Paderborner Chefarzt: "Hohe Patientenzahlen blieben bislang aus"

Paderborn/ Salzkotten. Martin Baur erlebt als Arzt täglich die Folgen der Coronakrise in Paderborn und Salzkotten. Er ist Chefarzt der Klinik für Anästhesiologie, operative Intensivmedizin und Schmerztherapie. Zudem ist er Ärztlicher Direktor der St. Vincenz-Krankenhaus GmbH und leitet den Corona-Krisenstab der Häuser. Im Interview mit der NW ordnet er die vergangenen Wochen ein. Herr Baur, wie ist bisher die Behandlung von Patienten, die nachweislich mit dem Coronavirus infiziert sind, im St. Vincenz-Krankenhaus in Paderborn und im St. Josefs-Krankenhaus in Salzkotten verlaufen? Martin Baur: Wir haben in den vergangenen Wochen etwa 45 Patienten mit einer Corona-Infektion behandelt. 24 konnten nach Hause entlassen werden. Drei Patienten werden noch immer auf der Intensivstation versorgt und zwei von ihnen auch künstlich beatmet. Leider sind insgesamt zwölf Patienten verstorben. Die verstorbenen Patienten waren betagt und hatten mehrere Vorerkrankungen. Alle derzeit auf Normalstation behandelten Patienten befinden sich glücklicherweise in einem stabilen Gesundheitszustand. Unter ihnen sind auch zwei Personen, die zwischen 45 und 55 Jahre alt sind. Was ist aus medizinischer Sicht bei Infizierten, die ins Krankenhaus eingeliefert werden, zu beachten? Baur: Die Aufnahme und Behandlung ist durch die Schutzmaßnahmen und die erforderliche Schutzkleidung eine hygienische und logistische Herausforderung. Aktuell sind die in den vergangenen Wochen deutlich erweiterten Kapazitäten unserer Intensivstationen ausreichend. Ein weiterer Ausbau, insbesondere der Beatmungsplätze, ist derzeit trotzdem in Planung. Denn Experten erwarten für den Herbst in Verbindung mit der Grippewelle auch noch mal einen deutlichen Anstieg an Corona-Patienten. Unter welchen Symptomen leiden die infizierten Patienten im Krankenhaus? Baur: Manche Patienten haben Atemnot. Die Menschen mit schwerem Verlauf der Krankheit haben eine niedrige Sauerstoffsättigung im Blut. Dafür gibt es mehrere Ursachen und es unterscheidet sich auch von anderen Lungenentzündungen. Fieber, Abgeschlagenheit, Kopfschmerzen und Durchfall sind weitere mögliche Symptome. Was sehr typisch ist für diese Erkrankung, ist der Verlust des Geschmacks- und Geruchssinns. Werden mittlerweile alle Patienten, die eingeliefert werden, auf das Coronavirus getestet? Baur: Genau. Seit dieser Woche werden sowohl die Patienten, die sich einer geplanten Operation oder Behandlung unterziehen, als auch Notfallpatienten auf das Coronavirus getestet. Wieso wurde das nicht vorher schon so gehandhabt? Baur: Wir wägen immer ab, wie viele Ressourcen wir haben - auch in Bezug auf Testkapazitäten. Zudem wägen wir den Nutzen ab: Da die Durchseuchung der Bevölkerung nun zunehmen wird, ist es wahrscheinlicher, dass auch Patienten positiv getestet werden, die noch keine Symptome des Coronavirus zeigen. Wie bewerten Sie den Verlauf der ersten sechs Wochen der Coronakrise in den Krankenhäusern in Paderborn und Salzkotten? Baur: Aufgrund der frühen und guten Vorbereitung in unseren Krankenhäusern, der frühzeitigen Umorganisation von Stationen, der Schulung zusätzlicher Mitarbeiter und den vielen weiteren Maßnahmen, die wir frühzeitig getroffen haben, waren wir gut in der Lage, die Zahl an Corona-Patienten in Paderborn und Salzkotten zu versorgen. Herausfordernd war die Ausbreitung des Virus auf der Geriatrie-Station im St. Josefs-Krankenhaus. Hier waren 15 Patienten betroffen. Abgesehen davon sind die befürchteten hohen Patientenzahlen glücklicherweise bislang ausgeblieben. Dennoch bleibt abzuwarten, wie sich die Ausbreitung unter den nun gelockerten Schutzmaßnahmen weiter entwickelt. Wir sind sehr dankbar dafür, dass wir bei uns keine &bdquo;italienischen Verhältnisse" erlebt haben. Dennoch sehen wir auch schwere Verläufe. Verschobene Operationen sollen nun schrittweise nachgeholt werden. Wie gehen das St. Vincenz-Krankenhaus und das St. Josefs-Krankenhaus damit um? Baur: Derzeit – und dies gilt vorerst bis zum 3. Mai – werden nur nicht aufschiebbare Behandlungen, Untersuchungen und Operationen durchgeführt. Hier sind zum Beispiel Operationen nach Verletzungen, Tumoroperationen und Behandlungen von Herzinfarkten und Schlaganfällen zu nennen. Ob und in welchem Umfang eine schrittweise Öffnung ab dem 4. Mai erfolgen wird, entscheiden wir in der kommenden Woche. Wie ist es um die Schutzausrüstung in den beiden Häusern bestellt? Baur: Für die aktuelle Patientenzahl haben wir noch ausreichend Schutzkleidung. Dennoch ist unser Einkauf pausenlos bemüht, den Nachschub zu organisieren. Wie würden sie die Stimmung bei den Ärzten und beim Pflegepersonal beschreiben? Ist die Belastung gestiegen? Baur: Auf der einen Seite erleben wir eine sehr große Hilfsbereitschaft und ein Gefühl von &bdquo;wir schaffen das". Schnell hatten alle Abteilungen den Ernst der Lage erkannt und haben von Anfang an Hand in Hand gearbeitet. Auf der anderen Seite sehen wir auch eine gewisse Anspannung vor den noch ungewissen zukünftigen Entwicklungen des Coronavirus. Was raten Sie Menschen, die befürchten, sich mit dem Coronavirus infiziert zu haben? Baur: Wenn Patienten Sorge haben, dass sie an Covid-19 erkrankt sein könnten, sollten sie sich zunächst telefonisch an ihren Hausarzt wenden. Dieser ist der richtige Ansprechpartner, um zu besprechen, ob ein Corona-Test sinnvoll seien könnte. Deuten zurzeit viele Allergiker ihre Symptome als mögliche Coronavirus-Symptome? Baur: Die Frage wird tatsächlich in den Medien diskutiert. Wir sehen aktuell, dass durch die intensive Berichterstattung die meisten Patienten und Angehörigen sehr gut über das Krankheitsbild Covid-19 informiert sind. Die meisten Allergiker kennen die typischen Allergie-Symptome aus den vergangenen Jahren sehr genau. Wenn die Allergiesymptome deutlich anders erscheinen als sonst, wäre das ein Grund, den Hausarzt zu kontaktieren.

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