Paderborner Arbeitsagentur-Chef: „Anreize schaffen, um freiwillig länger zu arbeiten“

Der Chef der nordrhein-westfälischen Arbeitsagenturen sagte zuletzt, dass die Lage am NRW-Arbeitsmarkt ernst sei. Ist die Lage auch im Kreis Paderborn ernst? Heinz Thiele: Dass die Arbeitsmarkt-Lage angespannter ist, gilt für das ganze Bundesgebiet und damit auch für Paderborn. Nach der Finanzkrise 2008 und 2009 ist die Arbeitslosigkeit jahrelang nur runtergegangen – es gab nur Erfolgsmeldungen. Nun müssen wir uns – hoffentlich nicht lange – daran gewöhnen, dass es kippt. Bundesweit könnte es sein, dass im Jahr 2025 die Drei-Millionen-Marke bei den Arbeitslosen geknackt wird. Das hat mit wirtschaftlicher Schwäche zu tun. Aber was oft in den Hintergrund tritt, ist, dass wir am Arbeitsmarkt einen ökologischen und digitalen Transformationsprozess haben. Diese Kombination ist eine riesige Herausforderung. Man muss aber auch sagen, dass wir von fünf Millionen Arbeitslosen wie im Jahr 2005 weit entfernt sind. Wie steht der Kreis Paderborn im Vergleich da? Wir stehen noch recht gut da und haben im Moment 5,5 Prozent Arbeitslosenquote. Da gibt es andere Regionen etwa im Ruhrgebiet und der Rheinschiene, die deutlich höher liegen. Das liegt insbesondere an der Struktur des Arbeitsmarktes. Wir haben viele Unternehmen, deren Eigentümer der Chef und keine Aktiengesellschaft ist. Und da versucht man, sehr lange das Personal zu halten. Und wir haben eine differenzierte Wirtschaftsstruktur vor Ort, wo man nicht auf einen großen Arbeitgeber und dessen Zulieferer angewiesen ist. .responsive23-zjtlRxrwK54cGAi2-ttc-linechart-241217-arbeitslosenzahlen-kreis { width: 100%; padding-top: 100%; } @media (max-width: 600px) { .responsive23-zjtlRxrwK54cGAi2-ttc-linechart-241217-arbeitslosenzahlen-kreis { padding-top: 100%; } } @media (max-width: 360px) { .responsive23-zjtlRxrwK54cGAi2-ttc-linechart-241217-arbeitslosenzahlen-kreis { padding-top: 142.86%; } } Von großen Arbeitgebern aus der Industrie wie VW, Ford und ThyssenKrupp kommen für Arbeitnehmer Hiobsbotschaften: Schließungen und Stellenabbau. Haben diese Entscheidungen Auswirkungen auf den Kreis Paderborn? Wir haben Zulieferer. Aber bei denen macht sich im Moment die Diskussion &bdquo;Hier werden 5.000 Stellen entlassen, da werden 3.000 Stellen entlassen“ nicht bemerkbar. Diese Größenordnung haben wir nicht. Wir haben zwar natürlich den einen oder anderen Betrieb, wo Personal entlassen wird. Aber bislang versuchten die Firmen, ihr Personal zu halten. Ich glaube, nach der Finanzkrise hat man viel gelernt. Denn das Personal, das man heute entlässt, bekommt man in zwei, drei Jahren schwer wieder, weil die Personen sich dann umorientiert haben. Lesen Sie auch: Mehr Geld für Arbeitnehmer – IG-Metall begrüßt Durchbruch Spielt Kurzarbeit derzeit eine größere Rolle bei den Betrieben? Die Nachfrage hat wieder angezogen, aber wir sind ganz weit weg von der historisch einmaligen Kurzarbeit-Dimension während der Corona-Hochphase. Bei einer kurzfristigen Schwäche in einem Betrieb bieten wir Kurzarbeit offensiv an, da dies dann das ideale Instrument ist. Es ist kein Negativ-Kennzeichen, wenn ein Betrieb Kurzarbeit beantragt, sondern eine Stärke, weil er versucht, die Mitarbeiter zu halten. Eine weitere Herausforderung für den Arbeitsmarkt: Die Boomer-Jahrgänge gehen allmählich in den Ruhestand. Was bedeutet das für den Kreis Paderborn? In den nächsten zehn Jahren werden ungefähr 25 Prozent aller sozialversicherungspflichtig Beschäftigten ausscheiden. Das haben wir noch nie gehabt, und das wird auch nicht zu ersetzen sein in der Quantität. Rein mathematisch wird es keine Lösung geben. Es gibt dann drei Antworten, die ich immer habe. Zum einen ist jeder Arbeitgeber gut beraten, seine Prozesse und Organisationen zu überprüfen, um mit weniger Menschen das zu produzieren, was man sich vorgenommen hat – Stichwort