Konferenz in Montreal zusammenkommen, damit Sie von einem Erfolg sprechen können? Und wie viel wollen Sie selbst spenden?
Bill Gates:
Ich bin zuversichtlich, dass es ein Erfolg wird. Wir werden für die Jahre 2017 bis 2019 mehr Geld eintreiben als beim letzten Mal. Da waren es 11,7 Milliarden Dollar. Ein Drittel der beteiligten Länder hat angekündigt, seine Beiträge zu erhöhen; und das bei angespannten Haushalten. Nur wenige wollen ihr Engagement herunterfahren, die meisten wollen mindestens den Status Quo halten. Wenn wir am Ende zwischen 12 und 13 Milliarden Dollar liegen, wäre das ein schöner Fortschritt. Als größter Privatgeber werden wir ebenfalls nennenswert aufstocken. Die Summe werde ich in Montreal bekanntgeben.

Was erwarten Sie von Deutschland, das bisher 2,15 Milliarden Euro in den Fonds eingezahlt hat? Berlin hat 800 Millionen Euro in Aussicht gestellt.
Gates:
Wir hoffen natürlich, dass Deutschland signifikant erhöht. Zuletzt kamen für 2014 bis 2016 rund 665 Millionen Euro aus Berlin. Die Bundeskanzlerin hatte 2015 schon eine sehr erfolgreiche Konferenz für den Impfstoffe-Fonds geleitet. Die Ankündigung von Entwicklungsminister Gerd Müller hat uns einen wichtigen Schritt vorangebracht. Es ist fantastisch, dass Deutschland einen so bedeutenden Beitrag leisten will, um den Gesundheitszustand der Menschen weltweit zu verbessern.

Was ist bisher Ihr Finanzbeitrag für den Fonds gewesen?
Gates:
Unsere Stiftung hat den „Global Fund" seit 2002 mit rund 1,6 Milliarden Dollar unterstützt.

Information

Milliardenschwere Stiftung

Die Bill & Melinda Gates Foundation, die der Microsoft-Mitgründer vor 16 Jahren mit seiner Ehefrau ins Leben rief, verfügt über ein Kapital von rund 44 Milliarden US-Dollar.

Die finanzstärkste Privatstiftung der Welt mit Sitz in Seattle verfolgt drei Kernprojekte: weltweite Gesundheitsinitiativen, allgemeine Entwicklungshilfe und ein Programm, das amerikanischen Bildungseinrichtungen zugutekommt.

Ihr Motto lautet: „Unser Ziel ist, dass alle Menschen die Chance auf ein gesundes und produktives Leben haben – unabhängig davon, wo sie leben."

Die Stiftung unterstützt Menschen in mehr als 100 Ländern. Sie investierte 35 Milliarden Dollar in Programme. Mehr als 1.200 Angestellte arbeiten weltweit für die Stiftung.

Die globale Flüchtlingskrise, verstärkt durch eine Welle des islamistischen Terrorismus, stellt humanitäre Netzwerke wie Ihre Stiftung vor große Probleme. Wie gehen Sie damit um?
Gates:
Sie haben recht. Unsere Arbeit wird in vielerlei Hinsicht schwieriger. Allein die Flüchtlinge zu unterstützen, die in ihren Regionen bleiben, in Lagern oder Nachbarländern, erzeugt einen großen Bedarf nach materieller Hilfe. Dann haben sie die Flüchtlinge, die es bis nach Europa schaffen und dort Kosten erzeugen. Generell müssen wir uns fragen, was sind die richtigen Investitionen, die Geldgeber machen können, damit Menschen in Problemzonen gar nicht erst auf die Idee kommen, Flüchtlinge zu werden und nach einem besseren Leben in Europa oder Amerika zu streben. Viele fliehen aus einer politischen Instabilität, anderer wollen schlechten wirtschaftlichen Rahmenbedingungen den Rücken kehren. Mittel- und langfristig muss es immer darum gehen, den Menschen Entwicklungschancen zu geben.

Was genau meinen Sie denn damit?
Gates:
Ausreichende Ernährung, Gesundheitsschutz, Bildung und ökonomische Entfaltungsmöglichkeiten sind am Ende entscheidend. Der „Global Fund" ist in diesem Zusammenhang eine tolle Erfolgsstory. Es gibt viele Helden. Länder haben klug zusammengearbeitet. Aber es bleibt eine Herausforderung, unsere Aufgabe weiter prominent im öffentlichen Diskurs zu halten. Die terroristischen Aktivitäten dürfen uns nicht ablenken. Die Steuerzahler und Wähler müssen immer wieder davon erfahren, wie segensreich der „Global Fund" ist. Der Schlüssel zu seinem Erfolg ist ihre Großzügigkeit.

