Michael Dreier im Interview: „Bislang haben wir großes Glück gehabt“

Herr Dreier, nun leben wir seit fast einem Jahr mit dem Corona-Virus und den damit verbundenen Maßnahmen. Wie ist das für Sie, in dieser Zeit Bürgermeister zu sein? Michael Dreier: Das ist eine große Herausforderung. Das Allerwichtigste ist, dass wir gesund durch die Corona-Pandemie kommen. Ich denke, als Bürgermeister muss man den Menschen in Paderborn auch das Gefühl geben, dass wir eine starke Gemeinschaft sind. Da sehe ich mich ganz klar als Motivator und Moderator. Das Corona-Virus hat das Arbeitsleben vieler verändert. Wie sieht das bei Ihnen aus? Mein Alltag hat sich sehr verändert und die Begegnungen mit den Menschen fehlen mir – ob in der Stadt, auf Veranstaltungen oder im Stadion. Ich bin viel zu Fuß unterwegs und da trifft man sonst immer jemanden. Mein Arbeitstag ist nun geprägt von Telefon- und Videokonferenzen. Ich sitze teilweise von morgens 8 Uhr bis abends 22 Uhr in Konferenz zu verschiedensten Themen. Beispielsweise tausche ich mich seit Beginn der Pandemie regelmäßig mit Vertretern der Wirtschaft, dem Sport, der Kultur und vielen anderen aus. Sie sind nach wie vor mit vielen Menschen in Kontakt. Wie ist Ihr Gefühl, wie geht es Paderborn? Mit Blick auf den Inzidenzwert haben wir bislang großes Glück gehabt. Das ist der Verdienst jedes Einzelnen, der sich an die Corona-Maßnahmen hält. Ich weiß, damit sind harte Einschnitte verbunden – in den Familien, in den Kitas, in den Schulen, den Vereinen, am Arbeitsplatz. Es gibt quasi keinen Gesellschaftsbereich in unserer Stadt, der nicht von dieser Pandemie berührt ist. Ich bin aber sehr dankbar dafür, dass sich die allergrößte Mehrheit an die Auflagen hält. Was denkt man dann als Bürgermeister, wenn sogenannte Querdenker durch die Innenstadt ziehen? Ich halte es für völlig falsch und habe dafür absolut kein Verständnis. Natürlich stelle ich mich diesen Gesprächen, aber ich kritisiere klar ihr Vorgehen. Sie sind für ihre Nähe zu den Bürgern bekannt. Nervt Sie das manchmal nicht, jederzeit angesprochen zu werden? Ein klares Nein. Darüber habe ich mir im Vorfeld viele Gedanken gemacht und ich wollte immer ein Bürgermeister zum Anfassen sein. Das habe ich nie bereut und ich bin sehr dankbar dafür, dass ich diese besondere Aufgabe für die Menschen in unserer Stadt wahrnehmen darf. Was hat Sie in der Corona-Zeit besonders berührt? Besonders schlimm fand ich, dass Senioren in den Altenheimen oder auch Patienten im Krankenhaus nicht besucht werden konnten. Die Vereinsamung der älteren Menschen, das ist ein Thema, das mir schon nahe gegangen ist, und bei dem man sich teilweise auch hilflos gefühlt hat. Am Montag werden Sie 60 Jahre alt. Welche Ereignisse haben Sie rückblickend bewegt? Da gibt es vieles. Besonders bewegt hat mich die Flüchtlingssituation und wie wir kurzfristig an einem Wochenende in der Busdorfschule über 200 Menschen aufgenommen haben. Oder die Ausstellung zum Flüchtlingsthema &bdquo;Freunde statt Helfer – Neue Wege der Patenschaft", diese Begegnungen sind mir sehr nahe gegangen. In Erinnerung bleibt mir aber auch die Bombenentschärfung mit der Evakuierung von 25.000 Menschen, bei der viele mit angepackt haben oder die Aufstiege des SCP und die Begeisterung auf dem Rathausplatz. Aber auch mein erstes Libori-Fest als Bürgermeister