„Wir haben ständig Angst“: Irakischem Ehepaar in Paderborn droht die Abschiebung

Paderborn. &bdquo;Wir haben seit fünf Jahren keinen Kontakt mehr zu unseren Familien im Irak“, sagt Ahmed Haji Saeed. &bdquo;Wir“ – das sind er und seine Frau Kurdwin Yousif. Seit fünf Jahren lebt das Ehepaar in Deutschland – die Heimat hat es wegen eines angedrohten Familienkonflikts verlassen. Die beiden befürchten bei einer Rückkehr einen Ehrenmord, weil ihre Hochzeit gegen den Willen der Familie stattgefunden habe und Yousif einem Cousin versprochen worden sei. Ebenjene Rückkehr rückt nun womöglich gezwungenermaßen näher. Denn dem im Paderborn lebenden Paar droht die Abschiebung. Mit diesem Fall hat sich der Flüchtlingsrat Paderborn jetzt an die Öffentlichkeit gewandt. Es handle sich um ein &bdquo;besonders krasses Beispiel“ für eine derzeitige Rückführungspolitik, meint dessen Sprecher Reinhard Borgmeier. Für die beiden Iraker setzen sich Borgmeier, ihre Rechtsanwältin Judith Herbe und ihr Dolmetscher Abdulrahman Sugayer ein. Ehepaar sei gut integriert Saeed und Yousif seien gut integriert, sagen die drei. Das Ehepaar habe den Einbürgerungstest bestanden und verfüge über Deutschkenntnisse auf dem Niveau A2. Seit Juli 2020 hätte es keine Sozialleistungen mehr bezogen, da es Jobs hatte. Dann verhängte die Ausländerbehörde Ende Januar ein Beschäftigungsverbot – laut Borgmeier aufgrund &bdquo;fehlender Mitwirkung“, was er jedoch nicht nachvollziehen könne. Ihm zufolge käme der Vorwurf dadurch zustande, dass das Paar mit kurdischer Volkszugehörigkeit derzeit über keine gültigen Ausweisdokumente verfüge. Sie seien aus Versehen in einer Jacke in der Waschmaschine gewaschen worden, sagt der 36-jährige Saeed. Seine Anwältin Herbe erklärt, dass neue Papiere bereits im Oktober beim irakischen Konsulat beantragt worden seien. Eine Neuausstellung dauere erfahrungsgemäß jedoch mehrere Monate und sei bislang nicht umgesetzt. Kritisch sieht Reinhard Borgmeier, der für die Linksfraktion im Stadtrat sitzt, eine zwischenzeitlich durchgeführte Hausdurchsuchung seitens der bei der Stadt Paderborn angesiedelten Ausländerbehörde. &bdquo;Die Durchsuchung fand im November unangekündigt morgens um 8 Uhr statt, um die Identitätsnachweise zu finden“, berichtet Borgmeier. Job ruht wegen Beschäftigungsverbots Eigentlich hätte Kurdwin Yousif im Februar eine Ausbildung zur Friseurin beginnen können. Doch wegen des Beschäftigungsverbots ruht diese Möglichkeit, ebenso wie Saeeds Tätigkeit in der Burger-King-Filiale am Frankfurter Weg. &bdquo;Ich hatte dort eine Manager-Position“, sagt er. Dies bestätigt Filialleiter Mohamed Khalid gegenüber der &bdquo;NW“. Ihm fehle der 36-Jährige nun als Schichtführer. Zwei Mal sei er mit dem Iraker bei der Ausländerbehörde gewesen, um sich dort für Saeed starkzumachen. Die Durchsuchung und das Beschäftigungsverbot haben Spuren hinterlassen. &bdquo;Wir haben ständig Angst“, sagt Ahmed Haji Saeed. Seine Ehefrau befinde sich mittlerweile in psychologischer Behandlung. Sie habe Schlafstörungen und bekomme Schlafmittel sowie Antidepressiva, sagt Dolmetscher Sugayer. Besonders groß war die Sorge des Ehepaars angesichts eines Termins an diesem Dienstag, 27. Februar. Eigentlich war das Paar für diesen Tag im irakischen Konsulat vorgeladen, worin Rechtsanwältin Herbe die Vorbereitung einer Abschiebung sieht. Wegen des mit Attests nachgewiesenen schlechten Gesundheitszustands der Irakerin wurde der Termin aber kurzfristig abgesagt. Nach Aussage von Flüchtlingsratssprecher Borgmeier werde seit dem vergangenen Spätsommer vermehrt in den Irak abgeschoben. Auch weitere Flüchtlingsräte in Deutschland berichten von einer Veränderung der Rückführungspolitik, nach der bis Mai 2023 Personen ohne relevante strafrechtliche Verurteilungen grundsätzlich nicht in den Irak abgeschoben worden seien. Wie der Rechercheverbund von NDR, WDR und &bdquo;Süddeutscher Zeitung“ berichtete, haben Deutschland und der Irak im vergangenen Jahr eine geheim gehaltene Absichtserklärung in Bezug auf die Migrationspolitik vereinbart. Demnach zeige sich der Irak bereit, nicht mehr nur vor allem straffällige Menschen zurückzunehmen, sondern grundsätzlich alle Staatsbürger. Hoffnung auf die Härtefallkommission Eine Hoffnung des irakischen Ehepaars in Paderborn und ihrer Unterstützer liegt nun bei der Härtefallkommission des Landes NRW, an die sie den Fall herangetragen haben. Die Härtefallkommission entscheidet unabhängig, ob dringende humanitäre oder persönliche Gründe vorliegen, dank denen eine weitere Anwesenheit eines Ausländers im Bundesgebiet gerechtfertigt ist. Wie das zuständige NRW-Ministerium für Kinder, Jugend, Familie, Gleichstellung, Flucht und Integration auf Anfrage mitteilt, hat sich die Kommission in diesem Monat mit dem Fall befasst und ihr Ergebnis der zuständigen Ausländerbehörde der Stadt Paderborn übermittelt. Der Wortlaut dieses Ergebnisses lag Rechtsanwältin Herbe am Montag noch nicht vor. Von Behördenseite habe sie aber bereits die Information erhalten, dass die Kommission &bdquo;positiv“ entschieden habe. Sprich: &bdquo;Es gibt ein Ersuchen an die Ausländerbehörde“, interpretiert Herbe die Aussage. Ein solches Ersuchen empfiehlt eine Aufenthaltsgewährung in Härtefällen, was die Ausländerbehörde jedoch nicht umsetzen muss. &bdquo;Aber oft wird dem Ersuchen nachgegangen“, sagt die Anwältin. Derzeit sind Kurdwin Yousif und Ahmed Haji Saeed in Deutschland nur geduldet. Eine Aufenthaltsgewährung bei nachhaltiger Integration wäre standardmäßig auch nach sechs Jahren möglich, also im kommenden Jahr. Die &bdquo;NW“ hatte auch die Stadt Paderborn zu dem konkreten Fall angefragt. Die Verwaltung äußerte sich jedoch aus Gründen der Persönlichkeitsrechte und des Datenschutzes nicht, obwohl eine entsprechende Einverständniserklärung zur Auskunftsfreigabe seitens des Ehepaares vorlag.

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