Ein Salzkottener rüstet Deutschlands Polizisten auf

Kreis Paderborn. Er hat den Taser selbst ausprobiert und weiß seitdem genau, wie es sich anfühlt, wenn Muskeln nicht mehr steuerbar sind. Christian Scherf (50) ist der Deutschland-Chef der Firma Axon, die die Elektroschockpistole in den USA herstellt. Aktuell läuft die Einführung des Tasers bei der Polizei im Kreis Paderborn. Es ist auch Scherfs Heimat, er wohnt mit seiner Familie in Salzkotten. Beamtinnen und Beamte im Streifendienst zwischen Bad Wünnenberg und Hövelhof werden bald ausgerüstet mit der neuen Waffe, die Pistolen überflüssig machen soll. Es laufen Schulungen, wie die Kreispolizeibehörde auf Anfrage der NW bestätigt. Ab wann die Taser hier eingesetzt werden, wird noch nicht verraten. Polizeibehörden wie Dortmund, Düsseldorf, Duisburg, Essen und Köln sind schon mit dem Gerät ausgerüstet, das der Salzkottener Scherf in Deutschland, Österreich und der Schweiz verkauft. Ihm ist es wichtig, den Unterschied zur Pistole zu betonen: &bdquo;Es ist ein deutlich milderes Mittel im Vergleich zur Schusswaffe“, sagt Scherf über Einsatzzweck und Wirkung. Wird das Gerät, das auffällig neongelb gestaltet ist, ausgelöst, schießen zwei dünne Pfeile in Richtung des Gegenübers und ziehen feine Drähte hinter sich her. Treffen sie auf Kleidung oder Haut, ist der Stromkreis geschlossen und der Beschossene wird fünf Sekunden lang durch Stromimpulse matt gesetzt. &bdquo;So wird die Kommunikation zwischen Gehirn und Muskeln unterbrochen“, sagt Scherf, der einst an der FHDW in Paderborn europäische Unternehmensführung studiert hat. &bdquo;Einmal ausprobieren ist Neugierde, zweimal wäre verrückt“ Nach Jobs in der IT-Branche habe ihn am Axon-Angebot 2016 gereizt, wie das US-Unternehmen einen Weg suche, Schusswaffen in vielen Fällen zu ersetzen. Als er den Taser selbst 2017 in der Unternehmenszentrale in Scottsdale ausprobiert hat, sei ihm ziemlich mulmig gewesen, gesteht Scherf. &bdquo;Einmal ausprobieren ist Neugierde, zweimal wäre verrückt“, sagt er über den freiwilligen Selbstversuch. Angeboten wird das Experiment auch Polizisten, die am Gerät geschult werden. Sie können laut Scherf im Alltag von der Abschreckungswirkung profitieren: &bdquo;In 80 Prozent der Fälle reicht die Androhung eines Tasers“, beruft er sich auf Statistiken aus Pilotversuchen. Typische Einsatzfelder seien Auseinandersetzungen mit körperlich überlegenen Menschen, die eine Bedrohung darstellten. Als Vorteil, so ist aus Polizeikreisen zu vernehmen, sehen Beamte, dass ein Taser bei einem Treffer zuverlässig wirke, während Pfefferspray oder Einsatzstock bei schmerzunempfindlichem Gegenüber mitunter nur geringe Wirkung entfalten. Auch Scherf sagt: &bdquo;Menschen unter Einfluss von Alkohol oder Drogen sowie in psychischen Ausnahmesituationen spüren Schmerzen manchmal gar nicht. Unser Gerät wirkt unabhängig von Schmerzwahrnehmung.“ Einzige Einschränkung: Die Beamten müssen auch treffen. Die Drähte erreichen ein Ziel in bis zu 7,60 Meter Entfernung. Jeder Taser – Einzelpreis etwa 2.000 Euro – kann im Einsatz zweimal ausgelöst werden. In Deutschland hat Scherf seit seinem Berufsstart in der Frankfurter Axon-Zentrale schon so manche Politiker und Landesverwaltungen überzeugt. Rheinland-Pfalz und das Saarland seien ausgestattet, zudem gebe es Taser in Hessen und in weiteren Bundesländern in einzelnen Einheiten. In NRW besaß die Polizei zur Jahresmitte laut Innenministerium knapp 1.400 Geräte. Im Startjahr 2021 wurden sie in 179 Fällen eingesetzt. Das sagen Kritiker Weltweit vertreibt Axon sein Markenprodukt in 104 Ländern, weiß Scherf. Angelsächsische Nationen wie die USA, Großbritannien und Australien seien die größten Abnehmer. Vom Salzkottener Homeoffice aus und bei seinen Gesprächen mit Behörden und Politikern will er das Produkt weiter anpreisen. Der Hobby-Fußballer des SV Hederborn-Upsprunge ist sich bewusst, dass es viele Entwicklungen bräuchte, bis Schusswaffen wirklich überflüssig wären. Schon jetzt gibt es in Deutschland nicht nur Befürworter des Systems. Die NRW-Grünen, mittlerweile Regierungspartei, sehen den Einsatz kritisch. Sie glauben, dass der Gebrauch von Tasern nur in wenigen Einsätzen sinnvoll ist. Die Beschaffung sei teuer, die Ausbildung der Polizisten aufwendig und mögliche Gefahren für Angreifer seien nicht restlos geklärt. Auch deshalb ist im Koalitionsvertrag mit der CDU verankert, bis 2024 erstmal weiter zu testen und danach endgültig zu bewerten. Christian Scherf setzt solange weiter darauf, dass der Taser vor allem eins kann: &bdquo;Leben retten“.

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