Paderborn. It´s Musical time. „No Way to Treat a Lady“ (1968, Text und Musik: Douglas J. Cohen) kommt aus Amerika und – trotz einiger Staubablagerungen – erlaubt es uns hier, in beängstigenden Zeiten herzhaft zu lachen. Am Samstag war am Theater Paderborn Premiere. Freunde des schwarzen Humors und Anhänger eines 70er-Jahre-Krimi-Ambientes dürften bei diesem boulevardesken Feuerwerk auf ihre Kosten gekommen sein.
Ausgelöst hat die Schluss-Euphorie ein Musical-Ensemble, das ausschließlich aus Gästen besteht. Choreograf und Regisseur Eric Rentmeister konnte gesanglich aus dem Vollen schöpfen. Er arrangiert ein sehenswertes künstliches Ambiente, setzt inszenatorisch auf comicartige Stilisierungen -und auf seine vier Darsteller.
Die prekäre Handlung spielt sich vor einem weißen Varieté-Vorhang ab: Auf einer Drehbühne wird die wechselnde Kulisse als zweidimensionale Pappmaschee-Illusion herein rotiert, Sofas, frei stehende Türen, klappbare Telefone sorgen für immer neue Spiel-Impulse, zumal raffinierte Tricks wie beispielsweise ein versteckter Klappsitz für die spaßige Nutzung des Inventars sorgen (Bühne: Stephan Prattes).
Protagonisten im Theater Paderborn eint ein gemeinsamer Mutterkomplex
Im Vordergrund stehen zwei Männer, die unterschiedlicher nicht sein könnten und dennoch: Ein gestörtes Mutter-Sohn Verhältnis, ein Mutterkomplex, eint sie. Bloß: Der eine entwickelt sich zum Frauenmörder, der andere ist ein abgehängter Detective im New Yorker Police Department. Während Christopher „Kitt“ Gill (quirlig brillant: Fehmi Göklü) mit seiner Verwandlungskunst der toten Mutter, einer berühmten Schauspielerin, mit Schlagzeilen in der Times zu gefallen trachtet, bekommt „Cop“ Morris Brummel (herrlich unbeholfen: Florian Soyka) sein Pausenbrot von seiner zänkischen, jüdischen Mama (temperamentvoll, vielseitig: Claudia Dilay Hauf) noch auf die Toilette hinterhergetragen.
        
                    Beide Muttersöhnchen verbindet gleich zu Beginn ein herzzerreißendes Duett – denn sie sind nur einen Herzschlag davon entfernt, die Anerkennung ihrer Mutter endlich zu gewinnen. Nur: Verliebt sich der verklemmte Morris in die weltgewandte Galeristin Sarah (zauberhaft: Marlene Jubelius); da steht „Kitt“ erst am Anfang seiner Verführungseskapaden, um über die Lokalpresse hinaus zu gelangen.
Katz-und-Maus-Spiel entspinnt sich auf der Bühne
Vergnüglich: die Gegenüberstellungen der Männer, deren (Bühnen-)Wege sich immer wieder kreuzen, die schließlich ungehindert miteinander telefonieren und so etwas wie „beste Freude“ werden. Auf dem Karriereweg scheint sich ihr Katz-und-Maus-Spiel immer untrennbarer miteinander zu verschlingen. Wenig Gefallen findet daran die emanzipierte Sarah, die mit weiblicher Raffinesse zunächst einmal die Schwiegermutter in spe mit deren eigenen Waffen schlägt.
Mit einfühlsamer Sopranstimme singt sie sich in die Herzen, beispielsweise dann, wenn sie ihr Lied von den Reichen und Schönen anstimmt – und der Stille, die sie in der dortigen Einsamkeit erreicht. Kein leichter Stand für sie, denn die immer aberwitzigeren Eskapaden des Killers „Kitt“ und dessen tote Mutter, die als Comicgesicht omnipräsent ihren Jungen zusammenstaucht, nehmen ihren Liebsten gefangen.
Schauspieler präsentiert unterschiedliche Figuren, wie aus der Tasche gezaubert
Und Schauspieler Fehmi Göklü zaubert sie als „Kitt“ alle aus der Tasche: die Akzente, Dialekte und Körperlichkeiten seiner fiktiven Figuren. Ein Highlight: der spanische Tanzlehrer Ramon, der nicht mit dem Verlangen seines Opfers (als Carmen: Hauf) gerechnet hat, und deren wilder Abtanz bei Cha-Cha-Cha, Tango und Rumba-Rhythmen alles von ihm fordert. Aber ob als Kellner, Pizzalieferdienst, Klempner mit Berliner Schnauze oder schrägem Galeristen-Praktikant: Er verleiht seinen Figuren strahlende Agilität und liefert eindringliche Gesang-Parts bis in die hohen Töne und bis zum Countdown derer gezählten Tage.
Auch wenn die emotionalisierte Musicalmusik keinen Ohrwurm hervorbringt, so klingt sie doch volltönend. Aber auch immer ein wenig wie aus der Konserve. Dass die Musiker unsichtbar bleiben, verstärkt diesen Effekt. Dem spartanischen Bühnengeschehen hätte die Band gutgetan. Dennoch: Regisseur Eric Rentmeister lässt mittels eindrucksvoller innerer Bilder, darunter ein großartiges Schlussszenario, die ansonsten eher flache, hausbackene Handlung, vergessen. Standing Ovations für ein temperamentvolles-präsentes Ensemble und eine sprühend stilisierte Inszenierung.
Weitere Aufführungen von „No Way to Treat a Lady“ am Paderborner Theater
Weitere Aufführungen sind am: 8., 9., 27., 28. November, 4., 7., 11., 12., 19., 20., 27. Dezember, 4., 10., 31. Januar, 7., 21., 27. Februar. Karten sind an der Theaterkasse am Neuen Platz unter Tel. 05251 2881100 und per E-Mail an kartenservice@theater-paderborn.de erhältlich.