Kita-Beschäftigte im Streik: "Das System laugt uns aus"

Paderborn. Trösten, füttern, wickeln, Nasen putzen, Erbrochenes wegwischen - und dann noch jedes Kind individuell fördern, seine Entwicklung dokumentieren, Elterngespräche führen, die pädagogische Arbeiten planen sowie obendrein noch netzwerken. Und das in viel zu großen Gruppen, bei hoher Lautstärke und mit viel zu wenig Personal.So schildert eine Paderborner Kita-Leiterin den Alltag in den Einrichtungen. Ihr Fazit: "Dieses Kita-System laugt uns aus." Um der Forderung nach besseren Arbeitsbedingungen Nachdruck zu verleihen, traten am Dienstag zum Weltfrauentag rund 150 Kita-Beschäftigte in den Streik. Aufgerufen dazu hatte die Gewerkschaft Verdi nach der gescheiterten ersten Tarifrunde.Die Streikenden kamen überwiegend aus 21 städtischen Kitas in Paderborn, vereinzelt waren jedoch auch Kitas beispielsweise in Büren und Salzkotten bestreikt worden. Ihnen allen verlieh Claudia Steinmann, Leiterin der Kita Elser Heider, eine Stimme. Der Zustand der Bildungseinrichtung Kita sei "katastrophal", weil die notwendigen Rahmenbedingungen in den vergangenen Jahrzehnten nicht mit den hohen Ansprüchen mitgewachsen seien. So würden Kinder in zu großen Gruppen betreut. Zweijährige in eine Gruppe mit 22 Kindern zu stecken, "grenzt fast an Kindeswohlgefährdung", sagte die Kita-Leiterin aus Elsen. Wenn dann die personelle Decke schlecht sei, folge eine Überbelastung für alle Beteiligten."Das ist eine gefährliche Spirale" Grundsätzlich sei die Situation mehr als angespannt: "Wenig Personal soll viel zu viel leisten und kommt dabei fast täglich an die Grenzen." Das mache auf Dauer krank; viele Beschäftigte seien erschöpft und entmutigt. Steinmann berichtet von einem hohen Krankenstand in Folge der Überlastungen. Sie frage sich jeden Morgen, wie viele Kolleginnen wohl krank seien und wie sie die Löcher stopfen könne, damit der Laden überhaupt laufe. Teilweise wollten junge Mitarbeiterinnen bereits nicht mehr in Vollzeit arbeiten, weil sie so ausgelaugt seien, dass sie ihre Gesundheit in Gefahr sehen würden. "Dabei haben sie kürzlich noch für diesen Beruf gebrannt", so Steinmann. Es falle ihr schwer, Praktikanten zu überzeugen, sich in diesem System ausbilden zu lassen. Die Kita-Leiterin lobte den "Brandbrief", den die Bürgermeister des Kreises Paderborn kürzlich an das NRW-Familienministerium geschickt hatten, um auf die dramatische Situation in den Kitas aufmerksam zu machen. Steinmann forderte die Rathauschefs aber auch auf, weiterhin alles dafür zu tun, damit sich die Situation in den Kitas bessert. Die Rahmenbedingungen müssten so gestaltet werden, dass "wir endlich unseren Job für die Kinder und Familien so gut machen können, wie diese es verdient haben". Verdi-Bezirksgeschäftsführerin Martina Schu hatte den Warnstreik zuvor als "ganz wichtige Auseinandersetzung" bezeichnet. Es fehle an gesellschaftlicher Wertschätzung, guter Bezahlung und hohem Personalmangel. "Das ist eine gefährliche Spirale, die in die Arbeitsarmut führt." Davon seien dann vor allem Mütter betroffen, sagte Schu mit Blick auf den Weltfrauentag. Die Gewerkschafterin räumte ein, dass es im Angesicht des Kriegs in der Ukraine nicht leicht sei, über Geld zu sprechen. Sie wies jedoch daraufhin, dass wie schon in der Flüchtlingsbewegung 2015 und 2016 die Beschäftigten im sozial- und Erziehungsdienst ihren Beitrag leisten würden, um diesen Familien beizustehen und Kindern trotz schwerer Kriegstraumata zu ermöglichen, eine neue Heimat zu finden. "Das ist eine schwere Aufgabe, der sie sich auch diesmal wieder stellen werden", betonte Schu. Als Zeichen der Solidarität bildeten die Streikenden mit bunten Regenschirmen das Peace-Zeichen.

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