
Salzkotten. Ein warmer Sommerabend im Juli 2017. Vitali Lang, 46 Jahre alt, ist mit dem Motorrad unterwegs. Es ist kurz nach zehn am Abend, die Dämmerung geht langsam in Dunkelheit über. Vom Delbrücker Ortsteil Boke kommend fährt der Familienvater auf der L 815 Richtung Mantinghausen. Auf dem Rücksitz Natalia Lang, seine Frau.
Zu Hause kommen die beiden an diesem Abend nicht mehr an. Ein 31-jähriger Autofahrer übersieht am Abzweig nach Sudhagen das Zweirad und nimmt ihm die Vorfahrt. Es kommt zu einem tödlichen Zusammenstoß. Vitali Lang stirbt noch am Unfallort, seine Frau kommt schwer verletzt ins Krankenhaus.
Zwölf Menschen starben 2018 bei Unfällen
Augenblicksversagen, sagt Uli Krawinkel von der Paderborner Polizei. Unerklärlich. Wie bei 99 Prozent aller Unfälle hätte es auch zu diesem nicht kommen müssen. „Jeder Unfall kann vermieden werden", so Krawinkel. Die allerwenigsten Unfälle hätten eine technische Ursache. Allein im vergangenen Jahr sind bei elf Unfällen im Kreis Paderborn zwölf Menschen gestorben.
An diesen Unfalltod erinnert seit Mittwoch ein übermannshohes weißes Kreuz. Als es von Mitarbeitern des Kreisbauhofs festgeklopft wird, sind Landrat Manfred Müller und die Angehörigen des Unfallopfer dabei. Die unübersehbaren Holzkreuze werden seit 2006 an den Orten tödlicher Unfälle aufgestellt. Trotzdem sei es kein alltäglicher Termin, sagt Landrat Müller. Er habe vor Jahrzehnten ein geliebtes Familienmitglied verloren und wissen, wie schwer es fällt, an den Ort der Tragödie zu kommen.
Die Tochter kämpft mit den Tränen
Tochter Regina Glarmin hat eine kleine Rede vorbereitet. Sie kämpft mit den Tränen, als sie die ebenso knappen wie eindringlichen Zeilen verliest. „Mein Vater war ein sehr guter Motorradfahrer", sagt sie. Doch selbst bestes Handeln habe ihn nicht schützen können.
„Unbegreiflich", was geschehen sei. Das Kreuz bedeute ihr sehr viel als Zeichen der Mahnung und als Warnung. Es rufe dazu auf, besser aufeinander zu achten. Das große Kreuz ergänzt ein kleineres, es steht auf der anderen Straßenseite und wird von der Familie gepflegt. Natalia Lang stellt dort immer wieder Blumen und Kerzen auf.
Kreuz als Mahnmal
Landrat Müller will das Kreuz als Mahnmal verstanden wissen. Man wolle damit daran erinnern, dass das eigene Verhalten im Straßenverkehrt immer gefährlich sein kann. Jeder habe deshalb die Pflicht, auf Sicherheit bedacht zu sein. „Defensives Fahren ist eine menschliche Pflicht", sagt Müller. Zudem sei nicht nur mit Fehlern anderer Verkehrsteilnehmer zu rechnen. Man müsse immer daran denken, dass eigene Fehler tödlich für andere sein können. Zwar werde die passive Sicherheit etwa durch Airbags und ABS immer weiter verbessert. Doch die schwächeren Verkehrsteilnehmer hätten keine Knautschzone.
Bei allem Stress: „Man sollte auch unter Druck nie vergessen, dass man Verantwortung für sich und andere trägt."Die Kreuze seien Teil der Kampagne „Sicherheit auf Landstraßen", erklärt Müller. Die Unfälle, die dort passieren, seien häufig auf Unachtsamkeiten oder unangepasste Geschwindigkeit zurückzuführen. „Hier war es eine Vorfahrtsmissachtung." Auch das sei typisch für diese Art von Landstraßenunfall.
Die Kreuze werden im Abstand von mehreren Jahren nur mit Zustimmung der Familien aufgestellt. Auch die örtlichen Gegebenheiten müssten passen, die Behörden müssen einverstanden sein. Deshalb wird nicht an jeden tödlichen Unfall im Kreis Paderborn erinnert. Hätte Vitali Lang überlebt, wäre er heute Großvater.
INFORMATION
Hier stehen die Kreuze
In den nächsten Tagen werden noch sieben weitere weiße Kreuze im Kreis Paderborn aufgestellt. Die Standorte markieren tödliche Unfälle bei Haaren (L 754), Westenholz (L 586/K 40), Henglarn (K 20). Salzkotten (K 37), Paderborn (Nixdorf-Ring), Büren-Harth (L637) und Büren-Siddinghausen (L637). In den vergangenen Jahren wurden bereits zwölf Kreuze aufgestellt.
Die Kreuze werden von Schülern bei der Stiftung Bildung Handwerk West West in Paderborn angefertigt, die sich dort auf eine Berufsausbildung vorbereiten.
Weil nach einiger Zeit ein Gewöhnungseffekt eintritt, werden die Kreuze entfernt, sollte nach einigen Jahren die Standsicherheit nicht mehr gegeben sein.