Fast jedes zweite Grundschulkind im Kreis Paderborn hat Sprachprobleme

Paderborn. Ein Trend in OWL und im Land zeigt sich noch deutlicher im Kreis Paderborn. Immer häufiger fallen dort Kinder auf, denen das Sprechen und die Sprache unterschiedlich schwerfallen. Mit 47,2 Prozent zeigte 2023 fast die Hälfte der angehenden Grundschulkinder im Kreisgebiet Paderborn im Alter zwischen fünf und sieben Jahren bei den Eingangsuntersuchungen Sprach- beziehungsweise Sprechstörungen. Das sind deutlich mehr, als vergleichbare Daten für das Land NRW ausweisen. Demnach offenbart der Bericht des Kreisgesundheitsamtes Paderborn für Kinder &bdquo;eine negative Tendenz bei Sprach- und Sprechstörungen“. Das teilt die Behörde auf Nachfrage der &bdquo;Neuen Westfälischen“ mit. Der Bericht bezieht sich auf einen Zeitraum zwischen 2019 und 2023. Und in dieser Zeit seien die Sprach- und Sprechstörungen auf fast 50 Prozent der untersuchten Kinder angestiegen. Beispielsweise auch Artikulationsstörungen wie das Lispeln fallen unter Sprach- und Sprechstörungen. Die Hintergründe: &bdquo;Eltern sprechen nicht genug mit Kindern“: Rekord bei Sprachstörungen in NRW Auch im Kreis Paderborn: Betroffene Kinder sprechen nicht gerne Ebenfalls auf das Jahr 2023 beziehen sich repräsentative Daten des aktuellen &bdquo;Kinderatlasses“ des Instituts für Gesundheitssystemforschung der Krankenkasse Barmer. Demnach sei bei 15 Prozent der sechs- bis zwölfjährigen Kinder in NRW eine Sprachentwicklungsstörung ärztlich dokumentiert worden. Das entspricht etwa 183.900 Mädchen und Jungen. Das ist zugleich die größte Zahl im Vergleich aller Bundesländer. Auch das Deutsche Ärzteblatt bezieht sich in einer Mitteilung von August 2024 auf eine zu beobachtende Zunahme von Schwierigkeiten beim Sprechen oder mit der Sprache: Den Kindern fehlen Wörter, sie können Sätze nicht korrekt formulieren, und ihnen macht das Sprechen keinen Spaß. Die negative Entwicklung beobachtet auch Sebastian Dick (46) grundsätzlich. Allerdings spricht der Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin von etwa zehn Prozent der Kinder, die Sprachentwicklungsstörungen aufweisen. Dennoch: &bdquo;Das ist sehr viel“, sagt der Mitinhaber der kinderärztlichen Gemeinschaftspraxis in Delbrück. Delbrücker Kinderarzt beobachtet negativen Trend Als Obmann der Kinderärztinnen und -ärzte im Kreis Paderborn vertritt Sebastian Dick etwa 20 niedergelassene Kolleginnen und Kollegen. Auch wenn es schwierig sei, eine medizinische Einschätzung auf alle Kinder im Kreis Paderborn zu übertragen, zeige dennoch ein Blick in Logopädie-Praxen im Kreisgebiet die Lage. Diese würden aktuell viele Kinder betreuen, die Wartelisten seien entsprechend lang. Das bestätigt Laura Schlüter, Inhaberin der &bdquo;Sprachwelt: Praxis für Logopädie & Legasthenie“ in Paderborn. &bdquo;Gerade für jene Kinder, die schon in der Schule sind, sind die Wartelisten sehr lang“, sagt sie. Zudem suchen auch Logopädie-Praxen aktuell Fachkräfte. Das erschwert die Lage zusätzlich. Mehr zum Thema Medienkonsum bei Kindern: Smartphone – Krankenkasse warnt vor Sprachstörungen Was sind die Gründe? Aber warum haben immer mehr Kinder Probleme mit der Sprache oder dem Sprechen? Dazu gibt es verschiedene Ansätze, auf die beispielsweise Sebastian Dick und Laura Schlüter verweisen. Generell gelte laut der Barmer-Studie, dass &bdquo;Störungen beim Spracherwerb (...) zu den häufigsten Diagnosen bei Heranwachsenden“ gehören. Und: Kinder lernen eine Sprache durch Nachahmen. Deshalb ist es entscheidend, wie viel Eltern mit ihren Kindern sprechen – und welche Medien Kinder nutzen. Ein Stichwort ist hier das Handy. Sebastian Dick rät Eltern generell: &bdquo;Sie sollten mit den Kindern zu Hause sprachlich früh üben. Und gemeinsam lesen, lesen, lesen ...“ Selbst bei Säuglingen können Eltern das machen und anhand des Bilderbuches beispielsweise zeigen: &bdquo;Hier, schau mal, die Ente.“ Auch Laura Schlüter rät, früh mit den Kindern zu lesen, das Sprechen in das Spielen einzubinden. Schlechter Einfluss: Zu viel Zeit am Handy Zudem beobachtet Sebastian Dick einen steigenden Medienkonsum mit Smartphones. Dafür, wie negativ das sein kann, hat Laura Schlüter ein Beispiel. &bdquo;In Videos sprechen die Personen oft sehr schnell oder undeutlich. Deshalb sollten Eltern darauf achten, was sich die Kinder da anschauen.“ Aus ihrer Sicht kann bei manchen Kindern auch ein Nachteil sein, wenn Kinder oftmals früher als in vergangenen Jahren in die Betreuung außerhalb der Familie gegeben werden. In Kindertagesstätten kümmerten sich Erzieherinnen oft um größere Gruppen und könnten nicht individuell fördern. Bei Kindern mit Migrationsgeschichte kann hingegen grundsätzlich der Wortschatz ein Problem sein. Der Kreis Paderborn sowie Sebastian Dick und Laura Schlüter raten Eltern generell, bei Sprach- und Sprechproblemen früh zu handeln. Lesen Sie auch: Handy-Frust an OWL-Schulen – warum sich Schulleiter ein Verbot wünschen Kreis Paderborn: Drei Viertel der Kinder ohne Bedenken eingeschult Grundsätzlich untersuchen Ärztinnen und Ärzte im Auftrag des Kreisgesundheitsamtes alle angehenden Grundschulkinder im Kreisgebiet. Grundlage für den aktuellen Gesundheitsbericht 2023 sind die Schuleingangsuntersuchungen von Herbst 2022 bis Sommer 2023. Der Bericht für 2024 wird aktuell erstellt. Von Herbst 2022 bis Sommer 2023 wurden insgesamt 3.272 Kinder untersucht (47,6 Prozent Mädchen, 52,3 Prozent Jungen, 0,03 Prozent ohne Angabe). Darunter waren 179 Kinder, die nicht in Deutschland geboren wurden. Der Gesundheitsbericht weist auch aus, dass 77,5 Prozent der untersuchten Kinder ohne Bedenken eingeschult werden konnten. &bdquo;Insgesamt stellt dies eine positive Perspektive für die Gesundheit und Entwicklung der Einschulkinder im Kreis Paderborn dar. Dennoch besteht weiterhin ein Potenzial für Steigerungen“, teilt die Behörde mit. Der Großteil der Kinder (mehr als 85 Prozent) ist normalgewichtig. Zudem sind im Durchschnitt bei 90 Prozent der Einschulkinder die empfohlenen Impfungen durchgeführt worden. Immer informiert bleiben: Hier gelangen Sie direkt zum Whatsapp-Kanal der NW Paderborn.

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