Zwei Paderborner berichten: Wie Depressionen das Leben umkrempeln

Paderborn. Andrea Ellerbrok fühlte sich wie ein Kaninchen in Schockstarre. Panikattacken, Antriebslosigkeit und Unruhe begleiteten sie. Mittlerweile kennt sie die Ursache. Sie leidet an Depressionen. Genau wie Thomas Brockmann. Los ging es bei ihm mit einer Wochenbettdepression. Die beiden Paderborner erzählen ihre Geschichte im Rahmen der Aktion "Wir haben Depressionen" - eine gemeinsame Recherche von "Radio Hochstift" und der "Neuen Westfälischen". Als zähen und langen Weg beschreibt Andrea Ellerbrok ihre Zeit bis zur Diagnose. Sie arbeitet als Ambulanzlehrerin an der Paderborner Pauline-Schule. Die Depression hat sie in ihrem Leben schon lange schleichend begleitet, sagt sie heute. Mit Ende 20 erlebte sie eine schwierige Trennung. Zehn Jahre später starb ihr bester Freund an Bauchspeicheldrüsenkrebs. Diese Verluste wertet Ellerbrok heute als Trigger, also als Auslöser für ihre Erkrankung. "Ich hatte einen Haufen körperlicher Symptome von Untertemperatur, Magen-Darm-Problemen bis hin zu Herzrasen. Dann lief ich von Arzt zu Arzt", erinnert sie sich. Keiner habe eine psychische Ursache in Erwägung gezogen: "Ich denke, vielen Ärzten fehlt an der Stelle die Sensibilisierung", kritisiert sie mit Blick auf das Thema Psychosomatik. Sie ist heute verheiratet und hat drei Kinder Traurigkeit und Antriebslosigkeit wurden ein großer Bestandteil ihres Alltags, so Ellerbrok, die heute verheiratet ist und drei Kinder hat. Ein Moment ist ihr besonders im Gedächtnis geblieben: Als sie eines abends beim Spülen anfing zu weinen. "Ich konnte nicht mehr aufhören. Es war wie beim Zwiebeln schneiden." Während die Paderbornerin von dieser schweren Zeit spricht, reibt sie ihren Daumen gegen ihren Zeigefinger. Dann legt sie ihre linke Hand auf den rechten Handrücken - fast so, als würde sie sich damit selbst zusammenhalten wollen. Wenn die 53-Jährige über ihre Familie spricht, lächelt sie. "Sie sind mein Anker. Meine Kinder haben meine Depression stark miterlebt, auch wenn sie da noch klein waren." Mittlerweile können sie damit sehr gut umgehen, sagt Ellerbrok. "Und ich möchte, dass sie etwas daraus lernen." Lesen Sie alle Artikel des Themenschwerpunktes "Wir haben Depressionen" hier Ellerbrok hat ihrer Krankheit Raum in ihrem Leben geschaffen, sagt sie. Seit über zehn Jahren ist sie in therapeutischer Behandlung und nimmt mittlerweile auch Antidepressiva. Sie hat sich ein Island-Pony gekauft. Einen Ausgleich schaffen, Raum für die eigenen Bedürfnisse - das sei zentral. "So wie jetzt, so darf es bleiben." Wochenbettdepressionen bei Vätern sind ein Tabu-Thema Auch Thomas Brockmann leidet an Depressionen. Es ging los mit einer Wochenbettdepression. Ein stark tabuisiertes Thema: Denn viele schreiben Wochenbettdepressionen den Müttern zu, nicht den Vätern. "Die Geburt eines Kindes ist das Schönste der Welt. Aber ich bin an meinen eigenen Erwartungen gescheitert", ordnet Brockmann ein. Der 41-Jährige arbeitet als Kundenberater einer Krankenkasse. Zudem ist er Adjutant im Paderborner Bürger-Schützenverein. Damit gehört er zur engeren Führungsriege. Wie viele andere Betroffene, sorgt er sich, in seinem privaten Umfeld auf die Diagnose Depression reduziert zu werden. "Aber ich will dazu beitragen, dass das Thema aus der Tabuzone gerückt wird." Brockmann kämpfte mit einer großen Traurigkeit, weinte viel. Wenn er von dieser Zeit erzählt, wippelt er mit den Beinen auf und ab. Unruhe macht sich bei ihm breit. Ruhiger wirkt der Paderborner, wenn er von der Gegenwart spricht. Nachdem seine Frau ihm sagte: "Hol dir Hilfe", griff Brockmann zum Telefon. Die Terminservicestelle der Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen Lippe (KVWL) vermittelte ihm ein Erstgespräch, also einen Termin für die sogenannte Psychotherapeutische Sprechstunde. Seitdem macht er eine Therapie. Grund für die Depression ist ein Schicksalsschlag Mit einer "neutralen Person" zu reden, das hilft Thomas Brockmann am meisten, sagt er. Antidepressiva nimmt er nicht, "mir reichen die Gespräche". In der Therapie lernte er Methoden, sich auszudrücken. Er schreibt Briefe, bringt seine Gedanken zu Papier. Zudem weiß er nun, dass die Geburt seiner Tochter nur der Auslöser war, um sich Hilfe zu suchen. Grund für die Depression ist ein Schicksalsschlag, der weit zurückliegt und von ihm verdrängt wurde. Mittlerweile hat Brockmann geübt, seine Gefühle nicht mehr zu unterdrücken: "Ich habe viel gelernt. Zum Beispiel: Wenn du weinen musst, dann weine. Es löst den Druck und das tut dir gut."

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