In Paderborn werden tote Menschen gezeigt

Paderborn. "Ich sehe tote Menschen." Dieser Satz aus dem Film "The Sixth Sense" erlangte 1999 Weltruhm. 20 Jahre später trifft er auch auf Paderborn zu. Denn ab Samstag, 27. April, zeigt die Wanderausstellung "Echte Körper" plastinierte Leichenteile. Die Schau, die bis Sonntag, 5. Mai, in der Vaan Lounge in der Dubelohstraße zu sehen ist, dürfte erneut für Gesprächsstoff sorgen. Kritik an der Ausstellung, die vor vier Jahren schon einmal in Paderborn gastierte, gibt es schon jetzt. Im ganzen Stadtgebiet kündigen schier zahllose Plakate die anatomische Ausstellung mit dem Motto "Von den Toten lernen" an. Viele weitere Infos sind derzeit nicht erhältlich, weil die offizielle Homepage bereits seit Wochen offline ist. "Technische Probleme", sagt Tyrone Weber vom Veranstaltungsteam. Er berichtet, dass bei "Echte Körper" mehr als 200 Exponate ausgestellt werden. Dabei handele es sich um eine Leihgabe der Firma Corcoran Laboratories aus Michigan (USA), einem Hersteller medizinischer Präparate für Universitäten und Krankenhäuser. Zu sehen sind vollständige Leichen, aber auch einzelne Körperteile und Organe. Um die Leichen zeigen zu können, bedarf es einer Einverständniserklärung der Körperspender. "Diese Bescheinigungen haben wir aber", sagt Tyrone Weber vom Ausstellungsteam. Davon geht auch die Paderborner Stadtverwaltung aus, da die Schau schon seit Längerem auf Tour ist. Eine mögliche Überprüfung wollte Sprecher Jens Reinhardt gegenüber nw.de jedoch nicht ausschließen. Ab Donnerstag werden die Exponate aufgebaut. Da es sich beim Veranstaltungsort um eine private Fläche handelt, sei auch eine Anmeldung nicht nötig gewesen. Die Stadt sieht daher keine Hinderungsgründe. "Wir würden nur eingreifen, wenn es Beschwerden der Besucher und Hinweise auf entwürdigende Darstellungen gebe", so Reinhardt. Davon sei aber nicht auszugehen. Distanz zu den "Körperwelten" So legt Tyrone Weber darauf, dass sich "Echte Körper" von den bekannteren "Körperwelten" Gunther von Hagens konzeptionell unterscheidet. "Wir sind eine rein medizinische Ausstellung", sagt er. Arrangierte Körper und Szenen wie etwa Leichen am Pokertisch oder beim Geschlechtsverkehr gebe es nicht, auch würden die Körper nicht nachträglich eingefärbt. Deswegen richte sich die Wanderausstellung auch vornehmlich an ein anderes Publikum, nämlich Schüler und Studenten. Angeboten werde ein umfangreiches Bildungsangebot, dass sich mit sämtlichen lehrplanrelevanten Themen der Klassenstufen 6 bis 12 befasse und einen wesentlichen Beitrag zur Weiterbildung in medizinischen Berufen leiste. Die Veranstalter haben die Paderborner Schulen angeschrieben und zu einem Besuch eingeladen. Nach ihren Angaben haben sich auch bereits mehrere Schulklassen zu angemeldet. Eine Altersbeschränkung wie bei den "Körperwelten" gibt es im Übrigen nicht, diese Entscheidung, sei ganz den Eltern überlassen. Für Kinder unter sechs Jahren beträgt der Eintritt 4 Euro, Studierende und Jugendliche zahlen 10 Euro, Erwachsene können die Ausstellung für 15 Euro besuchen. Von diesen Stellen kommt Kritik Egal, wo die Ausstellung hinkommt: Sie sorgt für Gesprächsstoff und wird kontrovers diskutiert. Das gilt auch für Paderborn: "Ausstellungen dieser Art bewegen sich immer auf einem schmalen Grat zwischen wissenschaftlichem Interesse beziehungsweise Bildungsanspruch auf der einen Seite sowie Nervenkitzel auf der anderen Seite", heißt es dazu vom Erzbistum Paderborn. Die Veranstalter, die Besucher und diejenigen, die ihre Körper dafür zur Verfügung stellen, sollten sich stets bewusst sein, dass ihr Interesse nicht allein die Sensation sei. Grundsätzlich sollte sich die Gesellschaft seriös und sachlich mit dem Tabuthema Tod auseinandersetzen, lautet das Fazit des Erzbistums. Auch Frank Henschke von der Pathologie Paderborn blickt mit gemischten Gefühlen auf die Wanderausstellung. Dass die Lebenden von den Toten lernen, habe auch in der modernen Medizin seine Gültigkeit nicht verloren. Leider habe die Zahl der klinischen Obduktionen in Deutschland derzeit einen historischen Tiefstand erreicht. "Insofern ist es grundsätzlich zu begrüßen, wenn der breiten Öffentlichkeit die Anatomie und das komplexe ,Kunstwerk des menschlichen Körpers' näher gebracht und verständlich gemacht wird", sagt der Pathologe. Dadurch könne auch das Verständnis der Laien für klinische Krankheitssymptome geweckt werden. "Allerdings halte ich die hier gewählte Form einer Darstellung anatomischer Präparate in Form einer Reiseschau für unangemessen", betont Henschke. Die Präparate würden wie in einer Reptilien-Schau ausgestellt werden. Er bezweifelt, dass die Verstorbenen vor ihrem Tod dazu eingewilligt hätten, ihre Körper in dieser Form zu verwenden. (function(d,s,id){var js,fjs=d.getElementsByTagName(s)[0];if(d.getElementById(id))return;js=d.createElement(s);js.id=id;js.src='https://embed.playbuzz.com/sdk.js';fjs.parentNode.insertBefore(js,fjs);}(document,'script','playbuzz-sdk'));

Meistgelesen