PORTA WESTFALICA

Burg mit Drachen

Auf der Wittekindsburg in Porta Westfalica treffen Sage und Archäologie zusammen

Von der Südseite des Wittekindsberges aus starten die Drachenflieger. | © FOTO: STEFAN LYRATH

12.10.2010 | 12.10.2010, 17:02

Porta Westfalica. Zu jeder Burg, die etwas auf sich hält, gehört ein Drache. Die Wittekindsburg in Porta Westfalica hat gleich ein ganzes Drachen-Rudel. Todesmutig stürzen sich Recken auf den Flugungeheuern 200 Meter in die Tiefe.

Gut, es sind keine echten Feuerspucker, sondern moderne Drachenflieger vom Delta-Club Wiehengebirge, aber wir wollen nicht kleinlich sein. Bei Flugwetter stockt dem Publikum jedenfalls der Atem, wenn die wagemutigen Sportler nach einem kurzen Sprint über die Startrampe den Boden unter ihren Füßen verlieren. Die Wittekindsburg nebenan, benannt nach Sachsenführer Widukind, muss sich dahinter nicht verstecken. Sie punktet - nicht nur - mit Geschichte.

Gelehrtenfaktor: super

Der Sage nach fand Widukind hoch auf dem Hügel zum Christentum. Beim Nachdenken über den rechten Glauben wünschte er sich ein Zeichen, worauf sein Pferd mit dem Huf scharrte. Und siehe da: Aus dem Boden sprudelte Wasser, später bekannt als Wittekindsquelle, die erst 1938 versiegen sollte - als Folge des Erzbergbaus. Andere Quellen berichten, es sei das Pferd Karls des Großen gewesen, das gescharrt habe, nachdem Widukind und der Kaiser sich getroffen hätten. Wieder andere sehen den Ort dieser sagenhaften Geschichte allerdings in Bergkirchen (Bad Oeynhausen).

Jedenfalls muss Widukind beeindruckt gewesen sein. Keine Sage ist, dass er sich 785 taufen ließ und einen Friedensvertrag mit Karl erreichte. "Auf dem Wittekindsberg treffen Archäologie und Wesersagen zusammen. Beide liefern wunderschöne Geschichten", schwärmt Hans Rösler, Ortsheimatpfleger in Barkhausen. "Dabei ist erst ein Bruchteil des Lagers durchsucht." Mit Lager meint Rösler die Wittekindsburg, eine 650 Meter lange und 110 Meter breite Wallanlage auf dem Kamm des Wiehengebirges, vermutlich aus dem 2. Jahrhundert vor Christus. Nicht verwechseln: Was viele wegen des Turms für die Burg halten, ist in Wirklichkeit ein denkmalgeschütztes Berghotel, erbaut 1894 - und seit Jahren zu verkaufen.

Landläufig werden Hotel und Burg gleichgesetzt, selbst von Einheimischen. Von der eigentlichen Fliehburg aber sind nur bewachsene Erd- und Steinwälle geblieben. Als Kleinod gilt die Wittekinds- oder Margarethenkapelle, urkundlich erstmals 1224 erwähnt. Aus dem 10. Jahrhundert stammt eine Kreuzkirche, deren Überreste 1996 gefunden wurden und die inzwischen unter einem gläsernen Schutzbau liegen. Nur vier vergleichbare Gotteshäuser gibt es in ganz Europa. Bauherr könnte der Mindener Bischof Milo (969-996) gewesen sein. Milo war es auch, der eine Einsiedelei der Benediktinerin Thetwif großzügig zum Nonnenkloster umfunktionierte, bevor er es aus Gründen der Sicherheit vom Kamm des Wiehengebirges in die Stadt Minden verlegte. Thetwif wurde Äbtissin des ersten Frauenklosters in Westfalen.

Gespensterfaktor: solide

Der Weg führt durch den Wald, manchmal findet sich keine Menschenseele weit und breit. Und die Kreuzkirche hat es in sich. Fünf Gräber sind in ihren Mauern gefunden worden, darin eine Frauenleiche und vier tote Kinder, keines älter als sieben Jahre. Die Frau könnte Thetwif sein. Könnte. Genaueres wissen die Experten nicht.

Hofnarrenfaktor: so lala

Außerhalb der Saison ist meist wenig los rund um die Burg, die Beschilderung ist mangelhaft, das Restaurant nicht immer geöffnet, die Drachenflieger bleiben zu Hause. Aber was nicht ist, kann ja noch werden: Der neue Verein "Kulturburg Porta" will ein "westfälisches Kulturzentrum" entstehen lassen. Bislang ist der Vorstand noch auf der Suche nach Investoren, Bankdarlehen und Fördergeld.

Würde die Vision Wirklichkeit, wäre Musik ein großes Thema, außerdem Feste, Ausstellungen, Seminare, Gastronomie. Wandern allerdings lohnt sich immer. Und das Umland lockt mit diversen Zielen, darunter das Kaiser-Wilhelm-Denkmal, Minden oder die Freizeitanlage "Großer Weserbogen".

Burgfräuleinfaktor: so lala

Der Ausblick nach Süden ist traumhaft. An manchen Tagen scheint oben die Sonne, während im Tal Wesernebel die Landschaft verhüllt. Mangels echter Burg mit Zinnen kommt ein Burgfräulein so recht nicht zur Geltung.