Kolumne

Erwin Grosches Gedanken: Über das Paderborner Karnevalsgefühl

Der Kabarettist, Autor und Kleinkünstler Erwin Grosche schreibt in seiner wöchentlichen Kolumne über die ausgefallene närrische Jahreszeit.

Macht sich Gedanken: Erwin Grosche. | © Harald Morsch

20.02.2021 | 20.02.2021, 15:54

Wenn in Paderborn kein Karneval gefeiert wird, ist das kaum zu bemerken. Andersrum ist es aber auch so. Aus sich herausgehen liegt uns nicht so. Das Karnevalsgefühl besteht aus einer Prise Oberflächlichkeit, einem Hauch Naivität und einem Löffel Selbstverleugnung. So wie Tomatensaft mit Pfeffer und Salz nur im Flugzeug mundet, klatschen alle plötzlich bei schlichten Liedern und lachen über Büttenreden, die nur zu ertragen sind, wenn der Alkoholpegel jeden soweit gebracht hat, dass er doppelt sieht.

„Kommt ein Mann zum Arzt: „Herr Doktor, ich seh’ alles doppelt!" „Na, dann legen sie sich mal auf die Liege." Fragt der Mann: „Auf welche?"

Nicht umsonst glauben viele Paderborner, man verkleidet sich, damit man später auf Fotos nicht erkannt werden kann. Man darf nicht vergessen, dass die rheinischen Narren in Großstädten leben. In Paderborn trifft man sich am nächsten Morgen wieder.

Im Karneval muss alles laut, bunt und unanständig sein. Die Übertreibung ist eine Grundvoraussetzung des fröhlichen Hochgefühls. Bei uns bekommt man zum Fest zehn Berliner zum Preis von neun und wenn man die aufgegessen hat, ist Karneval vorüber und der Stecker wird gezogen.

„Wie nennt man eine Blondine, die in die Steckdose greift? Funkenmariechen."

Zwei Jahre lang nicht lustig sein müssen

Nun wurde ein großes Plakat gegenüber der Uni aufgestellt, wo der Ausfall des Karnevals bedauert wird: „Der Karneval macht 2021 nur eine Pause. Den Virus schicken wir dann bald nach Hause" Da stimmt das Versmaß nicht. Die Aussage ist diffus. Unterschiedliche Silbenhäufungen in der ersten und der zweiten Reihe ergeben keinen schönen Sprechrhythmus. Und vor allen Dingen, das ist langweilig. Nach diesen zwei Jahren, wo man nicht lustig sein musste, fangen wir wieder bei Null an. Ich habe eine Bekannte, der wird jetzt immer schlecht beim Schunkeln und dabei ist sie Busfahrerin.

Man muss nicht über alles lachen, nur weil es lustig ist. Man muss nicht immer mitsingen, wenn man sich dabei schämt. Unsere Ernsthaftigkeit und Bescheidenheit ist auch liebenswert. Es muss jemanden geben, der den Überblick behält. Früher gab es auf Partys einen, der keinen Alkohol trinkt und alle mit dem Auto nach Hause bringt. Das ist der Paderborner. Es muss doch jemanden geben, der am nächsten Morgen das Frühstück ans Bett bringt und sagt: „Treffen sich zwei Rühreier, sagt das eine: Ich bin ganz durcheinander."

Einen Paderborner kann man gut umarmen

Auch Karnevalisten brauchen einen Nüchternen, den man umarmen kann, sonst fallen beide um. Einen Paderborner kann man gut umarmen. Er liegt gut in der Hand und lacht nicht, wenn man ihn kitzelt. Ein Paderborner traf mal am Aschermittwoch einen einsamen Trinker in der Akka und fragte: „Warum gehst du denn nicht nach Hause?" Und er sagte: „Weil meine Frau böse auf mich ist." Und der Paderborner fragte: „Warum ist sie denn böse auf dich?" Und der Trinker antwortete: „Weil ich nicht nach Hause komme." Da umarmte der Paderborner den einsamen Trinker und brachte ihn, haste nicht geseh'n, nach Hause.

Frischhaltefolie hält ewig, wenn man sie in Alufolie einwickelt.