Arnd Zeigler: "Fußball muss nicht perfekt sein, um unterhaltsam zu sein"

Als der SC Paderborn gegen Werder Bremen spielte, hatte das Spiel viel Platz in Ihrer Sendung. Das lag wahrscheinlich nicht nur am schlechten Rasen in der Benteler-Arena oder dass Ihr Herz dem SV Werder gehört. Das Spiel hatte unheimlich viel zu bieten, ich hatte das Gefühl, Sie hätten damit gerne auch die komplette Sendezeit gefüllt.Arnd Zeigler: Ich kann mich tatsächlich an kein Spiel in der jüngeren Vergangenheit erinnern, in dem so viel drin war. Abgesehen von einem Platzverweis, passierte in den 90 Minuten so ziemlich alles theoretisch Denkbare: Es gab wiederholte Elfmeter, aberkannte Tore und serienweise wunderschöne, anerkannte Tore.Früher hätte man altmodisch gesagt: Werbung für den Fußball. Ich habe mich schon lange nicht mehr von einem Spiel so gut unterhalten gefühlt. Das Hinspiel war auch schon gute Unterhaltung, aber leider nicht aus Bremer Sicht. Es gibt zurzeit ja auch viele Menschen, die die 1. Liga im Vergleich zur 2. Liga etwas mau sehen.Als Sie 2007 mit "Zeiglers wunderbare Welt des Fußballs" gestartet sind, wurde der SC Paderborn noch zur Fußballprovinz gezählt. Werder Bremen war zu dieser Zeit sogar Vizemeister. Jetzt spielen beide halbwegs auf Augenhöhe in der 2. Liga. Ein Schock für echte Werder-Fans?Nein, ich bin alt genug, um das zuvor einzige Zweitligajahr des SV Werder (1980/81. Anm. d. Red.) auch noch erlebt zu haben. Man hat es ja über Jahre kommen sehen, dass es irgendwann in die 2. Liga für Werder gehen könnte. Ähnlich wie beim HSV.Es ist natürlich nicht schön gewesen, aber man hat relativ schnell gemerkt, dass man sich nach schlimmen Jahren in der 1. Liga irgendwie auch auf die 2. Liga freuen kann. Als Bremen das erste Mal in der 2. Liga, damals noch Nord, spielte, hießen die Gegner noch OSV Hannover, SC Herford oder Erkenschwick. Jetzt ist es eine ganz tolle, attraktive Liga.Bei Ihrer Sendung wird natürlich immer aktuell auf den Spieltag reagiert, Szenen und Stimmen gesammelt. Läuft eine Live-Show wie demnächst in der Paderhalle ähnlich ab oder gibt es da das große Zeigler-Überraschungspaket?Die Live-Show sollte ursprünglich tatsächlich eine Bühnenversion der Fernsehsendung sein. Mit jedem Auftritt hat es sich aber mehr und mehr von der ursprünglichen Idee entfernt. Für mich oben auf der Bühne ist es der krasse Gegensatz zur Fernsehsendung. Ich gucke in Gesichter und bekomme direkt Reaktionen. Ich habe viel Zeit, anders als in der Fernsehsendung, die in einer halben Stunde rasend schnell vorbeirauscht. Und es gibt bei der Live-Show keinen Anlass zu aktueller Berichterstattung. Man kann sich deshalb auf Dinge konzentrieren, die langfristig unterhaltsam sind und die vielleicht schon immer interessiert haben. Es ist mit dem Publikum ein gemeinsames &bdquo;Sich-am-Fußball-erfreuen“. Und obwohl bei meinen Auftritten in Hallen in ganz Deutschland Fans von vielen verschiedenen Vereinen sind, gerät man in eine gemeinsame Stimmungslage, weil wir alle die gleichen Dinge am Fußball mögen. Das ist etwas sehr Verbindendes. Und das ist das Schönste an diesen Abenden. Versuchen Sie auch bekannte Fußballer oder Trainer aus der Stadt, wo Sie auftreten, mit einzubinden. Bekommen Lokalmatadoren wie hier zum Beispiel Günter Kutowski, Roger Schmidt oder Daniel Farke