
Washington. Diese Empfehlung zielt direkt auf das Gehirn als Zentrale weiblicher Lust. Das wichtigste Beratergremium der amerikanischen Arzneimittelbehörde FDA hat mit 18:6-Stimmen den Weg freigemacht für das erste Medikament, dass Frauen vor und nach der Menopause helfen soll, die den Spaß am Sex verloren haben.
Flibanserin, wegen seiner Farbe in den USA auch „Pink Viagra“ genannt, könnte nach Einschätzung von Ärzten knapp fünf Millionen Frauen verschrieben werden, die an „Hypoactive Sexual Desire Disorder“ leiden. Dabei handelt es sich um eine sexuelle Funktionsstörung, die in Amerika als unbehandelte Krankheit gilt, wenn daraus starke psychische Probleme entstehen.
Das Medikament, über das in den USA seit acht Jahren gestritten wird, darf in Europa nicht verkauft werden. Das Etikett Viagra für Frauen führt dabei etwas in die Irre. Während knapp zwei Dutzend marktgängige Präparate für den Mann meist auf die Blutzirkulation in den Genitalien zielen, das echte Viagra schon seit 1998, dockt Flibanserin allein im Gehirn an. Dort vermutet das Gros der Forscher das Zentrum für weibliche Lust. Oder Unlust.
Dopamin wird freigesetzt
Die 100 Milligramm-Pille Flibanserin setzt Dopamin und Noradrenalin frei (gut für die Lust) und dämpft Serontonin (schlecht für die Lust). Nach Tests an mehr als 11.000 Frauen stieg die Zahl der „erfüllenden sexuellen Erfahrungen“ pro Monat statistisch von 2,7 auf 4,4, hieß es in einer turbulenten Anhörung in der FDA-Zentrale.Kritiker rufen dagegen in Erinnerung, dass das Medikament, ursprünglich von der deutschen Firma Boehringer-Ingelheim als Anti-Depressivum entwickelt, von der FDA bereits 2010 und 2013 abgelehnt wurde.
An der Kern-Begründung hat sich aus Sicht von Adriane J. Fugh-Berman von der Washingtoner Georgetown-Universität nicht viel geändert. Fugh-Berman verwies auf Schwindel, Müdigkeit, niedrigen Blutdruck und Übelkeit und schlussfolgerte: „Flibanserin ist ein mittelmäßiges Aphrodisiakum mit beängstigenden Nebenwirkungen.“
Bis zur Zulassung können Monate vergehen
Dagegen argumentiert ein breites Bündnis aus Frauengruppen unter dem Motto: „Even the Score – „Schafft Gleichstand“ eher grundsätzlich. Dutzende Pillen für Männer zu entwickeln und damit einen Milliarden-Markt zu etablieren, hingegen Frauen ein potenziell hilfreiches Präparat zur Steigerung der Libido zu verweigern, sei nahezu „sexistisch“.Sally Greenberg vom nationalen Verbraucher-Verbandes, betonte, dass Sex-Unlust in vielen Beziehungen „zerstörend wirke“. Sie fügte hinzu: „Wir können das behandeln, und wir sollten das behandeln.“
Bis zu einer Zulassung der biochemischen Lusthilfe können noch Monate vergehen. Bis dahin werden Kritiker vor allem auf die Risiken hinweisen, die sich ergeben haben sollen, wenn „Pink Viagra“ mit „Pink Martini“ zusammen eingenommen wird. Es gab Fälle, wo Patientinnen nach Einnahme plus Alkohol in Ohnmacht fielen. Statt Sex bekamen sie am Morgen danach einen Kater.
Haben viele Frauen mit mangelnder Lust auf Sex zu kämpfen?
Das Problem ist relativ weit verbreitet. „Man muss davon ausgehen, dass 30 bis 40 Prozent der Frauen davon betroffen sind“, sagt Christian Albring, Präsident des Berufsverbandes der Frauenärzte. Häufiger treffe es Frauen in langen Beziehungen. „Es gibt eine ganze Reihe von Gründen, warum Frauen keine Lust mehr auf Sex haben.“ Dazu gehörten Stress, Überlastung, Gewohnheit und körperliche Leiden.
Für welche Frauen ist Flibanserin geeignet?
Albring geht davon aus, dass das Medikament nur für einen kleinen Teil der betroffenen Frauen infrage kommt. Er schätzt, dass es weniger als zehn Prozent der Patientinnen sind. Den allermeisten könne mit Gesprächen und Ratschlägen geholfen werden. Erst wenn alle äußeren Einflüsse ausgeschlossen sind, sollte man zum Medikament greifen.
Wann könnte es Flibanserin in Deutschland geben?
Das ist schwer zu sagen. Bei der deutschen Zulassungsbehörde, dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM), sei noch kein Antrag eingegangen, sagte eine Sprecherin. Auch bei der Europäischen Arzneimittel-Agentur EMA liegt nach Angaben einer Sprecherin kein Antrag vor. Noch ist das Medikament auch in den USA nicht zugelassen.