Paderborner Gewerkschaften zum 1. Mai: Keine Bereitschaft zu weiterem Verzicht

Paderborn. Zum "Tag der Arbeit" rufen die Gewerkschaften ihre Mitglieder wieder zu zentralen Demonstrationen und Veranstaltungen auf. Solidarität und Transformation sind die Themen, die in diesem Jahr am 1. Mai in der Paderborner Innenstadt im Mittelpunkt stehen sollen. Von Corona über Energie, Klima, Inflation und bis zum Ukraine-Krieg herrsche ein Dauer-Krisenmodus vor, der sich nicht zuletzt auch auf den Arbeitsmarkt auswirke, sieht Anke Unger die Gewerkschaften in einer wichtigen Rolle. Laut der Regionsgeschäftsführerin des DGB-OWL sei Solidarität eine der Kernbotschaften der acht zugehörigen Arbeitnehmerverbände und stärke deren Zusammenhalt. Insbesondere da die unteren Gehaltsklassen stark von Preissteigerungen betroffen sind. Dies sei bei den jüngst erzielten Tarifabschlüssen deutlich geworden, die nicht zuletzt unter Druck und Mitwirkung der Gewerkschaften zustande gekommen seien. "Es geht nicht darum, einmal weniger im Bio-Laden einkaufen zu können, sondern darum, Familien einen Monat lang zu ernähren", verdeutlicht Martina Schu, Verdi-Bezirksvorsitzende, mit Blick auf die laufenden Verhandlungen im öffentlichen Dienst. Dort werde ein aktuell vorliegender Schlichtungsvorschlag derzeit intern geprüft. Nach Reallohnverlusten von acht Prozent in den vergangenen Jahren sei die Bereitschaft zu weiterem Verzicht nicht mehr vorhanden, so Schu. Für sie seien gute Abschlüsse notwendig, um den sozialen Frieden zu wahren und der Politikverdrossenheit entgegenzuwirken. Als Nächstes stehen für Verdi Verhandlungen im Einzelhandel an, die wohl hart werden würden. In der Branche sei der finanzielle Druck auf die Mitarbeitenden besonders hoch, da viele in Teilzeit beschäftigt seien. Mehr Teilnehmende bei Gewerkschaftsaktionen Mit Blick auf die um gut ein Drittel angestiegene Zahl der Teilnehmenden an den jüngsten Aktionen sieht die Martina Schu die Wirksamkeit der Gewerkschaften bestätigt. Bestärkt werde dieser Eindruck etwa durch die erstmalige Bestreikung des Padersprinter, aber auch vieler weiterer kommunaler Betriebe. Anders sei die Lage bei Erzieherinnen und Erziehern oder dem Pflegepersonal, wo es durch Personalstände an der Mindestbesetzung und Notfallplanungen schwierig sei, Wirkung zu erzielen. Mit Ausständen bei planbarem OP-Personal, Reinigungskräften oder im Abrechnungsbereich, habe man aber Hebel, um Druck auf die Krankenhausträger auszuüben. "Wir haben nicht zu wenige Kräfte in den Kitas oder der Pflege, sondern zu viele, die diesen Bereichen den Rücken zukehren", sieht Schu ein nachhaltiges Problem. Auch aus Sicht der IG Metall gebe es keine leichten Tarifrunden mehr, sieht auch der Erste Bevollmächtigter der IGM, Konrad Jablonski. Dank hoher Aktivität der Mitglieder gehe man gestärkt in Verhandlungen. Jablonski verweist auf den jüngsten Abschluss im Bereich Metall und Elektro, wo es gelungen sei, Lohnsteigerungen, Transformationsgeld und Inflationsausgleiche zu erreichen, von denen besonders die unteren Einkommen profitieren. Demnächst folgen Verhandlungen im Kfz- und Schlosserhandwerk und auch im Bereich Leiharbeit sei man über die entsprechenden Branchen in Verhandlungen eingebunden. Die Transformation des Automobilsektors hin zur Elektromobilität ist für Jablonski ein Schicksalsthema besonders im Bereich der Zulieferer, allein bei Benteler sind in der Region 5.500 Mitarbeitenden beschäftigt. Bei der Wandlung brauche es eine "vernünftige Entwicklung und den Erhalt der Betriebe". Bei der zukünftigen Ausrichtung dürfe der Aspekt der Ausbildung von Fachkräften zudem nicht aus den Augen verloren werden. Feiertag umfasst mehr als nur "Chillen und Grillen" "Der 1. Mai ist nicht nur ein Feiertag zum Chillen und Grillen", fasst es Rudolf Bücker, Vorsitzender des DGB-Kreisverbands Hochstift Paderborn, es gehe auch darum, die Wirksamkeit der Gewerkschaften in sozialen Fragen zu zeigen. Ob Studierende, Arbeitnehmer oder Rentner, solidarisches Denken müssen Brücken schlagen und sich Neiddiskussionen in der Gesellschaft entgegenstellen. Eine solidarische Rente, in die auch Selbstständige einzahlten, könne dabei hilfreich sein, wirbt Bücker. In Paderborn geht es um 10 Uhr mit der Demonstration und Kundgebung unter dem Motto "Solidarität&Gemeinschaft" auf dem Rathausplatz los. Gegen 10.45 Uhr geht es dann auf dem Schulhof des Theodorianums am Kamp mit einem Familien- und Kulturfest weiter. Dort wird dann Walburge Erichsmeier vom Verdi-Bezirk OWL die Mairede halten. In einem Gesprächsformat wollen DGB-NRW-Vertreter Jörg Weingarten und der Landesvorsitzende der NRW-Grünen, Tim Achtermeyer, über das Thema der Transformation diskutieren. Zum Rahmenprogramm gehören außerdem Live-Musik, Kinderprogramm und Aktionen der IG-Metall-Jugend. Neben den Gewerkschaften werden sich in diesem Jahr am Theo auch weitere Organisationen mit Infoständen präsentieren.

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