Schwerverletzte Joggerin: Urteil gegen Hundebesitzer

Paderborn/Lichtenau. Sie wollte nur zum Wochenausklang eine Runde joggen gehen. Doch ihr Ausflug an einem lauen Sonntagabend im September endete für Susanne A. (alle Namen geändert) in einem Albtraum. Die damals 58-Jährige hatte ihre Runde fast beendet, als sie plötzlich von hinten angesprungen und zu Boden geschleudert wurde. Vier große Hunde hatten sich auf sie gestürzt und verbissen sich in ihrem Körper. Susanne A. fürchtet um ihr Leben, schreit um Hilfe. Doch es dauert, bis der Hundebesitzer seine Tiere endlich in den Griff bekommen hat. Im Krankenhaus wird das ganze Ausmaß der Attacke deutlich: Die Ettelnerin ist schwer verletzt, hat zahlreiche tiefe Biss- und Kratzwunden sowie mehrere Quetschungen am ganzen Körper erlitten. Eine Woche liegt sie im Krankenhaus, muss in dieser Zeit zwei Mal operiert werden und kann erst mehrere Monate später wieder arbeiten.An den Folgen leidet sie noch heute, fast ein halbes Jahr nach dem Vorfall: Sie habe immer noch Schmerzen in der nur langsam heilenden großen Wunde am Oberschenkel und am Fuß, eine andere Stelle ist seitdem taub. Die Narben an ihrem Körper reichen "vom Fuß bis zum Hals". Doch der schicksalhafte Abend hat nicht nur körperliche Spuren hinterlassen: "Wenn ich Hunde sehe, wechsele ich die Straßenseite", schildert Susanne A. die psychischen Folgen des Hundeangriffs. Die Frau aus Etteln sprach als Hauptzeugin im Paderborner Amtsgericht, wo sich der Hundehalter am Mittwoch wegen des Verdachts der fahrlässigen Körperverletzung, so der Vorwurf der Staatsanwaltschaft, verantworten musste. Im Falle einer Verurteilung standen eine Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren oder eine Geldstrafe im Raum. Bei der Verhandlung wird deutlich, dass das Ereignis dem an Schicksalsschlägen offenbar nicht armen Leben des Lichtenauer Hundezüchters eine weitere tragische Facette hinzugefügt hat. Der 1958 geborene Detlef M. hinterlässt auf der Anklagebank den Eindruck eines gebrochenen Mannes."Die Hunde sind mein Alles" Beide Kinder sind bereits verstorben, von seiner Frau ist er geschieden, lebt heute von Mieteinnahmen. "Die Hunde sind seine Familie", sagt Verteidiger Gordon Frohe und M. bestätigt: "Sie sind mein Alles." Doch genau dieser Lebensinhalt wurde dem gelernten Gas-Wasser-Installateur, der seit Längerem erwerbslos ist, entzogen. Kurz nach der Beißattacke wurde ein Haltungs- und Führungsverbot gegen Detlef M. erlassen, seine vier Briards sind seitdem im Tierheim untergebracht. Sein Mandant leide außerdem unter dem öffentlichen Druck, seit der Fall bekannt geworden sei, berichtet Verteidiger Gordon Frohne. Der Lichtenauer habe Drohbriefe bekommen, in denen ihm nach dem Leben getrachtet werde. Detlef M. hält das nicht mehr länger aus: Er habe sein Haus verkauft und wolle wegziehen. "Sie hätten das verhindern können" Dabei ist der Hundehalter aber auch kein unbeschriebenes Blatt. In den vergangenen Jahren hatte es immer wieder Beschwerden über die Briards des Mannes gegeben, mehrere Beißvorfälle sind aktenkundig. Detlef M. musste Verwarn- und Ordnungsgelder zahlen, wurde einmal wegen eines solchen Vorkommnisses verurteilt. Eine weitere Verurteilung gab es vor fünf Jahren wegen Beleidigung. Für seine auffälligen Tiere galt eigentlich eine Maulkorb- und Anleinpflicht. "Sie hätten diese Verletzungen also verhindern können", folgerte der Staatsanwalt. Die Verteidigung hingegen spricht von tragischem "Augenblicksversagen". Detlef M. sei nach einem Spaziergang gerade dabei gewesen, seine Hunde abzuleinen, damit sie ins Auto springen konnten. Weil er sich gebückt habe, um ihr langes Fell nach Kletten abzusuchen, habe er die in dem Moment vorbei joggende Susanne A. nicht sehen können - und sie ihn und die Hunde auch nicht. Als sie dann plötzlich los liefen, "konnte ich sie nicht halten", so M., der sich bei dem Opfer entschuldigte. Das Urteil Dass er sich einsichtig zeigte, sich aufrichtig entschuldigte und durch den Hundeentzug schon gestraft sei, berücksichtigte Richter Michael Vondey im Strafmaß, bei dem er dem Antrag der Verteidigung folgte. Er verurteilte Detlef M. zu einer Geldstrafe in Höhe von 120 Tagessätzen zu je 30 Euro. Der Angeklagte ist damit vorbestraft. Die Staatsanwaltschaft hatte eine Freiheitsstrafe von fünf Monaten sowie eine Geldstrafe in Höhe von 2.000 Euro beantragt. Für Detlef M. geht die Auseinandersetzung mit der Justiz noch weiter. Er kämpft um seine Hunde und hat bekanntlich Klage gegen das von der Stadt Lichtenau erlassene Haltungs- und Führungsverbot eingereicht. Hier sei das zuständige Verwaltungsgericht Minden noch "im Entscheidungsprozess", sagte Richterin Mareike Handke auf Anfrage von nw.de. Die Entscheidung des Amtsgerichts spiele für das Verfahren jedoch keine Rolle.

Meistgelesen