Digitales Pilotprojekt Lernstatt: "Technisch muss etwas passieren"

Paderborn. Ob Quarantäne-Regelungen oder Lockdown: Seit Beginn der Corona-Pandemie gibt es immer wieder Zeiträume, in denen für einige oder sogar für alle Schülerinnen und Schüler kein Unterricht in der Schule möglich ist. Dann ist Distanz-Lernen angesagt. In Paderborn gibt es die digitale Plattform "Lernstatt", in die die Stadt nach eigenen Angaben seit 2015 acht Millionen Euro investiert hat. In den laufenden Betrieb würden jährlich 1,2 Millionen Euro fließen. Doch fürs Distanz-Lernen ist das Projekt nicht ausgelegt und sorgt vielfach für Verdruss, wie Lehrer verschiedener Schulen und eine Mutter im Gespräch mit der NW berichten. "Grundsätzlich ist die Lernstatt vom Ansatz super gedacht", meint Angela B. (Name geändert), Lehrerin an einer weiterführenden Schule, und im Präsenzunterricht würden digital gestützte Lernverfahren auch gut laufen. Doch dann kam der erste Lockdown im Frühjahr. Anfangs habe sie noch Verständnis dafür gehabt, dass man beispielsweise nicht auf die Cloud habe zugreifen können oder nur mit extremen Wartezeiten, weil plötzlich so viele User die IT-Infrastruktur der Schule nutzten. Aber auch nach den Sommerferien habe es keine Verbesserung gegeben. Im Mailprogramm könnten keine größeren Anhänge hochgeladen werden, Schüler ihre Aufgaben nicht oder nur mühselig übermitteln, Video-Konferenzen funktionierten nur eingeschränkt mit maximal zehn Schülern. Ein "Auf und Ab" "Wenn eine Klasse oder gar eine Stufe in Quarantäne geschickt wird und von Zuhause auf die Lernstatt zugreifen will, verstärken sich alle Probleme", berichtet Angela B. Sie vermutet Kapazitätsprobleme bei der Lernstatt, zu wenig Speicherplatz und möglicherweise auch unzureichende Datenleitungen sowie zu wenig Personal für den Support von Schulen und Lehrkräften. "Technisch muss was passieren". Die letzten Monate seien ein "Auf und Ab" ohne Verlässlichkeit gewesen. Pädagogen suchten sich andere Tools und Systeme wie Untis und Padlets, um mit Schülern arbeiten zu können, improvisierten mit Telefonsprechstunden. "Wenn wir uns auf die Cloud verlassen, sind wir verloren", konstatiert ein Gymnasiallehrer. Videos nicht hochgeladen "Als meine Tochter morgens um 8 Uhr vor dem Bildschirm darauf wartete, dass sich die Seite zur Videokonferenz aufbaut, haben wir es in anderen Zimmern versucht und weitere Geräte ausprobiert", erzählt Eva. Z. (Name geändert), Mutter von zwei Schulkindern. "Bis wir feststellten, es liegt gar nicht an uns." Statt Video-Sitzungen lief oft nur der Chat, unterstützende Videos von Lehrern konnten nicht hochgeladen, erledigte Aufgaben nicht verschickt werden. "Das ist für die Kinder sehr frustrierend", sagt die Mutter, die den Download von Arbeitsblättern sogar abends gegen 22 Uhr versuchte, wenn kein Massenzugriff mehr herrschte. Genützt hat es nichts. Teils per Whatsapp tauschten sich ihre Kinder mit der Klasse und Pädagogen aus. "Die Lehrer sind sehr aktiv. Der begrenzende Faktor ist die Technik", sagt die Mutter, die sich von der Stadt einen "offenen Umgang mit Problemen der Lernstatt" wünscht. "Die Lernstatt war nie ein Leuchtturm" "Die Lernstatt wurde Schulen als Leuchtturm verkauft, aber es ist nie ein Leuchtturm-Projekt gewesen", meint Lehrerin Berta S. (Name geändert). Krisen wie jetzt die Corona-Pandemie deckten die Schwächen von Systemen auf. Die Pädagogin lobt ein junges Pilot-Projekt der Lernstatt, die Plattform &bdquo;Microsoft Teams", die Video-Konferenzen, Chats und Online-Gruppenarbeit ermöglicht und mit Hilfe der beiden Paderborner IT-Unternehmen Axon und Net at Work realisiert wurde. "Dieses Pilotprojekt müsste allen Datenschutz-Sorgen zum Trotz mit voller Geschwindigkeit ausgerollt werden", appelliert Bertha S. Bislang sei nur eine Handvoll Schulen dabei. Darunter sind beispielsweise das Theodorianum und die Heinz-Nixdorf-Gesamtschule, die jüngst mitteilte: "Die ( . . .) Entscheidung zur Nutzung von Microsoft-Teams hat eine annähernd lückenlose Betreuung seit Ausbruch der Pandemie ermöglicht." "Es geht um die bestmögliche Bildung für Schülerinnen und Schüler", betont Berta S. Ein erfolgreiches IT-Projekt müsse flexibel sein und jede einzelne Schule dort abholen, wo sie steht, sich auf ihre Bedürfnisse ausrichten. Es dürfe nicht allen Schulen dasselbe Konzept überstülpen. Dafür sei außer Visionen mehr Geld, mehr Fachkompetenz, mehr Personal notwendig. "Das sollte uns Bildung wert sein", konstatiert die Lehrerin. Lesen Sie auch: Das sagt die Stadt zu den Problemen mit der Lernstatt [NW+]

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