auch Platz in der Show? Das versuche ich immer, aber es klappt nicht überall. Es gibt Orte, da spielt die höchste Mannschaft in der Kreisliga B, da wird es dann eher schwierig. Aber in Paderborn wird es einfach. Da gibt es auch Stefan Effenberg, es gibt genügend Anknüpfungspunkte. Und als Werder einen neuen Trainer gesucht hat, hatte ich im Spielertunnel des Stadions einen Smalltalk mit Frank Baumann. Ich habe ihm gesagt: Nehmt doch bitte Ole Werner oder Daniel Farke. Ich bin mit Ole Werner aber sehr glücklich, er ist einer, der dem Verein sehr gut tut. Das hat uns wieder gelehrt, du brauchst einen Trainer, der zum Verein und in die Stadt passt. Deshalb konnte es wahrscheinlich mit Stefan Effenberg und Paderborn auch nicht funktionieren.Aber Daniel Farke hätte ich in Bremen auch spannend gefunden. Ich mag Trainer, die nicht schon bei zig Vereinen waren und ein Dutzend mal mit ihrer Idee gescheitert sind. Und als er in Norwich entlassen wurde, hat die ganze Stadt geweint. Er hat dort also mutmaßlich vieles richtig gemacht.Ihre Sendung ist gerade auch bei vielen Amateurkickern sehr beliebt, weil sie da auch ein Forum bekommen und Sie auch aus der Sicht eines Fans moderieren. Was lieben Sie am Amateurfußball?Beim Amateurfußball kann man sehen, dass Fußball nicht perfekt sein muss, um unterhaltsam zu sein. Man muss nicht Champions-League-Vereine gucken, um wirklich 90 Minuten Spaß zu haben am Rande eines Fußballspiels. Du kannst ein Spiel in der Kreisliga C schauen und juchzen vor Vergnügen, weil das Spiel so toll ist. Es geht nicht um Perfektion beim Fußball, sondern um Herz und Leidenschaft, bei dem was man tut.Und bei meiner Sendung haben Fußballer aus den unteren Ligen auch mal die Chance, ins Fernsehen zu kommen. Auch ohne sie vorzuführen, ich mache mich ja nicht lustig über den unterklassigen Fußball. Du kannst in die kleinsten Orte gehen, die haben ihre eigenen Stars, ihre Vereinskneipe ist das Zentrum ihrer kleinen Welt – das ist wie ein Mikrokosmos. Ich mag es total, da einzutauchen.Ihre Sendung lebt auch von Skurrilitäten, von Versprechern oder interessanten, lustigen Interviews. Im Profifußball gibt es die leider immer weniger, es gibt meistens ausweichende, nichts sagende weichgespülte Antworten. Nervt Sie das? Ja, aber man muss nur etwas gründlicher suchen. Es gibt zum Glück solche Leute wie Urs Fischer oder Christian Streich oder auch Thomas Müller, von dem man interessante Interviews bekommt. Es ist nicht alles schlimmer geworden.Aber die Medienlandschaft hat sich schon grotesk gewandelt. In den ersten Bundesliga-Jahrzehnten war noch alles ungefiltert. Da konnte ein Spieler noch ungebremst eine halbe Stunde dummes Zeug reden. Heute ist man gleich überrascht, wenn mal einer Klartext redet.Ein Highlight in Ihren Sendungen ist immer das Kacktor des Monats. Letztes Jahr im Juli hat sogar ein Spieler aus dem Kreis Paderborn vom FSV Bad Wünnenberg-Leiberg gewonnen. Stolz hat er die Klobrille entgegengenommen. Mittlerweile nehmen sogar Profifußballer diese besondere Auszeichnung mit Humor. Gab es da auch mal einen Spieler, der das gar nicht lustig fand? Ja, Mark Flekken als Torwart des MSV Duisburg. Aber dafür habe ich auch Verständnis. Er hat während des Spiels etwas aus seiner Trinkflasche getrunken und dabei nicht gesehen, dass schon ein Angriff