Paderborner Pflege-Azubi: "Vom Klatschen kann ich mir nichts kaufen"

Paderborn. Leah Bambeck liebt ihren Job. Sie hat sich sehr bewusst dafür entschieden, Pflegerin zu werden. Sie ist im zweiten Ausbildungsjahr am Brüderkrankenhaus in Paderborn. Mehrere Schichten Schutzkleidung in der Corona-Pandemie können sie nicht schrecken, all das nimmt sie für ein Lächeln ihrer Patienten gerne in Kauf. Aber Bambeck ist auch enttäuscht. Enttäuscht, dass der im Frühjahr so plötzlich erwachte Respekt in der Bevölkerung so schnell verflogen ist, wie er aufgetaucht war. Enttäuscht, dass es trotz aller Lippenbekenntnisse kaum mehr gegeben hat als Beifall vom Balkon. "Vom Klatschen kann ich mir im Supermarkt nichts kaufen", sagt sie trocken. Ihre Kolleginnen Lea Leßmann, erstes Ausbildungsjahr, und Anna-Lena Kuhlmann, drittes Ausbildungsjahr, nicken zustimmend. Auch sie fühlen sich dadurch im Stich gelassen. "Auf einmal stand die Berufsgruppe so im Mittelpunkt, wie sie es verdient hat. Als das dann erloschen ist, war das umso deprimierender", berichtet Kuhlmann. Aber: Alle drei brauchten keine Bestätigung, dass sie den richtigen Job gewählt haben, erzählen sie. Und alle drei berichten, dass die Pandemie sie da auch nicht ins Wanken gebracht hat. "Anderen Menschen zu helfen, das erfüllt mich", sagt Kuhlmann. "Man gibt sehr viel, aber bekommt auch viel zurück." Sie finde es gut, dass die Pflege so abwechslungsreich sei. "Es gibt einen ganz großen emotionalen Aspekt neben dem theoretischen, da lernt man immer ganz viel dazu." Auch Bambeck schätzt, dass die Pflege so ganzheitlich sei. "Man ist immer da, ganz nah am Patienten, in guten Momenten und in schlechten", erklärt sie. Schulblöcke von zuhause Was für die beiden älteren Azubis schon eine echte Umstellung war - Schulblöcke von zuhause aus und veränderte Bedingungen bei der Arbeit durch die Pandemie - war für Lea Leßmann, die im April angefangen hat, eine besondere Herausforderung. Sie habe ihre Ausbildung nicht wie sonst üblich in einem Schulblock begonnen, sondern in der Klinik. "Da habe ich mich dann schon gefragt: Schaffe ich das?", berichtet sie. Aber sie sei sehr nett auf der Station aufgenommen worden und hätte sich gut eingelebt. Ihren Jahrgang habe sie jedoch noch gar nicht so richtig kennengelernt. Ein einziger Schulblock im September konnte in Präsenz durchgeführt werden. Klaus Niggemann, Pflegedirektor am Brüderkrankenhaus, teilt die Auffassung seiner drei Auszubildenden, dass "Klatschen nicht ausreicht". Es habe zwar schon einige Fortschritte gegeben - dass etwa das Pflegebudget aus dem Krankenhaushaushalt herausgehalten werde - dennoch sieht er die Politik in der Pflicht, die Rahmenbedingungen für die Pflegeausbildung und den Beruf langfristig zu verbessern. Es sei nicht einfach nur in den nächsten Jahren mit einem Mangel zu rechnen, dieser würde sich dann nur intensivieren. Denn: "Der Bedarf ist jetzt schon da", betont er. Am Brüderkrankenhaus setze man deshalb schon länger darauf, den jungen Leuten eine möglichst gute Ausbildung zu bieten und ihnen danach auch eine Anstellung anzubieten. Aber: "Der Markt ist hart umkämpft", sagt Niggemann. Zum Glück gebe es in Paderborn ein Einverständnis unter den Kliniken, sich nicht gegenseitig das Personal abzuwerben. "Wir befinden uns in einem guten Austausch miteinander." Maske, Schutzkleidung, Verhaltensregeln Zum Beispiel mit dem St.-Vincenz-Krankenhaus. Hier lernen unter anderem Hannah Langhardt, Sarah Niggemeier und Estelle Potthast den Pflegeberuf. Sie sind im zweiten Ausbildungsjahr und berichten wie ihre Kolleginnen am Brüderkrankenhaus, dass der Online-Unterricht am Anfang durchaus eine Herausforderung war. "Insbesondere Themen, die sehr praxisbezogen sind, waren schwierig alleine zuhause durchzuführen und sich anzueignen", berichtet Potthast. Aber auch die Verhaltensregeln waren etwas, an das sie sich erst einmal gewöhnen mussten. So meint Niggemeier: "Durch das Tragen des Mund- und Nasenschutzes ist das Krankenhausleben anonymer geworden." Zusammen mit Abstandsregeln und möglichst wenigen Kontakten verändere das die Arbeitsatmosphäre. Inzwischen hätten sie sich aber an die neuen Bedingungen gewöhnt, findet Langhardt. "Es sind viele neue Dinge dazu gekommen, die jetzt zu einer Routine geworden sind." Und: Die Regeln schützten und halfen somit dabei, selbst keine große Angst zu haben sich anzustecken. Auch das berichten Azubis aus beiden Krankenhäusern. Ein bisschen bleibt sie dennoch. "Ich habe keine Angst um mich selbst, eher davor, dass ich andere anstecke, weil ich zum Beispiel nicht merke, dass ich infiziert bin", berichtet Anna-Lena Kuhlmann, die im Sommer in der Notaufnahme im Einsatz war. Dort kommen immer wieder Patienten an, die noch nicht getestet sind, entsprechende Sicherheitsvorkehrungen mit Maske und Schutzkleidung müssten da immer getroffen sein. Darunter sei es ziemlich warm. "An einem Tag kam mit dem Rettungswagen ein Corona-Verdachtsfall. Und der war einfach so unglaublich dankbar dafür, dass ich mich um ihn gekümmert habe. In solchen Momenten bekommt man einfach so viel zurückgegeben", erzählt sie. Diese Anerkennung, das wird deutlich, wünschen sich die jungen Pflegeschülerinnen auch von Politik und Gesellschaft. Pflegedirektor Niggemann ergänzt: "Es braucht mehr Anerkennung, Respekt und ja - auch Vergütung. So kann die Bevölkerung weiter das Vertrauen haben, gut versorgt zu werden."

Meistgelesen