Stand-Up-Paddling auf dem Lippesee: Herausfordernder als es aussieht

Paderborn. "Dann wäre das also erledigt", höre ich Rudi noch zufrieden sagen, als ich das Gleichgewicht verliere. Kurz darauf plumpse ich unbeholfen in den von der Sonne angenehm aufgewärmten Lippesee. Dass ich nach der Rückkehr auf das Board zunächst wie eine ungeschickte Robbe auf einer Eisscholle wirke, beobachtet Rudi, der eigentlich Rudolf Fafflok heißt und SUP-Trainer ist, ziemlich interessiert. Nicht aus Schadenfreude. Sagt er jedenfalls. SUP ist die Abkürzung für Stand-Up-Paddling. Einer aus dem Surfen entstandenen Sportart. Ziel ist die Fortbewegung auf einem Brett mit Hilfe eines Stechpaddels. Im besten Fall natürlich stehend und ohne Abgang zwischendrin. Aber das eigenständige Klettern aus dem Wasser zurück auf das Board ist nun mal Teil des 75-minütigen Einsteigerkurses, den ich gerade absolviere. Macht auch Sinn. Denn wer allein unterwegs ist und ins Wasser fällt, muss sich schließlich selbst helfen können. "Ich persönlich mache das sehr gerne alleine, weil ich sonst immer unter vielen Menschen bin. Das ist gut zum Runterkommen", erzählt Rudi. Der 55-jährige Paderborner ist im Hauptberuf Flugbegleiter bei einer großen deutschen Airline. Nachdem er bereits als kleiner Junge mit dem Windsurfen begonnen hat, betreibt er nun seit zehn Jahren intensiv Stand-Up-Paddling. Am Anfang war er durchaus skeptisch. "Als Surfer habe ich das belächelt und mich gefragt, was die Leute daran finden, auf einem Board mit Paddel zu stehen." Damit rennt er bei mir offene Türen ein. Vom Ufer aus habe ich Stand-Up-Paddling ebenfalls noch nie als echte Sportart wahrgenommen, sondern bestenfalls als Surfen für Arme. Auf jeden Fall ohne großen körperlichen Anspruch. Während der ausführlichen theoretischen Einweisung und den Trockenübungen vor Rudis Container am Bistro Seemöwe in Sande ändert sich diese Einstellung zunächst nicht. Als Rudi die Anfrage eines Anfängers zum Mieten eines Boards ablehnt, weil es angeblich zu windig ist, denke ich überheblich: "Was für ein Wind denn? Ist doch nichts." Am Anfang geht es auf Knien raus auf das Wasser Auf dem Wasser habe ich diese Meinung bereits nach kurzer Zeit - im wahrsten Sinne des Wortes - über Bord geworfen. Dabei stehe ich noch nicht mal, sondern paddel nur auf den Knien sitzend vor mich hin. Das ist Teil des Anfängerkurses und für den Moment herausfordernd genug. Denn der von Land aus gar nicht so stark wahrgenommene Wind, erschwert das erstmalige Lenken des Boards ungemein. Erst Recht, als Rudi mich zum Aufstehen auffordert. Das haben wir zwar auf dem Trockenen geübt, doch wie war das noch mal genau? Wo stehen die Füße auf dem Brett? Wo befindet sich das Paddel? Irgendwie schaffe ich es aber in den Stand. Im Gegensatz zu Rudi, der lässig auf seinem Brett steht und von dort aus mit angenehm ruhiger Stimme Anweisungen gibt, versuche ich nach dem Aufstehen zittrig und bedrohlich von links nach rechts schwankend, die Balance zu halten. Allein das kostet Kraft und Ausdauer - vom Ziehen des Paddels durch das Wasser sowie den verschiedenen Techniken zum Wenden und Kurvenfahren mal ganz abgesehen. Der Schweiß rinnt dabei von meiner Stirn. Spezielle Anfängerkurse für Menschen ab 50 "Jetzt wäre ein guter Zeitpunkt zum Bremsen", sagt Rudi auf einmal. Ich blicke mich um und in der Tat: Bei all den neuen Handgriffen, die meine ganze Aufmerksamkeit erfordern, bin ich einem Bootssteg unbemerkt zu nah gekommen. Schnell das Paddel senkrecht ins Wasser stechen, um anzuhalten. Irgendwie halte ich mich trotz dieses abrupten Manövers noch auf dem Board und kann den ungewollten Tauchgang vermeiden. Jetzt verstehe ich aber, warum Rudi kein Equipment an Anfänger rausgeben wollte. Alleine wäre ich jetzt völlig überfordert. Dabei ist Stand-Up-Paddling prinzipiell auch für Leute in fortgeschrittenerem Alter, noch eine gute Möglichkeit Sport zu treiben. "Ich gebe spezielle Anfängerkurse für Menschen über 50. Das ist der am besten laufende Kurs. Meine älteste Teilnehmerin war 73", erzählt Rudi. Viele in der Altersgruppe fänden es zudem gut, dass sie von jemandem im selben Alter unterrichtet würden und keine Sorge haben müssten, dass sie abgehängt würden. Facettenreichtum des SUP fasziniert Auch bei mir stellen sich nach relativ kurzer Zeit die ersten kleinen Erfolge ein. Trotz des Windes stehe ich immer sicherer auf dem Brett. "Man kann es sehr sportlich betreiben und sich beim schnellen Paddeln auspowern, aber auch sehr ruhig und das Naturerlebnis genießen", erklärt Rudi, dass ihn nach seiner eigenen anfänglichen Skepsis mittlerweile der große Facettenreichtum des Stand-Up-Paddling fasziniert. Die Seele baumeln lassen und die Natur genießen kann ich während des Paddelns zwar noch nicht – zu sehr muss ich mich auf die Basics konzentrieren. Doch neben dem Sportcharakter habe ich zumindest eine Ahnung vom Entspannungspotenzial bekommen, welches im Stand-Up-Paddling steckt. Und der Anfängerkurs hat immerhin ausgereicht, um meine Vorurteile gegenüber dieser Sportart auszuräumen. Es wird definitiv nicht bei dem einen Versuch bleiben.

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