Wie freie Künstler in der Corona-Krise ihr Leben meistern

Paderborn. Um der Ausbreitung von Corona entgegen zu wirken, ist auch das kulturelle Leben in Paderborn zum Erliegen gekommen. Der komplette Veranstaltungssektor liegt seit über einer Woche brach. Das trifft in Paderborn die freischaffenden Künstler besonders hart. Die NW hat exemplarisch einige Künstler der darstellenden Kunstszene gefragt, wie sie das Bühnen-Aus und die Zeit der Isolation erleben und überleben. Nelo Thies ist über den Ausfall der Puppenspielwoche vor allem traurig. &bdquo;Da fiebere ich ein Jahr drauf" gesteht sie. In diesem Jahr hätte sich damit ihr 25-jähriges Bühnenjubiläum verbunden. &bdquo;Das verschiebe ich auf nächstes Jahr", wirft sie den Blick in die Zukunft und ist dankbar, dass sie finanziell grundgesichert ist. Anders sieht das bei Christina Seck aus, die in Paderborn mit ihrem &bdquo;Lumpentheater" unterwegs ist. Auch sie wäre bei den Puppenspielen aufgetreten. Mit &bdquo;Aladin". Stattdessen hat sie nun ihre Wunderlampe und andere Requisiten geordnet, gereinigt, geheilt und ist mit ihrem ganzen Lager umgezogen. &bdquo;Das stand an", sagt sie ruhig. Und nun? Die Solo-Künstlerin versucht ein neues Stück vorzubereiten. Hoffnung, dass viele Termine irgendwann nachgeholt werden können &bdquo;Vielleicht lässt sich für die Kinder auch Online etwas bewegen?", hat sie bereits bei der Stadtbibliothek nachgefragt. Ihre Existenz sieht sie nur bis März gesichert. Solange hat das private &bdquo;Trotz-Alledem Theater", ihr Hauptarbeitgeber in Bielefeld, die Gage zusagen können. Seck hofft, dass es dort weiter gehen wird. Von der Bereitschaft vieler Veranstalter, die ausgefallenen Termine nachholen zu wollen, ist die Solistin begeistert. Erstaunt ist sie, dass sich letzte Woche auf der Straße noch immer so viele Menschen sozial begegneten. Auch Kleinkünstler und Schriftsteller Erwin Grosche wundert das: &bdquo;Das ist, als ob die Menschen keine Zeitung lesen." Wundern ist eigentlich sein Markenzeichen, aber ihm fehlt gerade die Spur Realität, die sich durch alle seiner grotesken Geschichten zieht. Der Alltag. &bdquo;Mein Aufenthalt in der Welt" wie er es nennt. So schafft er es gerade nicht, seine Bücher fertig zu schreiben. Tagesstruktur bietet ihm sein Hund, das Gassi gehen, aber nur um die Ecke. Sein Lieblingscafé Weyhers ist eh geschlossen. Grosche rechnet erst nach der Sommerpause wieder mit ersten Auftritten. Die auferlegte Ruhe findet der Tagträumer eigentlich als Genuss, wenn nur die Geldeinbußen nicht wären. Aber vielleicht stellt sich bis zum Sommer ja auch ein Alltag in der Krise ein. Dann könnte der Künstler wieder arbeiten – zumindest schreiben. Quarantäne gar nicht so unbekannt Dem 77-jährigen Kulturnadelträger Hans-Gilbert Reuß ist Hausquarantäne gar nicht so unbekannt. &bdquo;Ich bin manchmal aus reiner Bequemlichkeit nicht aus dem Haus gegangen", erinnert er sich. Aktuell sorgt er dafür, &bdquo;dass die Lerche nicht versinkt". Gemeint ist Kishons Komödie &bdquo;Es war die Lerche" im Deelenhaus, die vorsorglich abgesagt wurde und in der er den Shakespeare spielt. Er hofft – wie viele andere auch – darauf, die Vorstellung nachholen zu können, und hält den Text im Gedächtnis parat. Ansonsten arbeitet er sich schon einmal für die Studiobühne in einen Botho Strauß ein. Doch bis zum Herbst ist es noch lang. Zumindest muss sich der ältere Schauspieler nicht um den Einkauf sorgen. Den hat ein ehemaliges Mitglied der Studiobühne für ihn übernommen. Antje Huißmann, bekannt nicht nur als Else Mögesie, ist erschöpft. Wenn sie die Zeitung aufschlägt, könnte sie heulen. Um die Menschen, die es nicht so gut getroffen haben, wie sie selber. Für sie ist diese Zeit ein Schweben in einem luftleeren Raum. "Ich bin Krebs. Die sind harmonie- und glückssüchtig", sagt sie in ihrer verschmitzten Art. Da schwingt ein ganz neuer, nachdenklicher Ton mit. Sie weiß, sie könnte ihre Lieder lernen, singen, neue schreiben. &bdquo;Ich möchte meinen Kopf in den Sand stecken," sagt sie selbstkritisch und ergänzt bühnenreif: &bdquo;Aber hier ist nur Lehmboden." Dass es sich dabei um gute Scholle handeln könnte, zeigt die angekündigte Solidarität von allen Seiten. An ihrer Umsetzung wird sich bemessen, wie es um das Überleben der freien Kunst konkret in Paderborn bestellt ist.

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