Eine Fachkraft für 60 Kinder: Kita-Mitarbeiter demonstrieren in Bielefeld

Bielefeld. Drinnen in der Bielefelder Stadthalle wollen die rund 150 Delegierten der NRW-Grünen ihre Landesliste für die vorgezogene Bundestagswahl am 23. Februar aufstellen. Draußen im Regen stehen rund 100 Erzieherinnen und Erzieher aus der Region Spalier und begrüßen im nasskalten Dezemberwetter die auf Einlass wartenden Delegierten mit Plakaten, Trillerpfeifen und Transparenten und fordern die Delegierten auf: &bdquo;Redet mit den Leuten. Bald ist Bundestagswahl.“ Denn die Protestierenden sind sauer, dass die schwarz-grüne NRW-Landesregierung unter Führung des grünen Familienministeriums so eben eine neue Personalverordnung erlassen hat, die es möglich macht, dass in Ausnahmefällen für bis zu sechs Wochen im Jahr nur noch eine sozialpädagogische Fachkraft für bis zu 60 Kinder zuständig sein soll. &bdquo;Das stellt aus Sicht von Verdi eine Gefährdung der Betreuungsqualität und eine unzumutbare zusätzliche Belastung für die Beschäftigten dar“, betont Martina Schu, Bezirksgeschäftsführerin Verdi-OWL, die zu der Protestveranstaltung aufgerufen hat. Mit dieser Maßnahme werde nicht nur die Belastungsgrenze des ohnehin chronisch überlasteten Kita-Personals weiter überschritten, sondern auch das Wohl der Kinder aufs Spiel gesetzt. Das sei das Eingeständnis, dass im Zweifel das Motto &bdquo;Hauptsache aufbewahrt“ und nicht die kindgerechte Erziehung und Bildung gilt“. Keine Lösung des Fachkräftemangels Eine Kritik, die sich auch auf dem Plakat einer Demonstrantin widerspiegelt, auf dem steht: &bdquo;Verwahrung“. Darunter hat sie die Worte &bdquo;Bildung/Erziehung“ durchgestrichen. Die Kritik der Demonstranten entzündet sich aber auch daran, &bdquo;dass die Verordnung, den erweiterten Einsatz von Ergänzungskräften erlaube, die die sozialpädagogischen Fachkräfte ersetzen sollen.“ Das erscheine zwar zunächst pragmatisch, löse aber das Grundproblem des massiven Fachkräftemangels überhaupt nicht, sagt Beate Wernitzsch, die als Personalrätin bei der Stadt Bielefeld auch die Lage in den Kitas mit im Blick hat und &bdquo;kleinere Gruppen fordert“. Das sei die Lösung. &bdquo;Eine Fachkraft für 60 Kinder, das geht überhaupt nicht, das gefährdet das Kindswohl“, kritisiert auch Dominik Middeldorff (33), der als Erzieher in einer Bielefelder Kita arbeitet im Gespräch mit dieser Redaktion am Rande der Protestaktion und beklagt: &bdquo;Bildungsarbeit mit den Kindern ist ja jetzt schon nicht mehr möglich. Ich erlebe immer wieder weinende Kolleginnen, die nicht mehr können angesichts der aktuellen Situation in den Kitas und wie soll das wohl mit dem neuen Betreuungsschlüssel von 1:60 besser werden?“ Mehr Fachkräfte oder aber eben kleinere Gruppen, das wäre der Schlüssel zur Lösung des Problems, aber nicht dieser Verordnung. Lesen Sie auch: Bielefelder Kitas vor dem Kollaps: Träger schreiben Brandbrief an Familienministerin Ministerin verteidigt ihre Verordnung Positionen, die die Protestierenden kurz vor dem Start der Delegiertenkonferenz Josefine Paul auch noch einmal direkt mitteilen können. Denn die NRW-Familienministerin stellt sich - im Gegensatz zu so manchen vorbeihuschenden Delegierten - für eine Viertelstunde der Kritik draußen vor der Tür an ihrer Verordnung. Verteidigt diese, verweist darauf, dass der veränderte Betreuungsschlüssel nur in Ausnahmesituationen gelte und nur für maximal sechs Wochen im Jahr. &bdquo;Die Personalverordnung ist ein weiterer Schritt für mehr Verlässlichkeit und Stabilität des Systems. Ein wichtiges Anliegen sei es, den Kindern und ihren Eltern verlässliche Angebote in den Kitas zu machen und den Einrichtungen Planungssicherheit zu geben“, betont sie ihre bekannte Position, die die umstehenden zur Kenntnis nehmen. Lesen Sie auch: Preisschock für Bielefelder Eltern: Kita-Essen um ein Drittel teurer Am Ende verspricht sie den Protestierenden noch, Vertreter von Verdi zu einem Gespräch nach Düsseldorf einzuladen. Die hatten kritisiert, dass sie im Vorfeld vom Ministerium nicht gehört worden seien, sondern aus der Presse von den neuen Regelungen erfahren hätten. &bdquo;Über die Einladung zum Gespräch freuen wir uns natürlich“, sagt Martina Schu von Verdi am Ende der Protestaktion, &bdquo;aber ich habe wenig Hoffnung, dass die Verordnung zurückgezogen wird und stattdessen ein Dialog mit Fachkräften, den Gewerkschaften, Eltern und Trägern auf Augenhöhe beginnt, um wirklich nachhaltige Lösungen zu finden.“ News direkt aufs Smartphone: Hier finden Sie den kostenlosen Whatsapp-Kanal der NW Bielefeld

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