Briten rüsten für die Senne bei Paderborn auf

Kreis Paderborn. Als der Donnerstag in der Normandy-Kaserne beginnt, ist es ein ganz normaler für Colonel Tim Hill. Der Kommandeur der britischen Truppen in Sennelager hat zum Medientag eingeladen. Er will Türen öffnen, erklären und Fragen beantworten zur Senne und dem Geschehen auf dem Truppenübungsplatz. Am Abend desselben Tages hat Hill einen neuen Commander-in-chief. Die Königin ist tot, es lebe der König. Viel zu verdauen für die Soldaten – doch an den Absichten für die Senne ändert der neue Regent nichts. Hill macht klar, dass die rund 230 Uniformierten an den Kasernen in Sennelager (Normandy und Athlone) bleiben und eher mehr werden. Die Senne ist für London gerade in Zeiten eines aggressiven Russlands ein bedeutender Außenposten. &bdquo;Wir können nur verlässlich abschrecken, wenn wir über gut vorbereitete Truppen verfügen. Darum geht es hier in der Senne“, sagt Hill und meint nicht nur britische Soldaten. Übungsbetrieb An 46 Wochen pro Jahr ist Übungsbetrieb in der Senne erlaubt. Die Trainingsareale seien nahezu ausgebucht. Nach den Briten (10.000 Soldaten pro Jahr) sei die Bundeswehr am häufigsten im Gelände (bis zu 4.000 Soldaten). Geübt hätten zuletzt auch Niederländer, Belgier und Dänen. Im Oktober trainiert auch die GSG 9, die Spezialeinheit der Bundespolizei hier. Nächtliche Schießtrainings sind erlaubt, sollen aber, wie anderes Scharfschießen, angekündigt werden, wenn sie Nachbarkommunen stören könnten, verspricht Hill. Bei einer anstehenden Großübung im Herbst soll es kein Scharfschießen geben, erwartet werden 3.200 Soldaten. Ausstattung Seit Oktober 2021 heißt die britische Niederlassung in Paderborn &bdquo;Nato Forward Holding Base“. Sie ist als Bevorratungsposten für schweres Gerät vom Verteidigungsministerium konzipiert. Dabei geht es nicht nur darum, Equipment für Senne-Übungen zu lagern. &bdquo;Wir können Fahrzeuge und Ausstattung vorhalten, um zügig zwei Brigaden für den Einsatz auszustatten“, sagt Oberst Hill. Eine Brigade umfasse bis zu 5.000 Mann. Bis zu 400 Fahrzeuge, gepanzert oder in leichter Ausführung, kann die Athlone-Kaserne in Mastbruch aufnehmen – dem Bahnanschluss in Sennelager sei Dank. Es ist weltweit der größte Fahrzeug-Außenposten außerhalb des Vereinigten Königreichs. Aktuell herrscht in den Kasernen aber Leere. Viele Panzer sind für Übungen in Polen und Estland unterwegs. Fluggerät ist nicht fest in der Senne stationiert. Der frisch eingezäunte Flugplatz bei Bad Lippspringe ist aber bereit, falls er benötigt wird. Die für November zunächst angekündigten britischen Kampfhubschrauber vom Typ AH64 Apache, so Hill, hätten ihre Ankunft jedoch wieder abgesagt. Insgesamt, meint der Kommandeur, sei der Standort gut aufgestellt, um seinen Teil zur Sicherung Europas beizutragen. Der Krieg in der Ukraine habe an den Sennemanövern bislang nichts geändert, lediglich etwas Ausrüstung sei nach Estland verlegt worden. Virtuelles Große Bedeutung für die britische Armee hat in Sennelager ein zwei Fußballfelder großes Trainingszentrum für virtuelle Übungen von Gefechten. Nur zwei dieser Hallen (zusammen 240 Million Pfund) besitzen die Briten: eine in Sennelager, eine in Südengland. Hier wie dort ist in 150 Kabinen das Innenleben von Panzern nachgebaut. Soldaten können virtuell trainieren. Es ist ein Computerspiel mit realem Hintergrund, für viel Geld gebaut vom US-Rüstungshersteller Lockheed Martin. In Europa stationierte US-Soldaten kommen ebenfalls, um sich hier fortzubilden. Zukunftspläne Die Zahl der in Sennelager stationierten Soldaten soll nach Informationen von Army-Sprecher Mike Whitehurst in den kommenden Jahren auf etwa 300 steigen. Zudem habe London beschlossen, in den kommenden zehn Jahren 83 Millionen Euro in die Infrastruktur der drei NRW-Standorte zu investieren. Sennelager ist dabei mit Abstand der bedeutendste. &bdquo;Ich denke, wir werden für absehbare Zeit hierbleiben“, sagt Hill und nennt als Zeitraum mindestens 25 Jahre. Ein Feind werde in Übungen übrigens nicht ausdrücklich genannt. Doch Hill sagt: &bdquo;Es wäre naiv, nicht zu sehen, dass derzeit alle Augen auf Russland gerichtet sind.“ Landschaftspflege Um die 125 Quadratkilometer Sennelandschaft kümmert sich im Auftrag der Briten der Bundesforst. Er ist eine Abteilung der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BImA) und erhält aus London Geld für Gerät und Personal, um den Truppenübungsplatz für den Militärbetrieb zu erhalten. Rund 800.000 Euro flössen jährlich ins Personal, jüngst seien zudem Traktoren und Zubehör für mehr als eine Million Euro beschafft worden. Von 6.000 Hektar Freiflächen würden jährlich bis zu 1.500 gemäht, gemulcht oder abgebrannt, erläutert Jürgen Rost, Leiter des Bundesfortbetriebs Rhein-Weser. Die Militärnutzung ist in seinen Augen ein &bdquo;Glücksfall“ für Natur- und Artenschutz. &bdquo;Würde man die Senne sich selbst überlassen, wäre es der falsche Weg. Alles würde heillos überwuchert und die Zahl der Arten würde zurückgehen“, hält er wenig von einem Nationalpark Senne. Feuerwehr Der Defence Fire und Rescue Service schützt seit 1953 Übungsplatz und Kasernen vor Bränden und anderen Notfällen. 30 Feuerwehrleute und zwei Standorte werden von Ralf Husemann geführt. Das Team freut sich auf neue Fahrzeuge. Nachdem klar war, dass die Armee nicht komplett abzieht, gab es grünes Licht für vier Anschaffungen. Im Umkreis von drei Kilometern unterstützt die Kasernenwehr auch die zivilen Kameraden in Paderborn. Colonel Tim Hill verlässt die Armee Anfang 2023. Bis dahin dient er König Charles III. Queen Elizabeth II. begegnet er solange weiter auf einem Foto in der Offiziersmesse. Genau hier dinierte sie 1965 beim Besuch in Sennelager.

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