Reportage

Nach dem Angriff auf ein Rettungsschiff will "Sea Watch" gewappnet sein

Ein Schiff von "Ärzte ohne Grenzen" wurde geentert, woraufhin sich viele Helferteams zurückzogen / "Sea-Watch" will aber zurückkehren

26.08.2016 | 26.08.2016, 17:14
Vier Rettungsschiffe im Hafen von Malta - (v.l.) die "Sea-Eye", die Minden von "Life Boat", die "Sea-Watch 2", die "Phoenix 1" von Moas. - © Bastian Schlange
Vier Rettungsschiffe im Hafen von Malta - (v.l.) die "Sea-Eye", die Minden von "Life Boat", die "Sea-Watch 2", die "Phoenix 1" von Moas. | © Bastian Schlange

Eine Woche lang begleitet der Reporter Bastian Schlange auf Malta die Arbeit der Rettungsorganisation Sea-Wach. Am vergangenen Mittwoch enterten Bewaffnete ein Schiff von "Ärzte ohne Grenzen". Daraufhin zogen sich viele Helferteams von der libyschen Küste zurück. Sea-Watch will jetzt so schnell wie möglich dorthin zurückkehren.

„Eigentlich kann es nicht sein, dass wir uns solchen Gefahren aussetzen", sagt Ruben Neugebauer von der Rettungsorganisation "Sea-Watch". „Die EU muss Verantwortung übernehmen." Vertreter der Organisationen "Jugend rettet", "Sea Eye", "Life Boat" und der holländischen Boat "Refugee Foundation" trafen sich im Sea-Watch-Basiscamp auf Malta – nachdem in der vergangenen Woche Unbekannte die "Bourbon Argos" von "Ärzte ohne Grenzen" geentert und durchsucht hatten.

Axel Grafmanns (vorne) und Tillmann Teltemann planen an Deck der "Sea-Watch 2" das weitere Vorgehen. | © Bastian Schlange
Axel Grafmanns (vorne) und Tillmann Teltemann planen an Deck der "Sea-Watch 2" das weitere Vorgehen. | © Bastian Schlange

Information
Bastian Schlange ist Redakteur des Recherchezentrums "Correctiv". Die Redaktion finanziert sich ausschließlich über Spenden und Mitgliedsbeiträge. Informationen unter www.correctiv.org

Die Diskussionen sind unaufgeregt, denn in den meisten Punkten sind sich die Retter einig: Die Sicherheit der Crews steht an erster Stelle. Die Mission auf dem Mittelmeer kann nur gemeinsam bewältigt werden. Die Organisationen werden die Rettungseinsätze nicht wegen dieses einen Vorfalls einstellen. Und: Den Angriff dem IS zuzuschreiben, ist pure Spekulation.

So schnell wie möglich wieder im Einsatz sein

Jetzt sitzt Neugebauer am Küchentisch in einem Haus am Yachthafen von Valletta, in dem die Seenotretter wohnen. Ihm gegenüber Sandra Hammamy, Leiterin des Basis-Camps. Zwischen ihnen Äpfel, Pflaumen und Reiswaffeln.

Tillmann Teltemann von "Sea-Watch" über die aktuelle Lage an Bord und die Umbaumaßnahmen zum Schutz vor Enterversuchen.

Wann fährt die "Sea-Watch 2" wieder raus? Das Schiff war nach dem Angriff aus dem Krisengebiet in den Hafen nach Malta zurückgekehrt. "Das Ziel ist, so schnell wie möglich wieder im Einsatz zu sein", sagt Hammamy. „Aber das ohne Eile." Wichtig sei es jetzt, mit Bedacht vorzugehen. Jeder Schritt wird noch sorgfältiger als bislang geplant. Drei Stunden später an Bord der "Sea-Watch 2". Die Funken eines Schweißbrenners tanzen über das Deck, es riecht nach frischer Farbe. Die Umbauarbeiten haben begonnen. Vor allem gilt es, einen Sicherheitsraum einzurichten, in den sich die Crew im Falle eines Angriffs flüchten kann. Um sich so lange darin zu verschanzen, bis Hilfe eintrifft.

„Wenn wir die Stahlarbeiten abgeschlossen haben, wie machen wir es mit den Trainings für die Crews?", will Tillmann Teltemann wissen, der stellvertretende technische Leiter. Drei Jahre ist er auf Containerschiffen zur See gefahren, 2013 durchquerte er die Piratengebiete vor Somalia. Er hat die Sicherheitsprotokolle von damals für die "Sea-Watch 2" übernommen und plant nun, welche Türen wann und wie verschlossen sein müssen. Wie die Crew im Ernstfall miteinander kommuniziert. Was macht sie, wenn ein unbekanntes Schiff auftaucht? Was, wenn sie beschossen wird?

Freiwillige Retter sind Risiken ausgesetzt

Die "Sea-Watch 2" liegt im Hafen von Malta. - © Bastian Schlange
Die "Sea-Watch 2" liegt im Hafen von Malta. | © Bastian Schlange

„Wir müssen sicherstellen, dass die Regeln für alle gelten und im Einsatz befolgt werden. Vom Helfer bis zum Käpt'n", sagt Welf Seyer, Logistikbeauftragter von "Sea-Watch". Der schlaksige junge Mann steht an die Brücke gelehnt und schaut hinüber zu Einsatzleiter Ingo Werth. Der nickt. „Anders geht es nicht. Wobei wir auch aufpassen müssen, was für eine Stimmung wir an Bord erzeugen. Es darf nicht passieren, dass hier irgendwann 15 verängstigte Menschen stehen, die Angst haben, mit dem Schnellboot rauszufahren."

Wobei die Bedrohung auf See nur das Eine ist. Jeder Retter, der freiwillig in ein Krisengebiet geht, weiß, dass er sich Risiken aussetzt. Darauf kann man sich vorbereiten. Auf die Diskussionen in der Heimat dagegen nicht. Wie werden die Unterstützer reagieren? Wie die deutsche Öffentlichkeit?

Tillmann Teltemann bei Schweißarbeiten auf der "Sea-Watch 2". - © Bastian Schlange
Tillmann Teltemann bei Schweißarbeiten auf der "Sea-Watch 2". | © Bastian Schlange

„Wir brauchen Experten, um die Situation einschätzen zu können", sagt Einsatzleiter Werth. „Vielleicht war der Vorfall auch nur eine Eintagsfliege." Logistikbeauftragter Welf Seyer schüttelt den Kopf. „Das ist egal", sagt er bestimmt. „Wir wissen nicht, ob es nochmal passieren wird. Genau deswegen müssen wir vorbereitet sein."