auf sein Tor zurollt. Er fand das zwar auch lustig, wollte mit der Auszeichnung aber nicht vor die Kamera. Es ist aber schön, dass sich der Begriff Kacktor so verselbstständigt hat. Als ich diese Rubrik vor zehn Jahren vorgeschlagen habe, hatte mein Redakteur noch Bedenken wegen der Nennung des Wortes &bdquo;Kacktor“ in einer Fernsehsendung. Jetzt ist der Begriff völlig etabliert und schon ein Markenzeichen geworden. Und diese Rubrik ist auch eine Hommage an die kleinen Ligen. Das gemeinsame Erfreuen am nicht ganz so perfekten Fußball, der trotzdem großartig sein kann. Sie haben als Jugendlicher Fußball gespielt in ihrem Heimatort Kirchweyhe. Haben Sie auch mal ein Tor erzielt, das die Qualität eines Kacktores hatte? Ich mag das gar nicht sagen, aber ich habe in meiner gesamten Jugendfußballkarriere nicht ein Tor geschossen. Auf dem Bolzplatz und in der Halle gelangen mir immer mal Traumtore, die ich heute noch aufmalen könnte – aber wenn es ernst wurde, war ich meilenweit von einem solchen Triumph entfernt.Ich war rechter Verteidiger und auch kein guter Fußballer. In der C-Jugendzeit war ich der Kleinste, der Jüngste und der Langsamste. Das ist keine so gute Kombination. Ich hatte mit Sicherheit jede Menge Kackaktionen, aber kein Kacktor.Bei Fußballern fragt man auch gerne wie lange der Vertrag noch läuft. Wie sieht es bei Ihnen aus? Als Alternative: Der SC Paderborn sucht nach einem Greenkeeper. Wir haben Handschlagverträge von Jahr zu Jahr. Das Thema hat sich in den letzten Jahren ein bisschen zu Gunsten meiner Redaktion gewendet. Früher wussten wir nicht, ob es die Sendung in der nächsten Saison noch gibt. Denn als die Sonntagsspiele hinzukamen, gab es zuweilen auch weniger fußballaffine Programmverantwortliche, die gerüchteweise schon mal darüber nachdachten, ob man wirklich zwei Fußballsendungen am Sonntag braucht.Wir waren gelegentlich von der Abschaffung bedroht, aber mittlerweile haben wir unser Biotop im WDR-Programm gefunden, und sehr viele Fußballfans halten uns für schützenswert. Für viele Menschen ist die Sendung ein festes Ritual und ich hoffe, dass wir in der Summe noch einen ganz langfristigen Vertrag haben. Auch weil mir diese Sendung so ans Herz gewachsen ist und so viel Spaß macht, dass ich mir gar nicht mehr vorstellen kann ohne &bdquo;Zeiglers wunderbare Welt des Fußballs“ zu leben.Also falls wer nen Greenkeeper für Paderborn kennt ... pic.twitter.com/3rQRg7OZtj Zeiglers wWdF (@zwwdf) January 23, 2022 Bei den Printmedien ist es das Magazin &bdquo;11 Freunde“, das sich von der üblichen Fußball-Allerlei-Berichterstattung abhebt. Auch bei "Zeiglers wunderbare Welt des Fußballs" kommen oft nicht erwartbare Themen oder Schätze aus dem Archiv. Ist das das Erfolgsgeheimnis? Ich bin tatsächlich sehr gut bekannt mit Philipp Köster, dem Erfinder von 11 Freunde. Er hat mir 2000 das erste Heft ungefragt zugeschickt, weil er dachte, das könnte was für den Zeigler sein. Er hatte Recht. Lange wurden immer wieder meine Radiobeiträge und später meine Sendung einerseits und 11 Freunde andererseits in einem Atemzug genannt, weil wir einen etwas anderen Blick auf die Fußballkultur haben, als das was man aus Sport-Bild und Kicker gewohnt ist. Die Archivsache war auch mein persönliches Anliegen. Ursprünglich sollte es eine reine Anrufsendung sein und