werde ich nie vergessen. Was lief beruflich nicht so rund für Sie? Ich denke da an die Diskussion um Ihren Facebook-Account. Ganz klar, die Facebook-Geschichte hat mir wehgetan. Ich habe das alles selbst gemacht und im Grunde hat man damals versucht, etwas zu suchen, was es gar nicht gibt. Alle, die mich beraten haben, sagten mir, ich solle die Kanäle offen lassen. Doch ich habe sie dann zugemacht. Ich hatte keine Lust, mich in diesen Streit weiter hinein zu begeben. Sind Sie damals eingeknickt? Könnte man sagen, doch ich sehe das nicht so. Für mich war wichtig, dass ich mich weiter um die Menschen kümmere. Ich glaube, dass das richtig war und auch, dass das mein Wahlergebnis nicht beeinflusst hat. Von vielen habe ich dann so etwas gehört wie: jetzt erst recht. Aktuell ist es politisch noch eher ruhig. Was steht für Sie aber auf der Agenda ganz oben? Ganz klar unser Zukunftsquartier, die ehemalige Barker-Kaserne. Auf den 54 Hektar besteht nun die Chance, die Stadt immens weiterzuentwickeln, und das nicht nur im Bereich Wohnen, sondern auch im Bereich Arbeiten, Universität und Bildung. Aber auch die Sicherung der Arbeits- und Ausbildungsplätze ist wichtig und weitere Unternehmen nach Paderborn zu holen – auch dafür bieten die Konversionsflächen enorme Chancen. Paderborn ist digitale Modellregion. In den vergangenen Monaten gab es viel Kritik an der Lernstatt. Das Projekt Lernstatt ist ausgelegt für den Unterricht in den Schulen und nicht den Distanzunterricht. Mittlerweile nutzen 20 Schulen parallel dazu das Programm Teams, das funktioniert sehr gut. Ich werde aber alles daran setzen, dass wir weiter in diesen Bereich investieren werden. Es ist eine gigantische Herausforderung, der wir uns stellen. Nicht nur die Schulen, auch die Wirtschaft spürt die Auswirkungen der Corona-Pandemie. Die Wirtschaft steht vor einer riesigen Herausforderung. Der Handel, die Gastronomie, die Hoteliers – die Einschnitte sind dramatisch. Deswegen habe ich dem Paderborner Handel meine volle Unterstützung zugesagt. Mit Blick auf die Attraktivität der Innenstadt haben wir bereits zahlreiche Maßnahmen durchgeführt, wie beispielsweise die Neugestaltung der Königsplätze oder des Paderquellgebiets. Aktuell nützt das dem Einzelhandel leider nichts, weil die Stadt leer ist. Könnte es passieren, dass Sie der Bürgermeister werden, der Libori zweimal abgesagt hat? Ich hoffe sehr, dass Libori dieses Jahr stattfindet und wir 500 Jahre Libori-Kirmes feiern können. Wenn auch vielleicht etwas anders. Wir bringen Libori momentan auf den Weg, doch ich glaube schon, dass wir auch bereit sein müssen, anders zu denken. Ihr Geburtstag steht kurz bevor: Was wünschen Sie sich?Ich bin gesund und ich fühle mich fit, das möchte ich auch bleiben. Ich muss klar sagen: Ohne die Unterstützung meiner Frau Beate und unserer drei Kinder hätte ich das alles nicht geschafft. Deswegen wäre es sehr schön, mehr Zeit für die Familie und auch für meine drei Enkelkinder zu haben. Und klar würde ich gerne mal wieder im Stadion sitzen und den SCP anfeuern. Wie haben Sie an Ihrem Geburtstag vor? Ich habe frei und werde den Tag mit meiner Frau verbringen – wir werden auch nicht zu Hause sein. Leider können wir den Geburtstag nicht feiern. Aber mal schauen, ob wir das nachholen werden.

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