Sie erwähnten die schwierige Situation der Flüchtlinge. Kanzlerin Angela Merkel wird wegen ihrer liberalen Flüchtlingspolitik auch in den USA heftig kritisiert. Was sagen Sie dazu?
Gates:
Die Antwort der Bundeskanzlerin auf die Flüchtlings-Krise war eine humane und barmherzige Antwort im Sinne der Menschen, die durch einen blutigen Konflikt aus ihrer Heimat vertrieben wurden. Wir müssen den am meisten benachteiligten Menschen dabei helfen, ein gesünderes und sichereres Leben in ihren Ländern führen zu können. Das ist der Grund, warum Länder wie Deutschland ihr Engagement für die Ärmsten der Welt verstärken. Der großzügige Beitrag zum „Global Fund", den Entwicklungsminister Müller angekündigt hat, ist der Beleg dafür. Die Deutschen dürfen stolz darauf sein, welchen außerordentlichen Einfluss ihre internationale Entwicklungshilfe auf die ärmsten Länder der Welt hat und wie nachhaltig sie zu besserer Gesundheit und mehr Stabilität beitragen.

Sind Sie mit der Arbeit des „Global Fund" zufrieden?
Gates:
Er ist im Laufe der Zeit immer erfolgreicher geführt worden. Wir haben bis heute 20 Millionen Menschenleben gerettet und mehrere Millionen Neu-Infektionen verhindert. In den Ländern, in denen wir aktiv sind, ist die Sterblichkeit bei Aids, Tuberkulose und Malaria um ein Drittel gesunken. Wenn Montreal klappt, und ich gehe davon aus, werden wir weitere acht Millionen Menschen vor dem Tod bewahren können. Man darf nicht vergessen: Eine erfolgreiche Geber-Konferenz wird die Entwicklung neuer Instrumente beflügeln, um die drei großen Killer-Krankheiten zu besiegen. Damit meine ich Impfstoffe gegen HIV und Tuberkulose. Und ein Medikament, das Malaria mit einer Dosis heilt.

37 Millionen Menschen weltweit haben den HIV-Virus. Pro Jahr kommen zwei Millionen neue Infektionen dazu. Sie wollen – analog zu den Zielen der Vereinten Nationen – Aids bis 2030 besiegen. Wie soll das funktionieren?

Gates: 2030 ist das Ziel, das wir anstreben. Nicht nur für Aids, auch für Malaria und Tuberkulose. Ob bis dahin alle Krankheiten komplett verschwunden sein werden, kann man noch nicht sagen. Aber wir sind auf dem Weg. Die Infektionsraten sind halbiert worden. Die größten Fortschritte gibt es bei Malaria. Mit neuen mit Insektiziden behandelte Moskito-Netze und wirksamen Sprays haben wir viel erreicht. Parallel hilft uns die Forschung, um neue Mittel zu kreieren.

Was zeichnet sich da ab?
Gates:
Es sind 30 verschiedene Malaria-Impfstoffe in der Entwicklung. Die amerikanische Regierung, die EU, unsere Stiftung und andere Geldgeber unterstützen das. Auch der Versuch, Moskitos gentechnisch zu verändern, um sie im Kampf gegen Seuchen einzusetzen, geht weiter. Wenn wir die passenden Instrumente haben, wird der „Global Fund" sicherstellen, dass sie schnell dahin gelangen, wo sie dringend gebraucht werden. Etwa in Afrika.

Wann wird es einen Impfstoff geben, mit dem sich Menschen vor HIV schützen können?
Gates:
Daran wird mit Hochdruck gearbeitet. Es gibt vier Herangehensweisen, die gerade getestet werden. Wir müssen uns beeilen. 60 Prozent der Neu-Infizierten sind junge Mädchen und Frauen zwischen 11 und 19 Jahren. Es hat sich herausgestellt, dass hier Therapien, bei denen täglich eine Pille genommen werden muss, schwierig durchzuhalten sind. Wir brauchen neben besseren Präventionsprogrammen Medikamente, die langfristig wirken und vielleicht nur einmal im Moment genommen werden müssen.

Vor sechs Jahren haben Sie gemeinsam mit dem US-Investor Warren Buffett extrem wohlhabende Menschen dazu aufgefordert, die Hälfte ihres Reichtums für das Gemeinwohl zu spenden. Wie viele Milliardäre sind dem Aufruf gefolgt und wie viel Geld bringen sie auf?
Gates:
Wir sind froh, dass 156 Philanthropen weltweit unserem „Giving Pledge"-Aufruf gefolgt sind. Wir halten nicht nach, wie viel Geld sie geben. Aber sie haben sich allesamt verpflichtet, zu Lebzeiten oder in ihren Testamenten mehr als die Hälfte ihres Vermögens wohltätigen Zwecken zu spenden. Das ist phänomenal.