Digitalisierung. .responsive23-NkpcJ7YR5qSbGeBd-bar-grouped-vertical-241217-demografieluecke-kreis-pb { width: 100%; padding-top: 100%; } @media (max-width: 600px) { .responsive23-NkpcJ7YR5qSbGeBd-bar-grouped-vertical-241217-demografieluecke-kreis-pb { padding-top: 100%; } } @media (max-width: 360px) { .responsive23-NkpcJ7YR5qSbGeBd-bar-grouped-vertical-241217-demografieluecke-kreis-pb { padding-top: 142.86%; } } Wie sehen Ihre beiden anderen Antworten aus? Punkt 2: Wir werden uns als Konsumenten darauf einstellen müssen, dass wir das Angebot, das wir jahrzehntelang gewohnt waren, in Hinblick auf Qualität und Quantität so nicht mehr zur Verfügung haben. Stichwort Gastronomie. Einige Betriebe haben zugemacht, weil sie kein Personal haben, andere machen nur noch von Freitag bis Sonntag auf. In Paderborn hatten wir im Sommer auch mal Einschränkungen bei den Öffnungszeiten in Hallen- und Freibädern. Das Dritte: Alle weiteren Instrumente, die wir bereits kennen – Zuwanderung, Frauenerwerbsquote, Erhöhung der Lebensarbeitszeit, Qualifizierung und Ausbildung –, müssen wir im Netzwerk mit Arbeitsagentur, IHK, Kreishandwerkerschaft, Arbeitgeberverband, Jobcenter und Kreis Paderborn weiter optimieren. .responsive23-N61ZCeFsjAXCdKp9-area-241217-demografieluecke { width: 100%; padding-top: 100%; } @media (max-width: 600px) { .responsive23-N61ZCeFsjAXCdKp9-area-241217-demografieluecke { padding-top: 100%; } } @media (max-width: 360px) { .responsive23-N61ZCeFsjAXCdKp9-area-241217-demografieluecke { padding-top: 142.86%; } } Erhöhung der Lebensarbeitszeit: Meinen Sie damit, dass alle Arbeitnehmer erst später in Rente gehen sollen? Nein. Mir schwebt eher vor, dass man auf freiwilliger Basis Anreize schafft, länger zu arbeiten. Zum Beispiel ist ja politisch im Raum, dass man dann 2.000 Euro steuerfrei verdient. Man könnte auch einen Bonus zahlen, wenn man ein paar Jahre mehr arbeitet. Machen die Unternehmen in der Region Ihrer Meinung nach genug, um die Demografie-Lücke abzufedern? Es läuft schon eine Menge, wo die Unternehmen reagieren. Man hätte aber gesamtgesellschaftlich immer schon viel mehr machen können, da die Zahlen lange bekannt sind. Man hätte beispielsweise schon vor zehn Jahren bundesweit 6.000 zusätzliche Studienplätze für Ärzte schaffen müssen. Vor zehn Jahren war der Druck vielleicht noch nicht so groß, aber eine solche Ausbildung dauert sieben oder mehr Jahre. In den letzten Jahren hat sich aber allgemein das ein oder andere geändert, etwa dass Fachkräfte mehr gehalten werden. Und man merkt bei den Ausbildungen: Heute kann man sich nicht von 100 Bewerbern den besten aussuchen, sondern hat vielleicht nur noch zehn Bewerbungen. In Hinblick auf Personalgewinnung und -bindung sind Unternehmen kreativer geworden. Mehr zum Ausbildungsmarkt: Durchhaltevermögen der Azubis im Kreis Paderborn sinkt laut Kreishandwerkerschaft Wegen der Umstellung von G8 zurück auf G9 werden 2026 weniger Schülerinnen und Schüler ihr Abitur machen. Welche Auswirkungen hat diese Abi-Lücke für den Arbeitsmarkt im Kreis Paderborn? Die Auswirkungen werden da sein, aber quantitativ nicht dramatisch. Trotzdem empfehle ich jedem Arbeitgeber, zu überlegen, was man 2026 geplant hätte, und dann zu schauen, ob man die Strategie &bdquo;Ausbildung auf Vorrat“ fährt oder 2027 den einen oder anderen Auszubildenden drauflegt. Gibt es bei den Angeboten, die die Paderborner Arbeitsagentur macht, eines, das Ihrer Meinung nach zu wenig Beachtung erhält? Was viele nicht wissen, auch wenn wir ständig Werbung dafür machen: Wir fördern nicht nur die Qualifizierung von Arbeitslosen, sondern auch von Beschäftigten. Da können wir finanzielle Zuschüsse geben – für die Qualifizierungskosten als auch für die Lohnkosten im Extremfall bis zu 100 Prozent. Das halte ich für ein Geschenk für die Arbeitgeber.

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