Paderborner Pottmarkt-Beschicker in der Existenzkrise

Paderborn. Libori ohne Pottmarkt? Das gibt es auch im Corona-Sommer nicht. Man muss allerdings sehr genau hinsehen und ihn suchen. Oder zufällig finden. So wie Anja und Stefan Lücking aus Bad Wünnenberg-Haaren, die das Schild mit dem von Hand geschriebenen Hinweis auf den Gewürzstand am Haupteingang des Textilhauses Klingenthal neugierig machte. Dort haben, zwischen Blusen und Blazern, vier traditionelle Marktbeschicker Asyl gefunden. Nebenan, in der Galeria Kaufhof, gibt es drei weitere, ebenso wie in der Rathauspassage im und vor dem Porzellangeschäft Brockmann. Insgesamt zehn Marktstände, verteilt über drei Einzelhandelsgeschäfte in der Stadt, sind es also statt der traditionell 160 unter freiem Himmel rund um den Dom, die den Pottmarkt 2020 hochhalten. Sie stehen für das verzweifelte Aufbäumen einer ganzen Branche. Und eine offenbar doch ganz besondere Verbundenheit zwischen der Stadt und ihren treuen Libori-Hauptdarstellern. Geschäfte waren bisher nur online möglich Einen kurzen Gang später sind die Lückings aus Haaren in der glücklichen Lage, sich nun doch wieder persönlich mit dem Jahresvorrat an Liebstöckel, Bratkartoffelgewürz, Pfeffer und Salatkräutern eindecken zu können. Werner Rehmet aus dem hessischen Laubach, seines Zeichens schon in der zweiten Generation Tee- und Gewürzhändler auf dem Pottmarkt, bedient sie gern. "Den Tee haben wir diesmal allerdings weggelassen, und von unseren 250 Gewürzen haben wir auch längst nicht alle dabei", sagt er und überlässt die Bedienung seinem Sohn Jean-Pascal Faskel. "Es ist ganz toll, dass wir hier stehen können," sagt Rehmet. Für ihn ist dies der erste Marktstand in diesem Jahr. Geschäfte machte er bisher nur mit seinem Online-Handel, immerhin. Der Zuspruch im Textilhaus ist zwar nicht mit dem Pottmarkt zu vergleichen, aber: "Wir werden wenigstens nicht mit einem Verlust wieder abreisen", schätzt der Händler. Da hat er mehr Glück als die drei Kollegen im hinteren Bereich des Textilhauses, wo Udo Ostwald (Udos Bretterbude) freimütig zugibt: "Geschäftlich bringt das für mich nichts, aber wenigstens habe ich jetzt gute Kontakte zur Paderborner Werbegemeinschaft." Ostwald lebt von der letzten Saison und hofft auf die nächste, die aktuelle hat er abgeschrieben. Ob er die Hilfe, die er vom Staat bekommen hat, überhaupt behalten kann, weiß er nicht. "Schon im nächsten Jahr könnte es viele von uns Händlern nicht mehr geben", befürchtet er. Die Einladung kommt kurzfristig Die Werbegemeinschaft hatte kurz vor dem Fest noch schnell eine Rundmail an Marktbeschicker mit einer Einladung verteilt, nachdem Caroline Brockmann (Porzellan Brockmann) die Idee zu dem in den örtlichen Einzelhandel eingebetteten Pottmarkt an den Vorsitzenden Uwe Seibel herangetragen hatte. "Das ist ein tolle Geste", freut sich darüber jetzt auch Lieselotte Liepert, ebenfalls eine der ganz langjährigen Libori-Händlerinnen. Anstatt mit ihrem Holzhäuschen voller Spezialbürsten, -besen und -pinsel mitten auf dem Kleinen Domplatz stehen sie und ihr Mann Rainer jetzt im Erdgeschoss der Galeria Kaufhof. Eingepackt haben die Lieperts aus ihrem 4.000-Artikel-Sortiment nur ein Zehntel, gerade so viel, wie in einen VW-Bus passte. "Die großen Fahrzeuge haben wir abgemeldet, weil wir ja nirgendwo verkaufen dürfen", sagt die Händlerin. Vom Dachstuhl ihres Hauses im 400 Kilometer entfernten Sennfeld bei Heilbronn gekramt haben sie einen seit 30 Jahren ausrangierten schon historischen Marktstand. Unter dessen Tuchdach präsentieren auch sie ihre Waren jetzt zum ersten Mal in diesem Jahr. Den Geschäftsleuten ohne Einnahmen wird jetzt zum Verhängnis, was lange ihr Plus war. "Wir lebten vom direkten Kontakt mit den Kunden, von Qualität und Beratung. Da waren keine Zeit und kein Personal, nebenbei noch einen Onlinehandel zu eröffnen", sagt Lieselotte Liepert. Wenn schon die Jahrmärkte abgesagt werden, so erwarten die Lieperts nun wenigstens, öfter mal ihren Stand auf normalen Märkten aufbauen zu dürfen. Doch dafür müssten Marktordnungen geändert und Flächen ausgewiesen werden. Lieselotte Liepert: "Aber warum soll das eigentlich nicht gehen?"

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