Weniger Ausbildungsstellen für den Corona-Jahrgang

Kreis Paderborn. Während es in der handwerklichen Ausbildung mit 42 Ausbildungsstellen mehr als im Vorjahr offenbar ein wenig bergauf zu gehen scheint, ist der Trend in der Industrie und im Handel weiter entgegengesetzt. Im Kreis Paderborn sank die Zahl der eingetragenen Ausbildungsverhältnisse um 233. Davon betreffen allein 20 Prozent die gewerblichen/technischen Berufe, sagt Jürgen Behlke, Geschäftsführer der Paderborner Zweigstelle der Industrie- und Handelskammer Ostwestfalen zu Bielefeld. Besonders in den Berufen der Metall- und Holztechnik sei mindestens ein Drittel weniger Ausbildungsplätze angeboten worden. Insgesamt wurden im Ausbildungsjahr 2019/20 489 Stellen weniger angeboten als im Jahr davor. Weniger Ausbildungen bei Benteler biete anderen Betrieben größere Bewerberauswahl Die Gründe liegen laut Behlke auf der Hand: "Das sind die Folgen der durch die Pandemie ausgelösten Wirtschaftskrise." Die Betriebe hätten sich in diesem Jahr primär auf ihre Existenzsicherung konzentrieren müssen, Themen wie Marketing und Ausbildung seien in den Hintergrund gerückt. Auch dass die Firma Benteler, einer der größten Ausbilder im Kreis, die Zahl seiner Auszubildenden in diesem Jahr heruntergeschraubt habe, tue dem Ausbildungsmarkt weh. Wie berichtet, hat das Unternehmen in diesem Jahr - nach vormals 80 - nur noch 14 Azubis. Dass sich Benteler so aus seiner gesellschaftlichen Verpflichtung entziehe und als "Ausbildungs-Riese" kaum noch ausbilde, könnte viele kleinere Betriebe zum Nachahmen anregen, kritisierten Gewerkschafter nicht unlängst. Hier sehe der IHK-Chef jedoch keinen Nachahmereffekt kommen: "Jeder weiß, dass sich Benteler in einer Umstrukturierungsphase befindet und nur weil das Unternehmen jetzt weniger ausbildet, werden das die anderen Unternehmen nicht auch tun." Wenn der Erstplatzierte aus dem Rennen sei, gebe es den anderen Betrieben im Kreis auch viel eher eine Chance oder größere Auswahl an Bewerbern, so Behlke. Betriebe müssen aktiv auf die Suche gehen Die Betriebe seien in der Pflicht, Strategien zu entwickeln, wie man an den Nachwuchs herankommt, stellt der Leiter der Paderborner Arbeitsagentur Heinz Thiele klar. "Wir haben keinen Arbeitgebermarkt mehr, sondern einen Arbeitnehmermarkt." Wenn beispielsweise der Beruf des Fleischers für die heutige junge Generation nicht mehr attraktiv sei, müsse der Fleischer aktiv auf Suche gehen und Werbung für seinen Betrieb machen. Thiele nennt ein Beispiel: "Ein bekannter Fleischermeister stellte sich in einer Schule vor und lud ein paar Jugendliche zum Grillen ein. Dabei entschied sich einer dieser Schüler, eine Lehre bei ihm anzufangen." Nur leider sei es auch nicht immer so einfach, so Thiele. "Die Akteure auf dem Ausbildungsmarkt müssen alle Kräfte bündeln, damit das Ausbildungsjahr 20/21 nicht zum Corona-Jahrgang wird." Ausbildungsbeginn noch bis Ende Januar möglich Dass es einen Rückgang der Ausbildungszahlen gebe, liege nicht nur an der Corona-Krise. "Die Pandemie hinterlässt Spuren, verursacht aber keinen Einbruch", sagt Thiele. "Dieses Jahr war in fast allen Bereichen des Lebens ein besonderes Jahr und so ist es auch beim Ausbildungsmarkt. Viele Unternehmen mussten anders priorisieren, Bewerbungsgespräche und Stellenmeldungen für Ausbildungen aufschieben." Das habe auch dazu geführt, dass ein Ausbildungsbeginn noch bis Ende Januar möglich sei, so Thiele. Laut Agenturbericht, waren Ende September noch 124 Ausbildungsstellen im Kreis unbesetzt, 184 Jugendliche waren noch auf der Suche nach einer Ausbildungsstelle.

Meistgelesen