Reportage aus dem Cockpit: Ein Paderborner bringt die Deutschen in den Urlaub

Paderborn/Palma de Mallorca. Als das kleine blonde Mädchen von der Fluggastbrücke winkt, schickt Kapitän Sven Hammerstein (51) durchs Cockpitfenster sofort Grüße zurück. &bdquo;Vielleicht gehört sie in ein paar Jahren zum Nachwuchs in unserem Job“, sagt der Weweraner. Das Mädchen und der Käpt’n sind beide schon ziemlich munter, an diesem Morgen um 4.20 Uhr am Flughafen Hannover. Für die eine geht es in der Boeing 737 der Tuifly in den Urlaub nach Palma de Mallorca, für den anderen beginnt ein ganz normaler Arbeitstag. Wer Pilot sein will, muss auch leiden können. Der frühe Start nach Palma bedeutet für die Crew: Dienstbeginn um 3 Uhr. &bdquo;Ist schon eine unchristliche Zeit“, gibt Hammerstein zu. Während sich das Mädchen auf seinen Sitzplatz bei den Eltern einkuschelt, bespricht er sich vorne im Flieger mit Co-Pilot Henning de Riese (44). Das verschlossene Cockpit ist das Reich der Piloten. Für die &bdquo;NW“ öffnen Flugkapitän und Airline diese Tür: einmal Mallorca mit exklusiven Einblicken, die Fluggästen sonst verwehrt bleiben. Während andere auf Baustellen schuften, ins Büro gehen oder Lastwagen fahren, führt Sven Hammersteins Dienstreise an diesem Dienstag ans Mittelmeer und zurück. So ist die moderne Verkehrsfliegerei. Im Mittelpunkt stehen nicht Wagemut und Abenteuer, sondern Verantwortung und Teamgeist. Dennoch bleibt das Cockpit ein besonderer Arbeitsplatz. Menschenleben hängen von den Entscheidungen ab, die hier getroffen werden. Kurs Süd über Frankfurt, Genf und Marseille Um 4.39 Uhr geht’s auf die Startbahn. Es rappelt im Cockpit, die Kraft der beiden Motoren bringt den Flieger in Wallung. Hammerstein zieht ihn sanft hoch. Mit 189 Passagieren und sechs Besatzungsmitgliedern hebt die Boeing ab, Kurs Süd über Frankfurt, Genf und Marseille. Checklisten, Absprachen, Funkkontakte – im Cockpit regiert zwischen Knöpfen und Schaltern die Sicherheit. Systeme und Kommandos werden doppelt abgesichert. Kommunikation läuft mit Fachbegriffen emotionslos und klar ab. Es wird nur das besprochen, was für den Ablauf wichtig ist: &bdquo;Haben wir freie Sicht, sind die Kursdaten richtig eingegeben und wie ist die Rückkehrroute im Fall der Fälle?“ Wenig später gibt es in der Luft die Belohnung fürs frühe Aufstehen: &bdquo;Wenn Du den Sonnenaufgang siehst, entschädigt diese Morgenstimmung wirklich jedes Mal. Wir sind privilegiert, das so oft erleben zu dürfen“, sagt Hammerstein beim Blick nach draußen. Nebenbei hat er die Instrumente immer im Auge: Höhe, Geschwindigkeit, den künstlichen Horizont. Einer der ersten in der Paderborner Flugschule Er hat tausende Starts und Landungen absolviert. Der Paderborner bringt seit 25 Jahren für Tuifly und Vorgänger Hapag-Lloyd Urlauber in die Sonne, flog davor für die Lufthansa. Er war einst einer der ersten Schüler der FMG-Flugschule Michael Gross am Airport Paderborn/Lippstadt. Privat ist der zweifache Vater noch Segelflieger im Verein am Haxterberg, einen Gleitschirm besitzt er auch. Die Luftfahrt ist sein Leben. Wer den souveränen Hammerstein im Sessel des Flugkapitäns erlebt, sieht: Dieser Mann liebt seinen Job auch morgens um halb fünf. Elf Kilometer über den Alpen sagt er es so: &bdquo;Jeder Tag ist anders: andere Ziele, andere Kollegen, andere Flugzeuge und anderes Wetter. Das ist klasse.