Paderborn

Vom Ödland zur Insel: Wie sich die Stadtheide entwickelt hat

Die erste Chronik des Stadtteils im Paderborner Norden gibt Einblicke in die Geschichte des Viertels.

Historiker und Stadtführer Michael Drewniok (v. l.), Historiker Detlef Grothmann und Historikerin und Publizistin Dina van Faassen schmökern in der Chronik.  | © Andreas Götte

02.03.2020 | 02.03.2020, 20:15

Paderborn. Als „Städtchen in der Stadt" bezeichnet Detlef Grothmann das Viertel im Norden von Paderborn. Der Historiker muss es wissen, denn er ist nicht nur in der Stadtheide aufgewachsen, sondern hat zusammen mit dem Historiker und Stadtführer Michael Drewniok und der Historikerin Dina van Faassen die nach ihren Worten erste Chronik über einen Paderborner Stadtteil geschrieben. Anlass ist das hundertjährige Jubiläum der Stadtheide-Vereinigung Paderborn, deren früherer Vorsitzender Norbert Höschen und dann sein Nachfolger Carsten Heerde die Idee dazu hatten.

Herausgekommen ist ein populärwissenschaftliches Werk auf hundert Seiten, illustriert mit 20 Bildern, in denen chronologisch die rasante Entwicklung der Stadtheide erzählt wird. „Ich habe die Chronik in einem berichtenden Stil dargestellt, die kurz und kompakt mit einem gut lesbaren Stil daherkommt", sagt Hauptautor Detlef Grothmann, der sich neben Höschen und Heerde auch beim langjährigen Kassierer Franz Anton Becker für die Unterstützung bedankt. Das Werk ist wissenschaftlich fundiert und entsprechend mit einem Literatur- und Quellenverzeichnis versehen. Die Arbeiten an der Chronik haben rund ein Jahr gedauert.

Die Leserinen und Leser erfahren, dass Erzbischof Hans-Josef Becker von 1977 bis 1981 eine Pfarrstelle in der Stadtheide hatte und es bis zum Bau der Bonifatiuskirche 1930 eine „Notkirche" in Form einer Holzkirche gab. „Die Kirche stammte aus Sennelager und diente während des Ersten Weltkriegs als Kirche für französische Kriegsgefangene", weiß Grothmann. Für das „Heidekind" war es bei seinen Recherchen etwas überraschend, welche rasante Entwicklung die Stadtheide genommen hat. Denn einfach hatte es das Stadtviertel am Beginn seiner Entwicklung nicht.

Weidegebiet für die Paderborner Bauern

Denn die Flächen waren noch in den Jahren 1860 bis 1870 Weidegebiet für die Paderborner Bauern. „Es war sumpfiges und ödes Heideland, was nur ganz allmählich besiedelt wurde", sagt Grothmann. Erst durch den Bau des Nordbahnhofs um 1902 und vor allem durch den Bau des damaligen Reichsbahnausbesserungswerkes 1912/1913 stieg die Besiedlung deutlich an. Die Stadtheide wurde zum Viertel der so genannten kleinen Leute. 1927 wurde die Bonifatiusschule errichtet, drei Jahre später die Kirche. Bis auf die Zerstörung des Ausbesserungswerks blieb die Stadtheide im Zweiten Weltkrieg weitgehend verschont.

Mitte der 60er-Jahre setzte der Bauboom ein. Bis 1980 stieg die Einwohnerzahl auf 10.000. Ab den 80er-Jahren kamen laut Grothmann Aussiedler aus Polen und der ehemaligen Sowjetunion sowie aus Südeuropa, später auch aus dem Nahen Osten, in das Viertel. Die Zahl der Katholiken sank von 80 auf heute 40 Prozent. 20 Prozent sind Protestanten, der Rest Anders- und Nichtgläubige. „In der Stadtheide lebt heute eine diversifizierte Bevölkerung aus allen Schichten und Berufen in einer arbeitsteiligen modernen Gesellschaft", so das Fazit des 61-Jährigen. Die Stadtheide sei ein lebens- und liebenswertes Fleckchen Erde mit allen Versorgungsbereichen – bis auf einen Drogeriemarkt, so Grothmann. Der Historiker rechnet damit, dass es in zehn bis fünfzehn Jahren mit der Bebauung in der Stadtheide vorbei sein wird.

Inselcharakter beibehalten

Michael Drewniok hat durch seine Mitarbeit an der Chronik festgestellt, dass die Stadtheide ihren Inselcharakter beibehalten habe und die „Heidekinder" über ein gesundes Selbstbewusstsein verfügten. Für ihn ist die Chronik nicht nur für die 13.000 Einwohner (der Großteil ist zwischen 25 und 79 Jahre alt) der Stadtheide interessant. „In einem Stadtteil passiert mehr, als gemeinhin gedacht. Das dürfte auch den Rest der Paderborner interessieren", so der 59-Jährige,

Die Chronik ist überall im Buchhandel unter der ISBN-Nummer 978-3-00-063293-8 und bei der Stadtheide-Vereinigung zum Preis von 7,50 Euro erhältlich. Die Auflage umfasst 1.000 Exemplare.