Trauer in Zeiten von Corona: "Sich berühren zu können ist wichtig"

Paderborn. Einen geliebten Menschen zu verlieren ist ein tiefer Einschnitt. Den Verlust zu begreifen und zu verarbeiten, damit umzugehen, das ist ein langer Weg, der von unglaublich vielen Emotionen geprägt ist, weiß Lydia Willemsen. Sie arbeitet in der Trauerbegleitung im Caritas-Verband Paderborn. Im Trauermonat November erklären Willemsen und Bestatter Dieter Sauerbier, beide auch engagiert im Verein Trauerarbeit Paderborn, wie wichtig ein offener Umgang mit Trauer ist. Und sie berichten, wie die Corona-Pandemie es trauernden Menschen noch schwerer macht. Berührungspunkte mit Trauer und Trauernden hat eigentlich jeder. Dennoch falle es vielen Menschen oft schwer, darüber zu sprechen oder erst recht mit denen umzugehen, die gerade jemanden verloren haben, bestätigt Willemsen. Viele Ängste, Erwartungen und Hilflosigkeit seien mit dem Thema verknüpft. Sowohl Willemsen als auch Sauerbier raten dazu, aufeinander zuzugehen. "Das Falscheste, was man machen kann, ist nichts zu tun und nichts zu sagen", sagt Sauerbier. "Und wenn man nicht weiß, was man sagen soll, dann kann man das auch genau so einfach sagen." Authentizität sei besser als alle Beileidsfloskeln. Eine Trauergruppe gäbe es ohne die Pandemie nicht Gerne würden sowohl Sauerbier als auch Willemsen diesen Rat aber gar nicht mehr geben müssen. "Ich hatte gehofft, dass meine Begleitung überflüssig wird, und dass die Trauer einen festen Platz in unserem Leben bekommt. Und wir somit lernen, mit der Trauer umzugehen", meint Willemsen, die für die Caritas seit 16 Jahren trauernde Menschen begleitet. Ganz viele Trauernde litten aber unglaublich darunter, dass man ihnen aus dem Weg gehe und sie nie oder kaum frage, wie es ihnen geht. Willemsen begleitet die Trauernden sowohl einzeln als auch in Gruppen. Dort haben sie die Möglichkeit, sich auch untereinander auszutauschen. So gibt es Gruppen für trauernde Kinder, eine für Jugendliche, eine Geschwistergruppe, eine Gruppe für verwaiste Mütter und eine Gruppe für verwaiste Väter sowie eine Gruppe nach Tod eines Partners oder einer Partnerin. Seit diesem Jahr existiert noch eine neue Gruppe, die es wohl ohne die Pandemie nicht gegeben hätte: Hier berät und begleitet Willemsen Menschen, die ihren Partner verloren haben, ohne ihn vorher noch einmal gesehen zu haben oder ihn beim Sterben begleiten zu können - aufgrund von Corona und den dadurch teilweise eingeschränkten Besuchszeiten etwa in den Krankenhäusern. "Das ist für die Betroffenen unglaublich leidvoll", berichtet Willemsen. Denn den Liebsten auf dem letzten Weg zu begleiten, die Hand zu halten, dabei zu sein, sei nicht nur wichtig für die Sterbenden, sondern auch für die Angehörigen. "Sich berühren zu können, ist unglaublich wichtig", sagt Willemsen. Getrauert wird aktuell auf Distanz "Wenn jemand stirbt, der einem nahe steht, dann ist das erst einmal unbegreiflich", erklärt Sauerbier. Um Abschied nehmen zu können, sei es darum für viele Menschen sehr wichtig, den Verstorbenen noch einmal zu sehen und auch zu berühren, seine Hand nehmen zu können. "So wird es greifbar und begreifbar", sagt der Bestatter. Nachdem das Robert-Koch-Institut im Frühjahr zunächst empfohlen hatte, Menschen, die an Covid-19 erkrankt waren, nicht offen aufzubahren, sei das aber flächendeckend schnell wieder möglich gewesen. Von den Toten gehe schließlich auch keine Gefahr aus, betont Sauerbier. Aber an anderer Stelle hat die Corona-Pandemie weiter sehr viel Einfluss: Bei den Trauerfeiern. Zwar sind auch größere Beisetzungen nach wie vor erlaubt. Auch der Mindestabstand darf zwischen nahen Angehörigen unterschritten werden. Je nach Kommune können aber besondere Regeln gelten. Und da eine Trauerfeier meist von der Kirche zum Friedhof wandere, können auch von der Kirche noch einmal andere Vorgaben kommen. Kompliziert, vor allem in einer so schweren Zeit. So mancher, der von weither anreisen würde, verzichtet wegen der Pandemie darauf. Aber viele Bestatter würden es ermöglichen, die Trauerfeier aufzuzeichnen oder sogar live zu übertragen, sodass auch weit entfernte Angehörige dabei sein könnten. Nicht ersetzt werden dadurch natürlich Nähe und Berührungen. Und getrauert werde auch eher auf Distanz. Umarmungen, eine Hand auf der Schulter, ein Händedruck, sonst selbstverständlich - das alles fällt meist weg. Wenn nicht aus der Vorgabe heraus, dann oft aus Vorsicht. "Das ist für die Menschen unheimlich schwer", weiß Sauerbier. Dennoch betonen sowohl Sauerbier als auch Willemsen, dass auch unter Einhaltung der Pandemieregeln sehr viel möglich ist. Auch Willemsens Beratung läuft weiter. Manchmal ist etwas Kreativität gefragt, wie Sauerbier an einem Beispiel deutlich macht: Ein Verstorbener hätte sich etwa sehr gewünscht, dass alle seine Freunde und Bekannten nach seinem Tod zusammenkommen. Doch das traditionelle Kaffeetrinken, den Leichenschmaus, gibt es ja im Moment nicht. Also wurde mit den Angehörigen eine andere Lösung gesucht und gefunden: Nach der Beerdigung wurden noch auf dem Friedhof kleine Schnapsflaschen verteilt. So konnten die Besucher mit gebührendem Abstand und an der frischen Luft noch einmal auf das Wohl des Freundes anstoßen.

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