Burkhard Blienert: Cannabis „kann sehr vielen Menschen helfen“

Herr Blienert, Sie beraten seit kurzem Hersteller von medizinischem Cannabis. Warum ist Ihnen der Job wichtig? Was machen Sie da? Burkhard Blienert: Ich habe schon 2017 für die SPD das Medizinal-Cannabisgesetz mitverhandelt. Seitdem liegen mir die Verschreibungsmöglichkeiten und der Einsatz von Cannabis in der Medizin sehr am Herzen. Wir wissen, es hilft bei Schmerzpatientinnen und -patienten, und es kann bei anderen Therapien sinnvoll eingesetzt werden. Mittlerweile weiß man auch, dass dadurch der Einsatz von starken Schmerzmitteln wie Opioiden reduziert werden kann. Haben Sie Beispiele, bei welchen Erkrankungen Cannabis helfen kann? Es kann eingesetzt werden in der Krebstherapie, gegen Appetitlosigkeit. Es hilft bei unterschiedlichen chronischen Schmerzen, bei Spastiken oder in der Neurologie. Können Sie verstehen, dass nicht alle medizinisches Cannabis kennen und sehr vorsichtig sind? Ist es deshalb auch Ihre Aufgabe im Verband, dass es bekannter wird? Mir geht es um einen sinnvollen und verantwortungsvollen Umgang mit Cannabis, um die Evidenz und die medizinischen Studien, nicht um Spekulationen und Tabuisierung. Insofern war die Frage, ob Cannabis in der Medizin eingesetzt wird, für mich keine ideologische Frage. Die Therapie ist sinnvoll und kann sehr vielen Menschen helfen. Das zeigen die vielfältigen Einsatzmöglichkeiten von medizinischem Cannabis. Themenwoche Kokain: Unser Fokus auf den Kreis Paderborn Sie waren bis 2025 Beauftragter für Sucht- und Drogenfragen der damaligen Bundesregierung. Jetzt gibt es den fließenden Übergang zur Lobbyarbeit für medizinisches Cannabis. Sehen Sie da ein Problem? Da gibt es keine Konflikte. Das wurde im Bundesministerium für Gesundheit behandelt. Bei mir waren es grundsätzliche Fragen des Jugendschutzes, des Gesundheitsschutzes und der Frage von Kriminalität durch Sucht und Drogen. Sie sind ein Unterstützer der Cannabis-Freigabe für Erwachsene. Was sagen Sie Kritikern, die darin Gefahren sehen? Die vorangegangene Bundesregierung hat mit dem Cannabis-Konsumgesetz den Besitz legalisiert und straffrei gestellt. In einem bestimmten Rahmen kann jeder bis zu drei Pflanzen selbst anbauen oder Mitglied in einem Cannabis-Club werden. Das ist im Sinne der Gesetzgebung und des Europarechts. Diesen Schritt habe ich für erforderlich gehalten angesichts der hohen Zahlen von über 4,5 Millionen Konsumenten. Die bis dahin gültige Verbotspolitik ist gemessen an den Zielen eines Gesundheits- und Jugendschutzes und eines Kampfes gegen den Schwarzmarkt kein wirksames Mittel. Wir müssen über die Prävention, Risiken und Gefahren des Konsums von allen Drogen und psychoaktiven Substanzen reden. Dazu zählen neben Alkohol, Cannabis und Tabak auch Substanzen wie Kokain, Crack und Heroin. Sie geben das Stichwort: Millionen Menschen konsumieren Bier, Wein und Zigaretten. Weit verbreitet sind auch harte Drogen wie Kokain. Ist die Diskussion deshalb um Cannabis unverhältnismäßig und zynisch? Aus meiner Sicht schadet es, wenn man Konsumierende, die Probleme mit psychoaktiven Substanzen wie Heroin und Kokain haben, kriminalisiert. Wir müssen eher die Angebote für Beratungen, Behandlungen und für die Substitution weiter ausbauen. Der präventive Gedanke ist sehr wichtig, um Gesellschaften resilienter im Umgang mit Sucht und Drogen zu machen. Wir müssen uns auch fragen, wie wir mit Substanzen umgehen, die in unserer Gesellschaft die größten Probleme verursachen. Wir reden von 150.000 Toten im Jahr, die auf Alkohol und Tabakkonsum zurückzuführen sind, und über enorme Kosten für das Gesundheitswesen und Verluste für die Volkswirtschaft. Geschätzt sind das 150 Milliarden Euro pro Jahr. Und es stellt sich die Frage, ob wir es uns das noch leisten können, so wenig über die Erreichbarkeit und Sichtbarkeit von Drogen zu sprechen. Wir haben viel zu tun in unserer Gesellschaft. Kokain-Konsum in Paderborn auf Rekordhoch: So funktioniert das illegale Geschäft Hinkt Deutschland da im Ländervergleich hinterher? Ja. Ich erinnere an die Mahnungen der Weltgesundheitsorganisation in den letzten Jahren. Deutschland macht zu wenig bei der Bekämpfung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Krebserkrankungen, auch bedingt durch den Konsum von Drogen, insbesondere Alkohol und Tabak. Andererseits liegen die Vorschläge auf dem Tisch. Deutschland bekennt sich international zu den Zielen und den Maßnahmen, die man jetzt ergreifen muss. Aber davon wird relativ wenig umgesetzt. Andere Länder haben es viel besser in den Griff bekommen. Spanien zum Beispiel hat uns gesundheitspolitisch in den letzten 20 Jahren nicht nur überholt, sondern liegt mit an der Spitze bei der Vermeidung von Erkrankungen. Mit dem Cannabisgesetz sind in der Politik nicht alle einverstanden. Nach dem Regierungswechsel und unter der Führung der CDU: Könnte es wieder zurückgenommen werden? Das ist eine spekulative Frage. Nicht eingetreten ist, dass nach der Einführung des Cannabis-Konsumgesetzes der Konsum bei Jugendlichen ansteigt. Zusätzlich wird darüber hinaus durch die Entstigmatisierung vermehrt nach Beratung und Unterstützung gefragt sowie bestehende Probleme mehr behandelt. Das zeigen der Zwischenbericht zur Evaluation des Cannabis-Konsumgesetzes und Einzelbefragungen, etwa der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung. Was fehlt, ist mehr Einsatz in Prävention und Unterstützungsangebote. Eine Rücknahme würde das Ganze konterkarieren. Das wäre der absolut falsche Weg. Es würde den Schwarzmarkt und damit die Organisierte Kriminalität mit ihren Geschäften wieder stärken. Damit würden wieder Hunderttausende Menschen kriminalisiert. Gehen wir auf eine Feier. Die Gäste trinken Bier und Wein, rauchen. Einer zündet sich einen Joint an. Würde Sie das stören? Es gibt klare Regeln, wann in der Öffentlichkeit oder in der Gastronomie geraucht und wie Alkohol ausgeschenkt werden darf. Das Gleiche findet auch Anwendung bei der Frage eines Joints. Zwei Paderborner über ihren Kokain-Konsum: &bdquo;Ein Albtraum, aus dem ich aufwachen möchte“ Blicken wir zum Schluss auf Hendrik Streeck, ihren Nachfolger als Drogenbeauftragter. Letztlich hat er für Wirbel bei der Frage gesorgt, ob sehr alte Menschen besonders teure Medikamente bekommen sollten. Hätten Sie dieses Tor aufgemacht? Ich enthalte mich da einer Bewertung.

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