ich mit Fans über Fußball sprechen. Aber ich wollte, dass wir dazu auch etwas aus dem Archiv zeigen. Es wurde dann eine Win-Win-Situation, denn der WDR hat das beste Fußballarchiv, das es gibt. Das Tolle an meiner Sendung ist, dass wir eine Spielwiese haben, um schöne alte Fußballsachen zu zeigen ohne dass wir einen aktuellen Anlass brauchen. Das liebe ich an meinem Job.Ab und zu haben Sie auch Gäste in der Sendung. Gibt es da noch einen absoluten Wunschgast? Diese Frage habe ich schon mal vor zwölf Jahren gestellt bekommen. Da lautete meine Antwort Uli Hoeneß. Er ist jemand, an dem man sich wunderbar reiben kann. Aber bei aller Antipathie, die manche Leute gegen ihn haben, habe ich immer an ihm geschätzt, dass er ein absoluter Überzeugungstäter war.Er war Welt- und Europameister, war mit 20 schon ein Superstar in Deutschland und hat mit 27 schon das Management bei Bayern übernommen. Er hat aus diesem Verein genau das gemacht, was er heute ist. Zudem hat er einen Flugzeugabsturz überlebt, hat im Gefängnis gesessen. Meine Güte, das reicht für fünf Leben.Bei aller Häme, die sich über ihn vergießt, fand ich ihn zwar bisweilen auch seltsam, aber ich glaube er macht das alles aus einer extremen Leidenschaft heraus. Das finde ich gut. Er hatte auch mal zugesagt, kurz bevor er Präsident beim FC Bayern wurde. Er hat mich dann aber immer wieder vertröstet. Ich bin danach immer an seiner Vorzimmerdame abgeprallt und so ist es leider nie dazu gekommen. Andererseits müssten wir die Sendung dann auch verlängern.Könnten Sie es auch noch in die Champions-League, sprich das Erste Programm, schaffen? Ich glaube, dass das zu viel Mainstream voraussetzt. Wir sind in unserer Nische ganz gut aufgehoben. Ich würde mich sicherlich nicht wehren gegen eine Sendung im ersten Programm, aber ich bin eigentlich glücklich und zufrieden hier wo ich bin.Ich hatte ja den langjährigen Ausflug in den Sportschau-Club, bei dem ich mit Elementen aus meinem Programm dabei war. Aber ich brauche das nicht für mein Ego, im ersten Programm vor mehr Zuschauern zu laufen. Ich find’s schon schön so wie es ist. Der WDR ist ein liebenswerter, toller Sender und eine tolle Homebase für meine Arbeit.Zum Schluss noch Lob. Nach Sport im Westen gehört Ihre Sendung bei mir zum sonntäglichen Pflichtprogramm. Selbst meine Frau, die sonst mit Fußball wenig am Hut hat, schaut immer gerne mit. Nicht nur, weil es keine bierernste Fußballsendung ist, sondern weil Sie ehrlich und authentisch rüberkommen, sagt sie. Das ist eigentlich immer wieder das schönste Kompliment. Auch bei meinen Auftritten sind viele eigentlich eher Fußball-uninteressierte Frauen dabei und dann höre ich das auch immer wieder. Ich finde es schön, dass es im Publikum diese Schnittmenge gibt aus Fußball-Nerds und Menschen, die nicht das tiefste Fußballwissen haben, aber trotzdem Spaß am Programm.Das Wichtige am Fußball ist, dass man sich nicht geringschätzig über ihn lustig machen sollte, denn dafür ist er vielen Menschen viel zu wichtig. Aber auf der anderen Seite sollte man ihn nicht bierernst nehmen müssen, denn dafür ist es trotzdem Fußball und Unterhaltung. Es ist wichtig, sich aus beiden Welten etwas rauszuholen. Fußball begleitet uns das ganze Leben, ist aber keine Ersatzreligion.

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