Zu viel Bürokratie: Paderborner Apotheker kritisieren steigenden Zeit- und Kostendruck

Paderborn. Die Dokumentation und die Nachweise sollen sicherstellen, dass die medizinischen Produkte höchsten pharmazeutischen Ansprüchen genügen. Das stellt der Paderborner Kreisvertrauensapotheker Philipp Hoffmann nicht infrage. &bdquo;Grundsätzlich sind die Nachweise vollkommen richtig“, betont er. So stellen die Amtsapotheker oder Sachverständigen beispielsweise sicher, dass die Apotheken korrekt arbeiten – zum Wohle der Patienten. Aber in Zeiten, in denen Apotheker auch wegen steigender Kosten aufgeben, sie keine Nachfolger finden, sorgt die aufwendige Dokumentation für zusätzlichen Druck. In vielen Fällen dauert sie nämlich genauso lange wie beispielsweise das Herstellen von Augentropfen. Zudem müssen Apotheken diese Dokumentation für das Anfertigen von Arzneimitteln, also Rezepturen, auf Nachfrage den Vertretern der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) zur Abrechnung vorlegen können. Der &bdquo;Dokumentationskrieg“, wie in Hoffmann bezeichnet, erzeuge dann Druck. Denn kann die GKV noch so kleine Formfehler nachweisen, gebe es später kein Geld. Retaxation heißt das Stichwort. Laut Hoffmann kommt das häufig vor. Neues Facharztzentrum in Paderborn: mit zehn Praxen, Apotheke und Café Paderborner Apotheker wünscht sich mehr Wertschätzung Deshalb hat Hoffmann eine Forderung. &bdquo;Ich wünsche mir, dass die Politik unsere Arbeit und unseren Einsatz mehr wertschätzt. Und dass sie zukünftig bei der Honorierung der Apotheken mit in die Waagschale wirft, welchen wichtigen Job wir hier machen und dass wir die flächendeckende Versorgung sicherstellen.“ Was vielen nicht bewusst zu sein scheint, so Hoffmann: Apotheker ordern nicht nur Medikamente im Großhandel. Sie müssen in vielen Fällen Arzneimittel selbst herstellen. &bdquo;Es gibt Menschen, die diese dringend brauchen. Dann machen wir nach bestem pharmazeutischen Wissen. Und wir würden uns freuen, wenn das mehr Beachtung findet“, sagt Hoffmann. Er spricht für aktuell 62 Apotheken im Kreis Paderborn. Dort fühlten sich viele Kollegen laut Hoffmann mittlerweile so, als nehme die Bürokratie sie &bdquo;in den Schwitzkasten“. Um welche Dimension es hierbei bundesweit geht, verdeutlicht Hoffmann anhand einer Zahl. Jedes Jahr würden etwa 11 Millionen Rezepturen alleine mit der GKV abgerechnet. Dazu kommen die Abrechnungen mit den privaten Krankenkassen. Salbe anrühren: Paderborner Apotheken müssen alles genau dokumentieren Hoffmann nennt Beispiele, wie dringend manche Arzneimittel benötigt werden und wie aufwendig die Dokumentation hierfür ist. So hat er in einem Fall ein Blutgerinnungsmittel für ein Kind hergestellt. Gerade bei Kindern sei das Team doppelt- und dreifach vorsichtig. Das bestätigt Mitarbeiterin Shahrzad Jamali. In einem anderen Fall geht es um einen Lipidsenker für eine chronisch erkrankte Frau, die aber in Hannover lebt. Dafür muss Hoffmann ein Arzneimittel mit einer EU-Zulassung importieren. Etwa 100.000 Euro kostet es. Weil hier eine Retaxation besonders negative Folgen für Apotheker hätte, würden sich nicht viele herantrauen. Apotheker im Kreis Paderborn widersprechen: Kindermedizin auch weiterhin knapp Aber selbst bei einer einfachen Salbe müssen Apotheken viele einzelne Schritte im Protokoll und bei der Dokumentation beachten. Auf mehreren Seiten geht es beispielsweise um die Frage, ob es erst einmal der richtige Wirkstoff ist, ob die Konzentration des Wirkstoffes zum Patienten passt. Die Apotheker und Fachangestellten müssen auch sicherstellen, dass die Hilfsmittel desinfiziert sind und zum Schluss im Herstellungsprotokoll nachweisen, dass sie alles korrekt abgearbeitet haben. Darüber, dass offenbar bundesweit in vielen Apotheken die Bürokratie zu schaffen macht, hat auch die Fachzeitschrift Pharmazeutische Zeitung Ende November 2024 im Internet mit Verweis auf eine Studie der Deutschen Apotheker- und Ärztebank (Apobank) berichtet. Demnach verwendeten Apothekeninhaber ein Drittel oder 29 Prozent ihrer Zeit für Verwaltungsaufgaben. Für die Studie im Auftrag der Apobank habe das Marktforschungsinstitut DocCheck Insights insgesamt 400 Apothekeninhaber, niedergelassene Ärzte und Zahnärzte befragt. Paderborner Apotheker: Kritik an Versandhändler Übrigens: Große Versandhändler, die stationäre Apotheken ebenso unter Druck setzen, würden laut Hoffmann die Zubereitung von Arzneimitteln verweigern, wegen der Kosten. Hoffmann: &bdquo;Das ist in meinen Augen ein Unding.“ Deshalb befürworte er die eigene Herstellung, &bdquo;weil ich Apotheker aus Überzeugung bin“. Apotheker über Lage im Kreis Paderborn: &bdquo;Die Apothekenzahl nimmt dramatisch ab“ Auf eine Nachfrage der &bdquo;NW“ beim GKV-Spitzenverband in Berlin sowie bei der AOK Nordwest in Dortmund gehen die Pressestellen nicht auf die genannten Punkte ein. Stattdessen verweisen sie jeweils aufeinander. Von sich aus bezieht sich der GKV-Spitzenverband aber unter anderem auf folgende Frage: Was passiert mit angebrochenen Medikamenten, von denen Apotheker nur einen Teil weiterverarbeiten? Hierzu vertrete der GKV-Spitzenverband die Meinung, &bdquo;dass nur die zur Herstellung der Rezeptur erforderliche Stoffmenge, das heißt nur die anteilige Packungsmenge, zu Lasten der GKV abgerechnet werden kann“.

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