Paderborner Theater singt das Hohelied auf das einfache Leben

Paderborn. Was braucht Mensch zum Glücklichsein? Nicht viel, wie die Komödie "Hase Hase" zeigt. Die jüngste Premiere des Paderborner Theaters dreht sich um eine Familie, die jedes noch so große Problem mit Leichtigkeit bewältigt und gerne auch mit einem Wein hinunterspült. Regisseurin Patricia Benecke macht die ernste Thematik - soziale Missstände - durch seichten Humor zu einem leichten Theaterhäppchen. Mit einem Juliette-Greco-Lied stimmt das bunte Trüppchen das Publikum im Großen Haus auf das Gute-Laune-Stück ein. Dabei geht alles daneben: Papa Hase (Alexander Wilß) ist kurz vor der Rente ohne Job, traut es sich aber nicht zu sagen, und schlurft in Pantoffeln durch die Bude. Auch Sohnemann Hase Hase (Kai Benno Vos) hat Geheimnisse - unter anderem, dass er vom Gymnasium geflogen ist, was er zusammen mit seinem Papa verkündet, der seine Arbeitslosigkeit preisgibt. Der ältere Sohn Jeannot (Gregor Weißgerber) kommt nach Hause und wird von der Polizei verfolgt. Denn anders als seine Eltern dachten, ist er nicht als Dolmetscher bei der EU tätig, sondern ein Terrorist. Auch die Tochter Lucie (Johanna Malecki) kehrt heim, nachdem sie kurzfristig ihre Hochzeit platzen lässt. Ihr folgt auch noch der sitzengelassene Bräutigam Gerard (Andreas Kunz), der sich ebenfalls in den bescheidenen Verhältnissen einnistet. Bühnenbild ohne Schnickschnack Nichts läuft rund, doch von Traurigkeit keine Spur. Die Familie ist gut darin, Rückschlägen Lebensfreude entgegenzusetzen. Man rückt eben zusammen. Eine von der Nachbarin Madame Dupperi (Claudia Sutter) geliehene Matratze - und die Welt sieht schon ganz anders aus. Und selbstverständlich ist auch für die einsame Dupperi noch ein Plätzchen im muckeligen Matratzenlager. Birgt der ganz normale Familienwahnsinn doch Nähe und Wärme. Schlichtheit und Pragmatismus bestimmen die bunte und etwas zackige Bühne (Konstantina Dacheva). In zartwarmen Tönen gestrichen sind die Wände, in die Türen und Schränke eingelassen sind. Dazu Tisch, Stühle, Sofa, unnützen Schnickschnack sucht man in der Bude der Hases vergeblich: Geht es ja auch um eine kleinbürgerliche Familie mit Ecken und Kanten. Aus der Not das Beste macht Mama Hase (Carolin Wirth). Auch wenn das Geld nur für Suppen reicht, die alle auslöffeln müssen, hält sie die Familie am Laufen. Wirth ist es auch, die als Anpackerin etwas mehr Raum zur Entfaltung hat. Sutter wiederum hat als liebevoll-schrullige Madame Dupperi einige amüsante Momente. Doch insgesamt bietet diese poppige Inszenierung wenig Potenzial zur Charakterbildung - auch wenn einige Monologe tiefergehende Einblicke ins Innere geben. Niveau von Schenkelklopfer-Boulevardtheater Echte Gesellschaftskritik in einer Komödie: Das kann ganz prächtig funktionieren. Angekündigt wurde vom Theater eine ins Comichafte gehende Inszenierung mit vielen Pointen. Die gibt es auch, man muss sie aber mögen. Die Komödie singt eindringlich das Hohelied auf das einfache Leben. Slapstick und Inszenierung setzen dabei aber stark auf Volkstheater und auf viel Klamauk. Soziale Missstände werden federleicht inszeniert. Allerdings schlägt der Lachpegel nur selten stark aus. Wenn aus Bruno, dem Sohn der Dupperi, zwecks eines Perspektivwechsels Brunette wird mit Kleid und Perücke, dann kommt zwar gerade diese Szene bei einem großen Teil des Publikums gut an. Sie ist aber völliges Schenkelklopfer-Boulevardtheater. Das 1986 uraufgeführte Stück von Coline Serreau behandelt zwar zeitlose und auch heute aktuelle Themen wie Arbeitslosigkeit und das Sich-irgendwie-Durchschlagen. Doch es wirkt an etlichen Stellen eben doch echt 80er: Und nicht nur, weil Sohn Hase Fan von Star Wars und Captain Future ist. Am Ende sind alle glücklich und auch die Hochzeit wird nachgeholt. Zu dieser Zeit hat Hase Hase seine Mission - die Erforschung des menschlichen Wesens - bereits beendet, und er muss zurück in die Ferne. Doch auch dieser verlorene Sohn kommt zurück, weil er die sympathische Normalo-Familie liebt. Mit Eltern, die liebevoll an seinen Ohren reiben.

Meistgelesen