Paderborner Schüler mit Handicap starten zuletzt in den Unterricht

Paderborn. Wochenlang waren alle Schulen wegen des grassierenden Coronavirus geschlossen, dann machte die Abiturientia am 23. April den Anfang: Endlich wieder Unterricht. Es folgten die Zehntklässler und peu à peu weitere Jahrgänge. Erst seit Mitte vergangener Woche, also gut einen Monat nach den Abiturienten, sind nun auch die Kinder und Jugendlichen an den Förderschulen wieder gestartet. Das wurde Zeit, sagen Eltern und Schulleitungen. "Die Schülerinnen und Schüler waren lange nicht in der Schule und die Betreuung daheim ist für Eltern nicht leicht", weiß Thomas Jujka, Leiter der Hermann-Schmidt-Schule mit dem Förderschwerpunkt Geistige Entwicklung in Schloß Neuhaus. Andererseits: An Förderschulen ist die Infektionsgefahr mit dem Virus besonders groß, denn längst nicht alle Kinder und Jugendlichen sind in der Lage, Abstands- und Hygieneregeln einzuhalten oder eine Maske zu tragen. Manche Schüler sind auf Körperpflege angewiesen, Lehrer und Betreuer wurden mit Schutzmaterialien ausgestattet. "Im Vorfeld musste darum sehr gut überlegt werden, wie wir uns bestmöglich vorbereiten. Es gab eine Menge zu organisieren", erklärt Thomas Jujka. Unterricht in Kleinstgruppen Nun werden statt maximal 13 nur bis zu fünf Kinder in einer Gruppe von ein bis zwei Pädagogen plus Integrationskraft betreut. Für die 209 Schüler gibt es bis zum Start der Sommerferien insgesamt je sechs bis neun Tage Unterricht im Ganztag - für mehr fehlen wie überall Räume und Personal. Jede Gruppe hat an der Hermann-Schmidt-Schule von außen direkten Zugang zum Klassenraum und eigene Toiletten. Pausenhof und -zeiten sind so aufgeteilt, dass sich keine Grüppchen begegnen. "Allein die Organisation des Schülerspezialverkehrs war eine Riesenherausforderung", schildert Thomas Jujka. "Das ist wirklich eine logistische Meisterleistung", ist Karin Strätling, Mutter einer Viertklässlerin, beeindruckt. "Morgens kommen im Takt Bullis und Taxen, jedes Kind wird einzeln in Empfang genommen." Ihre Tochter war vor dem ersten Schultag nach fast zweieinhalb Monaten sehr aufgeregt, machte sich schon Tage vorher Sorgen wegen der Maske und all der neuen Regeln. Doch nachmittags kehrte sie fröhlich heim. Die Betreuung ist weggebrochen Die Zeit ohne Schule war für die Familie schwer. "Normalerweise haben wir noch regelmäßig Hilfe von einer Integrationshelferin und vom Familien unterstützenden Dienst. Aber es ist alles weggebrochen", berichtet Karin Strätling, die wir ihr Mann berufstätig ist. Auch andere Eltern gingen auf dem Zahnfleisch und seien am Limit. Um die Betreuung zu stemmen, reduzierte die Mutter ihre Arbeitszeit und arbeitet im Homeoffice. Auch Material fürs Homeschooling hat die Klassenpflegschaftsvorsitzende erhalten. "Ich habe es versucht, aber ich kann's nicht", gibt Karin Strätling unumwunden zu. Sie lobt die tolle Betreuung der Lehrerinnen, die während der Schließung telefonisch Kontakt mit Familien hielten, aber sie hat dennoch das Gefühl, ihre Tochter habe Rückschritte gemacht. Die Mutter kritisiert, dass die Förderschulen zuletzt starteten. "Aus meiner Sicht gibt es dafür keinen Grund." Entweder seien die Kinder beschulbar, trotz oftmals körperlicher Nähe zu Mitschülern, Lehrern und I-Helfern und trotz fehlender Maske, oder nicht. Therapien sind ausgefallen Auch an der Liboriusschule, LWL-Förderschule für körperliche und motorische Entwicklung, ist nach der Notbetreuung nun der Präsenzunterricht wieder angelaufen, ebenfalls in rotierenden Kleinstgruppen und mit reduzierter Lehrerzahl. Die Infektionsgefahr sei ein wichtiger Aspekt, betont Schulleiter Michael Schneider, zumal viele Schüler Vorerkrankungen haben und zur Risikogruppe gehören. "Aber es ist wichtig, dass sie jetzt kommen können." Nicht nur für schwerstmehrfachbehinderte Kinder seien Physio- und Ergotherapien, die sonst in der Schule stattfinden, weggefallen. Nahezu unmöglich sei es für Eltern gewesen, Behandlungen zu organisieren. Wie geht es nach dem Sommer weiter? Beide Schulleiter hätten vom Ministerium gern früher gewusst, wann und wie genau es mit Förderschulen weitergeht. Die nächste Baustelle sei nun die große Unsicherheit, wie es nach den Sommerferien weitergeht, sagt Michael Schneider. Karin Strätling schaut erstmal nur bis zum Ferienstart und hofft, dass der Familien unterstützende Dienst eine Betreuung auf die Beine stellen kann. "Sonst haben wir das nächste Problem."

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