“ In der Firma ist er zu Jahresbeginn nochmal aufgestiegen. Er fliegt jetzt weniger, ist nun aber Chef-Trainer unter den Piloten. Rund 350 Frauen und Männer fürs Cockpit hat die deutsche Tui-Fluglinie, Hammerstein konzipiert ihre Aus- und Fortbildung. Heute ist der Trainer aber einfach wieder Pilot. Egal, was im Cockpit gerade passiert, mit einem Ohr ist er immer am Funk und registriert, wenn die Luftaufsicht aus Deutschland, und später aus der Schweiz, Frankreich und Spanien die Kennung TUI3PT ruft. Einstellungen wie an der Stereoanlage Früh planen die Piloten gemeinsam eine kleine Routenanpassung. Gewitterwolken drücken nach Süddeutschland. &bdquo;Da will man nicht direkt reinfliegen“, meint Hammerstein. Für die Passagiere soll es möglichst ohne Turbulenzen in den Urlaub gehen und trotzdem wollen sie pünktlich sein, erklärt Co-Pilot de Riese. Die Luftaufsicht gibt ihr Okay und der Kurs wird um ein paar Grad Richtung Westen korrigiert. Eingestellt per Drehregler, wie am Lautstärkeknopf einer Stereoanlage. Auch die Höhe legen die Piloten so fest. Die geplante Ankunft um 7 Uhr in Palma ist nicht gefährdet. Manche Mallorca-Passagiere müssen ein Kreuzfahrtschiff erreichen. Die Pünktlichkeit ist eine wichtige Währung im Reisebusiness. Piloten im Charter- und Liniengeschäft sind ein Rädchen in dieser gewaltigen Branche. Auch bei der Tui, größter Tourismuskonzern der Welt, geht es um Auslastung, Kosten, Effizienz. Im Cockpit sind Quartalsergebnisse, Strukturanalysen und Vertriebsstrategien aber ziemlich weit weg. Hammerstein und de Riese genießen die Oase über den Wolken. Vor sich nichts als den Himmel – und eine mächtige Maschine unter Kontrolle. Sie haben beide schon größere Flugzeuge gesteuert, viele Länder gesehen, am Ende ist es aber die Faszination des Fliegens selbst, die sie immer wieder antreibt. "Wir überlassen nichts dem Zufall" Dass Piloten 2011 erstritten haben, statt bis 60 auch bis 65 Jahre arbeiten zu dürfen, finden beide spitze. &bdquo;Viele von uns wollen bis zur Altersgrenze fliegen. Der Job ist einfach zu schön“, sagt Hammerstein. Trotzdem verlange er Körper und Geist auch einiges ab. &bdquo;Wir sind im Cockpit immer auf Empfang, Du musst zügig reagieren und immer vorausdenken. Wir überlassen nichts dem Zufall und planen vor. Dazu kommt die ständige Geräuschkulisse. Die Mehrfachbelastung schlaucht. Nach einem Arbeitstag bist du platt.“ Für die Landung in Palma schaltet er in 1.000 Metern Höhe vor dem Ziel dann den Autopiloten ab und übernimmt das Steuer. &bdquo;Die Fliegerei ist auch bei uns immer noch ein Handwerk“, sagt der Käpt’n. Als er wenig später am Boden für den obligatorischen Außencheck den Jet kurz verlässt, ist das kleine Mädchen längst ausgestiegen – voller Vorfreude auf dem Weg ins Ferienhotel. Hammerstein fliegt noch zurück und freut sich um 11 Uhr über den Feierabend. Seine letzte große Etappe des Tages ist aber auch nicht ganz ohne – über die A2 und die A33 geht es im Auto zurück ins Paderborner Land.

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